Fußball

Neuer Trainer, keine neuen Stars Real missglückt der Start in die Ära nach CR7

Nach dem Abschied von Cristiano Ronaldo lastet die Verantwortung auch auf Gareth Bale.

Nach dem Abschied von Cristiano Ronaldo lastet die Verantwortung auch auf Gareth Bale.

(Foto: imago/Alterphotos)

Es ist der spektakulärste Fußballtransfer des Sommers: Cristiano Ronaldo wechselt zu Juventus. Real Madrid muss nun einen Weg finden, auch ohne seinen Superstar in der Erfolgsspur zu bleiben. Im Supercup gegen Atlético gelingt das nicht.

Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Das dachte sich wohl auch der portugiesische Fußballer Cristiano Ronaldo, als er Real Madrid in diesem Sommer verließ. In den vergangenen drei Jahren gewann der Klub dreimal in Folge die Champions League. Ronaldo hatte einen erheblichen Anteil am Erfolg. Wahrscheinlich war sich der 33-Jährige nicht sicher, ob Madrid das Niveau halten kann. Trainer Zinédine Zidane handelte ähnlich und beendete seine Tätigkeit bei den Königlichen. Somit stehen in Madrid die Zeichen auf Neuanfang mit Julen Lopetegui an der Seitenlinie, aber einem ansonsten wenig veränderten Kader.

Er trägt jetzt dieses Trikot: Cristiano Ronaldo.

Er trägt jetzt dieses Trikot: Cristiano Ronaldo.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Denn auf den Abgang von Ronaldo reagierten die Spanier nicht etwa mit einer für sie ansonsten so typischen Transferoffensive. Gerüchte um den Belgier Eden Hazard vom FC Chelsea und den Brasilianer Neymar von Paris Saint-Germain bestätigten sich nicht. Die Offensivabteilung ist um ihren Superstar ärmer und keinen großen Neuzugang reicher. Geld investierte Madrid nur in die Torwartposition und Außenverteidigung. Mit dem belgischen Nationalspieler Thibaut Courtois kam einer der talentiertesten Schlussmänner Europas vom FC Chelsea. Der Spanier Álvaro Odriozola von Real Sociedad bietet mehr Auswahl in der Viererkette. Zudem landete der 18 Jahre alte Brasilianer Vinícius Júnior endlich in Madrid. Der Transfer des Flügelstürmers wurde jedoch schon vor Längerem festgezurrt.

Aus dem Schatten des großen Ronaldo

Was bedeutet diese Transferpolitik? Vielleicht vertrauen die Madrilenen schlichtweg auf ihr Personal. Eine Strategie, die ein gewisses Risiko in sich birgt. Denn so begabt Spieler wie Isco und Gareth Bale auch sind, sie standen zuletzt im großen Schatten von Ronaldo. Bale entschied zwar in Mai das Champions-League-Finale gegen den FC Liverpool mit seinen Toren, aber der Waliser tauchte in den vergangenen Spielzeiten häufig ab oder war von Verletzungen geplagt, während die Maschine Ronaldo im Drei-Tages-Rhythmus an der Belastungsgrenze arbeitete.

Bale ähnelt seinem einstigen Offensivkompagnon zumindest, wenn es darum geht, Zug zum Tor zu entwickeln. Auch der 29-Jährige versucht in günstigen wie auch teils unmöglichen Situationen den Abschluss zu finden. Manches Mal ist das von Erfolg gekrönt. Manches Mal treibt es die Trainer in den Wahnsinn. Aber Bale kann auch den klassischen Außenbahnsprinter geben, wie er erst am Mittwochabend bei der Niederlage im europäischen Supercup gegen Atlético Madrid zeigte. Den einmaligen Dribbelstil Ronaldos, der am Ball gerne zwischen Genie und Wahnsinn pendelt, hat Bale jedoch nicht.

So könnte Real ohne Cristiano Ronaldo spielen: Auf der linken Seite kooperiert Benzema mit einem quirligen Offensivkollegen, während Bale auf rechts isolierter ist. Marcelo muss stärker als zuvor die linke Seite beackern, war er doch zuvor vor allem Assistent von Ronaldo und verkappter Spielmacher.

So könnte Real ohne Cristiano Ronaldo spielen: Auf der linken Seite kooperiert Benzema mit einem quirligen Offensivkollegen, während Bale auf rechts isolierter ist. Marcelo muss stärker als zuvor die linke Seite beackern, war er doch zuvor vor allem Assistent von Ronaldo und verkappter Spielmacher.

Da könnte ein anderer Angreifer eher in Ronaldos Fußstapfen treten. Die Rede ist von Marco Asensio. Der Mallorquiner spielte sich ins Rampenlicht und erhielt auch für die spanische Nationalmannschaft seine Einsätze bei der Weltmeisterschaft in Russland. Asensio ist eher ein klassischer Außenbahnspieler, aber mit großem Talent gesegnet. Anders als Isco weicht er nicht in die offenen Räume aus, sondern sucht die Enge, um sich dort gegen einen oder mehrere Gegenspieler durchzusetzen. Einer wie Asensio wird benötigt, um Verteidigungslinien zu durchbrechen und Instabilität beim Gegner zu erzeugen. Im Strafraum ist er allerdings nicht so entscheidungsfreudig wie Ronaldo, der sich zuletzt immer mehr aufs Toreschießen konzentrierte.

Die Lopetegui-Lösung

Einen Eins-zu-eins-Ersatz stellt momentan eben keiner der Genannten dar. Somit kommt es umso stärker auf den neuen Trainer Lopetegui an, der im Sommer für Schlagzeilen sorgte, als er kurz vor der WM bekannt gab, bei Real Madrid unterschrieben zu haben. Daraufhin feuerte ihn der spanische Verband. So hatte der einstige Torhüter des FC Barcelona genügend Zeit, sich auf seine neue Aufgabe vorzubereiten.

In der Vergangenheit machte er beispielsweise mit seinen Erfolgen mit dem FC Porto von sich reden. Auch seine knapp zwei Jahre als Verantwortlicher für die spanische Nationalelf waren vielversprechend. Lopetegui gehört zur Kategorie Ballbesitztrainer. Er verfolgt - ähnlich wie Thomas Tuchel und Maurizio Sarri - den Ansatz, gezielt Spielfeldzonen zu überladen und den Gegner punktuell zu attackieren. In den Partien vor der WM nutzten die Spanier sehr durchdacht die Halbräume und kombinierten dort mit schnellen Vertikal- und Ablagepässen sowie anschließenden Läufen hinter die gegnerische Abwehr.

Gewiss können auch Lopeteguis Mannschaften zu einem behäbigen Spielaufbau neigen. Das resultiert schon aus dem Fakt, dass sie in der Regel über viel Ballbesitz verfügen. Aber der 51-Jährige möchte in der gegnerischen Hälfte, dass seine Spieler das Tempo erhöhen und mit Druck in die gefährlichen Zonen vorstoßen. Das gefällt sicherlich Fans wie Verantwortlichen der Madrilenen. Denn auch unter Zidane oder zuvor Carlo Ancelotti war der Spielstil der Königlichen meist eine Mischung aus kontrolliertem Spielaufbau und schnellen Rhythmuswechseln. Man wähnte sich zielstrebiger als der Erzfeind aus Barcelona.

Das Ende der One-Man-Show

So spielte Real Madrid bei der 2:4-Niederlage gegen Atlético im Supercup.

So spielte Real Madrid bei der 2:4-Niederlage gegen Atlético im Supercup.

Die passenden Spieler haben sie auch weiterhin für diese Art von Fußball. Toni Kroos und Luka Modrić sind Meister der durchdachten Eröffnungs- und Verlagerungspässe. Und vor ihnen gibt es mit Asensio, Isco, Bale sowie Lucas Vázquez genügend Tempo. Der X-Faktor könnte Mittelstürmer Karim Benzema werden. Denn der oftmals unterschätzte Franzose ist einer der spielintelligentesten Neuner im europäischen Fußball. Seine Ausweich- und Rückwärtsbewegungen brachten Ronaldo oftmals in aussichtsreiche Angriffspositionen.

Nun muss sich auch Benzema umstellen und wohl auf der linken Angriffsseite mit Asensio oder Isco kooperieren. Im Zusammenspiel könnten sie die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und Bale mehr Freiraum auf rechts gewähren. Da zudem Marcelo und Kroos auf der linken und halblinken Seite agieren, ergibt sich ein Pulk an intelligenten Akteuren, die allerdings anders als noch in den vergangenen Jahren, nicht nur einen Spieler, sprich Ronaldo, in Position bringen sollen, sondern sich stärker abwechseln und miteinander rochieren können. Im Uefa-Supercup gegen Atlético deuteten sich einige dieser Elemente an: Benzema wich häufig nach links aus. Isco pendelte zwischen Zehner- und tieferer Halbraumposition. Asensio kam dribbelnd von der Außenbahn, suchte aber im Gegensatz zu Bale vermehrt den Weg in die Mitte.

Lopetegui vertraute beim ersten Härtetest in der Post-Ronaldo-Ära auf ein 4-2-3-1, was sich jedoch noch ändern könnte. Immerhin kam Modrić, der beste Spieler der WM, nur von der Bank und wird bald schon einen Stammplatz im Mittelfeld beanspruchen. Trotz guter Ansätze mit Bale auf rechts und Benzama im Zentrum ging die Partie gegen den Stadtrivalen verloren. Vielleicht fehlte das besondere Etwas, für das Ronaldo sonst so häufig sorgte.

Real Madrid ist nicht die erste Mannschaft, die auf den Abgang eines entscheidenden Spielers mit dem Credo antwortet, sie könne den Verlust im Kollektiv beheben. Diese Rechnung ging aber selten auf. Liverpool strauchelte ohne Luis Suárez. Borussia Dortmund durchlief eine Durststrecke in der Zeit nach Robert Lewandowski. Die Tottenham Hotspurs brauchten lange, um ohne Bale und Modrić zu reüssieren. Und was passiert mit Barça, sollte Lionel Messi gehen? Wenn sich aber ein Klub gegen die Automatismen des Geschäfts erwehren kann, dann ist es wohl Real.

Quelle: ntv.de

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