Fußball

Heimatloser Topklub in München Schachtjor will die großen Bayern stürzen

Beim ukrainischen Meister spielen 13 Brasilianer. Der Krieg macht ihnen zu schaffen.

Beim ukrainischen Meister spielen 13 Brasilianer. Der Krieg macht ihnen zu schaffen.

(Foto: dpa)

Der ukrainische Fußball-Meister Schachtjor Donezk kann am Abend gegen den FC Bayern in der Champions League eine Sensation schaffen. Doch für viele Fans sind die sportlichen Erfolge des Klubs aus dem Donbass derzeit Nebensache.

Als die Mannschaft von Schachtjor Donezk am Montagabend am Münchner Flughafen ankam, hatte sie einen prominenten Neuzugang an Bord: den Franzosen Emmanuel Soares. Ein direktes Aufeinandertreffen zwischen ihm und Landsmann Frank Ribéry im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinales beim FC Bayern ist dennoch ausgeschlossen. Schließlich hat Soares als Spitzenkoch seine Stärken im lukullischen Bereich. Seine kulinarische Klasse soll helfen, dem Team von Trainerfuchs Mircea Lucescu Beine zu machen und den scheinbar übermächtigen Bayern die Suppe nach dem respektablen 0:0 im Hinspiel endgültig zu versalzen.

Mircea Lucescu hält Schachtjor Donezk die Treue.

Mircea Lucescu hält Schachtjor Donezk die Treue.

(Foto: imago/Revierfoto)

Doch die von ihm zu erwartenden Gaumenfreuden haben noch einen anderen Zweck: Sie sollen die Mannschaft für deren Entbehrungen entschädigen, die der Krieg in der heimischen Donbass-Region mit sich bringt. Der Verein konnte in der durch die Kämpfe stark beschädigten Donezker Arena seit Monaten nicht auflaufen. Im Juli vergangenen Jahres hatte die Klubführung beschlossen, die Heimspiele fortan im 1200 Kilometer entfernten Lwiw auszutragen. Seitdem pendeln die Orange-Schwarzen zwischen der Ausweichstätte im Westen der Nation und der Hauptstadt Kiew, wo die Mannschaft ihren neuen Lebensmittelpunkt hat.

"Der Umzug war unumgänglich, es ging um die Sicherheit der Mannschaft", sagt Oleg Lulka, Fußballreporter der Kiewer Zeitung "Sewodnia". "In Kiew kann der Verein den Legionären jenen Komfort bieten, den sie sich wünschen." Doch trotz üppiger Gehälter, nobler Wohnungen und internationalen Schulen für die Kinder schienen viele der 13 brasilianischen Stars, die bei Donezk spielen, von einem Verbleib in der Ukraine nicht mehr überzeugt zu sein. Gerüchte um eine Flucht des Großteils der Brasilianer machten die Runde. "Doch am Ende sind fast alle geblieben", sagt Lulka.

Donezker haben andere Sorgen

Einen großen Anteil an deren Verbleib schreibt er dem rumänischen Erfolgstrainer Lucescu zu, der seit 2004 das Zepter beim neunmaligen ukrainischen Meister schwingt. Dieser schob seinerseits Abwanderungsgerüchten einen Riegel vor: "Ich werde das Team auch weiterhin trainieren. Die Spieler liegen mir sehr am Herzen. Es wäre absolut falsch, wenn ich den Verein in solch einer schwierigen Situation verlassen würde." Dass sein Team in der Premyer Liga derzeit nach fünf Meisterschaften in Serie nur den zweiten Tabellenrang hinter dem Dauerrivalen Dynamo Kiew belegt, habe indes nicht nur sportliche Gründe. "Es ist sehr schwierig, vor dem Hintergrund der territorialen Spannungen und Feindseligkeiten um die Meisterschaft zu spielen."

Da sein Club als einer von den fünf Vertretern aus dem Osten des Landes stets in fremden Stadien antreten muss, könne er die Meisterschaft "nicht ernst nehmen". Vielmehr ginge es ihm in der derzeitigen Situation vor allem darum, den Spielern die Sorge um ihre Gesundheit und die Familien zu nehmen. Eine Priorität, die allzu verständlich erscheint – erst recht für die noch immer in Donezk lebenden Fans. "Fußball spielt dort derzeit keine Rolle", sagt Sportreporter Lulka.

Lucescu traut Schachtjor Überraschung zu

Und so ist es verständlich, dass selbst langjährige Vertreter des Uefa-Cup-Siegers von 2009 ihre Prioritäten neu ordnen. Wie Ruslan Marmasov, der den Verein nach über zehn Jahren als Pressesprecher kürzlich verlassen hat. Er beklagt Heimatlosigkeit und fehlende Perspektive des Vereins: "Es gibt viele Gründe, aber der wichtigste ist, dass Schachtjor zurzeit in Kiew und Lemberg leben muss. In diesen Städten jedoch möchte ich nicht leben. Die Aussicht, dass der Club in naher Zukunft in seine Heimat zurückkehren kann, ist sehr gering." Er fühle sich zunehmend der russischen Seite zugeneigt. "Ich unterstütze meine Landsleute in Donezk und Lugansk, die sehr schwierige Zeiten durchleben. Sie kämpfen für ihre Rechte, für ihr Land, für ihre Ideale."

Ganz so düster sieht er die Situation seines Ex-Vereins im Gastspiel in der Allianz-Arena heute Abend nicht. Und auch Lucescu hat durchaus Hoffnung auf eine Überraschung. Der Schachtjor-Trainer sagte auf der Pressekonferenz vor dem Spiel, dass er die "Bayern zwar für die derzeit beste Mannschaft Europas halte". Doch gleichzeitig erwarte er auch von seinem Team einiges: "Ich gehe davon aus, dass wir ein gutes Spiel zeigen werden. Und natürlich wollen wir gewinnen – so wie wir es im Hinspiel wollten, als wir die Münchner sicherlich überrascht hatten."

Quelle: ntv.de

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