
Schüttengruber pfeift seit 2010 in der österreichischen Bundesliga, seit 2014 ist er FIFA-Schiedsrichter.
(Foto: IMAGO/GEPA pictures)
Neuseelands Fußball-Nationalmannschaft weigert sich, zur zweiten Hälfte gegen Katar anzutreten, das Freundschaftsspiel wird abgebrochen. Gegenüber ntv.de gibt Schiedsrichter Manuel Schüttengruber Einblick, wie er die mutmaßlichen rassistischen Äußerungen auf dem Feld und in der Kabine erlebt hat.
Es sollte ein Freundschaftsspiel werden, endete aber bereits nach 45 absolvierten Minuten mit einem vorzeitigen Abbruch, gefolgt von gegenseitigen Vorwürfen: das Aufeinandertreffen der Fußball-Nationalmannschaften von Katar und Neuseeland in Österreich. Die "All Whites" waren nach der Halbzeit in der Kabine geblieben und hatten die Fortsetzung verweigert. Verteidiger Michael Boxall soll kurz vor der Pause von einem katarischen Fußballer rassistisch beleidigt worden sein, teilte der neuseeländische Verband als Begründung mit. Die Qatar Football Association (QFA) wies diese Darstellung entschieden zurück und berichtete stattdessen ihrerseits davon, dass der Spieler Yusuf Abdurisag rassistisch beleidigt worden sei.
Auf Anfrage von ntv.de schildert nun Schiedsrichter Manuel Schüttengruber seine Sicht auf den Vorfall. "Der Kapitän [Neuseelands, Anmerkung der Redaktion] informierte mich beim Abgang in der Halbzeitpause zum ersten Mal über die gefallenen Worte", sagt der 39-Jährige, der die entsprechende Szene jedoch nicht bewusst wahrgenommen habe. "Ich war gerade dabei, die Mauer nach einem Foulspiel zu stellen", berichtet er, als ihn seine Assistenten per Headset alarmiert hätten, "dass es zu einer Konfrontation zwischen den Spielern kommt". Er habe dann geschlichtet, ohne allerdings den Auslöser zu kennen.
Allerdings sei die akustische Wahrnehmung als Schiedsrichter ohnehin getrübt, wie Schüttengruber ausführt: "Durch das Headset hören wir auf einem Ohr durch das In-Ear nicht wirklich andere Geräusche", abgesehen von jenen, die "von den Kollegen via Funk" kommen. Auch während der Auflösung der Konfrontation habe er nicht wahrgenommen, dass eine rassistische Äußerung getätigt worden sein könnte. "Diese Information habe ich erst in der Halbzeitpause vom Kapitän bekommen", sagt Schüttengruber, denn "leider hat er mir am Feld nie gesagt, was genau vorgefallen ist".
Videoaufnahmen der betreffenden Szene scheinen einen neuseeländischen Spieler zu zeigen, der in Richtung des Schiedsrichters sagt: "He can't say that, Ref", also "Schiri, das darf er nicht sagen". Schüttengruber sagt, er könne sich an diese Aussage nicht erinnern, hält es aber für möglich, sie überhört zu haben. Erst auf dem Weg in die Halbzeit habe er dann konkret erfahren, was vorgefallen sein soll. Vom "N-Wort" sei die Rede gewesen, sagt Schüttengruber, ausgesprochen habe Neuseelands Kapitän das Wort nicht. Er selbst habe nicht sofort gewusst, um welches Wort es sich handelt und sei kurz darauf vom Teammanager aufgeklärt worden, dass es sich um eine rassistische und diskriminierende Beleidigung handelt. Das gehöre "absolut nicht in die Gesellschaft", so Schüttengruber zu ntv.de.
"Ganz schwierig, da etwas herauszufinden"
Die neuseeländische Mannschaft habe ihm kurz darauf mitgeteilt, "die zweite Halbzeit nicht mehr zu spielen", so der österreichische Unparteiische. Schüttengruber brach die Partie daraufhin beim Stand von 1:0 für die Auswahl aus Ozeanien ab und fertigte in der Folge "meinen Bericht an die zuständigen Instanzen". Diese sind nun gefordert, eine Entscheidung zu fällen. Auch die Nationalverbände von Neuseeland und Katar forderten den Weltverband FIFA auf, zu handeln. "Das ist aber wohl ganz schwierig, da jetzt etwas herauszufinden", sagte er dem ORF, dass eine vollständige Aufklärung kaum zu erwarten sei.
Der katarische Verband legte am Tag nach dem Eklat mit zwei Mitteilungen auf Twitter nach. Verbandspräsident Jassim bin Rashid Al Buenain wird mit den Worten zitiert, die Anschuldigungen entschieden zurückzuweisen: "Seit Jahrzehnten tritt unsere Nationalmannschaft überall auf der Welt an, ohne dass jemals einem Mitglied auf oder neben dem Platz diskriminierendes Verhalten vorgeworfen wurde." Yusuf Abdurisag habe außerdem bestätigt, dass es "in einem hitzigen Moment" eine verbale Auseinandersetzung gegeben habe - allerdings ohne jegliche rassistische oder diskriminierende Aussage.
Stattdessen appelliere die QFA, dass "Rassismus ein ernstes Problem im Fußball" sei und "niemals verharmlost werden darf". Und: Abdurisag habe deutlich gemacht, dass "tatsächlich er selbst während des Matches rassistisch beleidigt worden ist". Von katarischen Protesten auf dem Platz, während der Halbzeit oder kurz nach dem Spielabbruch ist allerdings nichts bekannt. Auch in ersten Reaktionen auf die neuseeländischen Vorwürfe war davon keine Rede. Die Anschuldigungen Katars wurden erst mit deutlicher Verzögerung öffentlich gemacht.
Neuseelands Verbandspräsident Andrew Pragnell hatte sich unmittelbar nach dem Spielabbruch hinter seine Mannschaft gestellt und angeprangert, dass trotz "mehrerer Zeugen" nicht schon auf dem Feld eine Reaktion auf die mutmaßlichen Äußerungen eines katarischen Auswahlspielers erfolgt sei. "Es wurden keine offiziellen Maßnahmen ergriffen", so Pragnell, weshalb die Mannschaft sich zum Handeln gezwungen gesehen habe: "Wir wollen nie, dass ein Spiel abgebrochen wird, aber es gibt Themen, die über den Fußball hinausgehen, und es ist wichtig, sich dafür einzusetzen."
Quelle: ntv.de