Wie reagiert der FC Bayern? Manuel Neuer stürzt zwei Teams ins Dilemma
14.12.2022, 12:31 Uhr (aktualisiert)
Für Bayern-Keeper Manuel Neuer ist die Saison beendet.
(Foto: Lennart Preiss/dpa)
Manuel Neuer verletzt sich bei einer Skitour so schwer, dass er den Rest der Saison ausfällt. Wie es für den 36-Jährigen weitergeht, ist unklar. Der Torwart selbst hat noch große Ambitionen - den Verantwortlichen von zwei Teams erschwert das die Planungen.
Aus dem Mangfallgebirge wurde am vergangenen Freitag SOS gefunkt - und diese Nachricht versetzte nicht nur die Bergwacht am Schliersee in Alarmbereitschaft. Als das Notsignal aus 1400 Metern Höhe vom Südhang des Roßkopfs die Säbener Straße und schließlich auch Bundestrainer Hansi Flick - sein Aufenthaltsort war nicht bekannt - erreicht hatte, formulierte sich eine der spannendsten Fragen im deutschen Fußball: Wie geht's weiter mit Manuel Neuer? Der Torwart des FC Bayern und der Nationalmannschaft hatte sich beim Skitourengehen in den Bergen oberhalb des Spitzingsees den Unterschenkel gebrochen und fällt für den Rest der Saison aus.
Wenn es nach Manuel Neuer geht, dann läuft nach seiner erfolgreichen Genesung alles wie immer. Er kehrt ins Tor zurück. Präziser: Er kehrt in beide Tore zurück. Mit der Nationalmannschaft verfolgt er den großen Plan, bei der Heim-EM 2024 die schmerzhaften Demütigungen der vergangenen drei Großturniere (zweimal Vorrunden-Aus und einmal Achtelfinal-Knockout) abzuschütteln. Bis zu jenem Sommer läuft auch noch der Vertrag mit dem FC Bayern, und Neuer hatte bereits mal anklingen lassen, dass es aus seiner Sicht auf die Dinge nicht das letzte Arbeitspapier in München sein müsste. Der Torwart ist unersättlich, will immer spielen, sich die Zeit zwischen den Pfosten nicht teilen.
Sven Ulreich heftet ein großer Makel an
Das ist ein Problem. Für die Nationalmannschaft, aber noch viel mehr für den FC Bayern. Der hat in dieser Saison Großes vor - und Großes vor der Brust. Im Achtelfinale der Champions League kommt es zum Gigantengipfel mit Paris St. Germain. In diesem katarischen Luxusensemble tummelt sich die massive Offensivkraft und vielleicht ja auch der kommende Weltmeister. Mit Kylian Mbappé und Lionel Messi sind noch zwei Starstürmer im Verteiler um die blutverschmierte Krone in Katar. Welcher Münchner soll diese Wucht stoppen, der ja auch noch Neymar angehört? Die naheliegendste Antwort: Sven Ulreich, die zuverlässige Nummer zwei, aber kein Keeper auf dem allerhöchsten internationalen Niveau. Und noch immer heftet ihm das Halbfinal-Aus im Mai 2018 an, als er einen Rückpass von Corentin Tolisso fatal durchrutschen ließ. Real Madrids Karim Benzema nahm das Geschenk an - die Königlichen gewannen wenig später den Henkelpott.
Mit Ulreich also in die Rückrunde gehen? Einen neuen Torwart holen? Und wenn ja, wen? Alexander Nübel etwa? Der 26-Jährige kam im Sommer 2020 vom FC Schalke 04 - mit reichlich Nebengeräuschen und großen Ambitionen. Nach einem Jahr als Lehrling von Neuer, mit angeblich auch zugesicherten Einsätzen, wollte er zu einem echten Herausforderer reifen und den ewigen Manu verdrängen. Doch das Lehrjahr wurde zu einem atmosphärischen Debakel. Neuer spielte immer, weil er das wollte und Flick (damals Bayern-Coach) keine Notwendigkeit sah, seine Nummer eins zu schonen. Und so zog der frustrierte bis verärgerte Nübel weiter, zur AS Monaco, für zwei Jahre, per Leihe. Nach einer eher durchwachsenen Premierensaison hat er sich mittlerweile stabilisiert und liefert auf Top-Niveau.
Nübel: Nie mehr Notnagel
Also Nübel zurückholen? Offenbar eine sehr realistische Option. Aber auch eine, die Probleme verursachen könnte. Zunächst müsste Monaco finanziell entschädigt werden, das wäre wohl das kleinste Übel. Sollte das gelingen (kein Zweifel), wird es deutlich spannender: Denn Nübel hatte mehrfach betont, nicht als "Notnagel" zurückzukommen. Doch was wäre zur neuen Saison, wenn Neuer wieder genesen wäre und auf seinen Status pochen würde? Nach Berichten verschiedener Medien schließt der 36-Jährige ein Karriereende aus. Zudem gilt das Verhältnis von Nübel zum Münchner Torwarttrainer Toni Tapalovic, einem Neuer-Vertrauten, als belastet.
Bliebe noch die Möglichkeit einer externen Lösung. Spekulationen gibt es um Gladbachs Top-Keeper Yann Sommer, um Kroatiens WM-Held Dominik Livakovic (Dinamo Zagreb) oder Altstar Keylor Navas, derzeit bei Paris St. Germain die Nummer zwei. Eine Verpflichtung, gleich welcher Art, scheint wahrscheinlich. Denn nur mit Ulreich und unerfahrenen Nachwuchskeepern in die Rückrunde zu gehen, wäre ein riskanter Weg bei all den Ambitionen.
Auch für Flick ein Risiko
Und was ist mit der Nationalmannschaft. Mit der war Neuer bei der WM in Katar gerade erst krachend gescheitert. Und nicht wenige Experten eröffneten danach eine Diskussion darum, ob die Zeit der ewigen Nummer eins abgelaufen sei - bei mehreren Gegentoren wurde er zumindest mitverantwortlich gemacht. Etwa bei Japans Siegtreffer durch den Bochumer Takuma Asano oder auch beim zwischenzeitlichen Führungstreffer der Costaricaner (4:2). Sein Anteil an diesen Gegentreffern reichte (noch) nicht, um eine ernsthafte Debatte über seinen Status zu entfachen, aber verstummen wollen die Stimmen auch nicht. Wie also geht es weiter im DFB-Team? Mit dem ewigen Kronprinzern Marc-André ter Stegen, der so sehnlich auf seine Chance im Tor hofft, und Kevin Trapp hat Flick zwei Keeper auf allerhöchstem Niveau - und damit weniger Sorgen als der FC Bayern. Mit Oliver Baumann und Bernd Leno gibt es zudem noch weitere starke Alternativen.
Mindestens vSpiele wird das DFB-Team im ersten Halbjahr 2023 ohne Neuer bestreiten müssen. Und das mitten in dieser gigantischen sportlichen Krise, die den nächsten Neuaufbau erfordert - eine stabile Achse muss sich finden, eine Hierarchie. Und zu der gehört auch der Torwart. Sollten ter Stegen oder Trapp überragende Leistungen zeigen, wäre Flick im Dilemma. Wie soll er die Rückkehr eines 36-Jährigen rechtfertigen, dessen letzter Eindruck nicht mehr der stabilste war? Die Ereignisse aus dem Mangfallgebirge vom vergangenen Freitag könnten den deutschen Fußball nachhaltiger beeinflussen, als die Menschen der Bergwacht vom Schliersee erwartet hatten. Sie hatte den Torwart unter Helm und Skibrille zunächst nicht erkannt.
(Dieser Artikel wurde am Montag, 12. Dezember 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de