Die Lehren des 31. Spieltags So wie Haaland sprintet, lahmt der FC Bayern
26.04.2021, 09:51 Uhr
Hansi Flick (links) und Hasan Salihamidzic werden nach der Saison getrennte Wege gehen.
(Foto: Pool via REUTERS)
Das Spiel des FC Bayern wirkt an diesem Spieltag der Fußball-Bundesliga so ideenlos wie der ganze Verein in der Zoff-Situation um Trainer Hansi Flick und Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Wie man Schwung reinbekommt, zeigt Dortmunds Erling Haaland, der Sprint-Weltrekordler Usain Bolt Konkurrenz macht. Konkurrenzlos schlecht ist Werder Bremen, grandios dagegen der FSV Mainz 05.
Das Spiel lahmt mit dem Verein um die Wette
So blutleer und ideenlos hatte man den FC Bayern lange nicht agieren sehen. Auch beim Ausscheiden in der Champions League gegen PSG war dem deutschen Rekordmeister ja ein sehr starker und halbwegs guter Auftritt gelungen. Aber gegen Mainz lahmte das Münchner Offensivspiel komplett. Das 2:1 der Mainzer war noch schmeichelhaft. "So kannst du dieses Spiel natürlich nicht angehen und gewinnen", kritisierte Kapitän Manuel Neuer. "Die Körpersprache und das Engagement von uns, den Ball haben zu wollen und von hinten herauszuspielen" seien zu wenig gewesen.
Mit der Körpersprache könnte Neuer den ganzen Verein gemeint haben. Die Saison ist schließlich quasi beendet. Der Pokal ist futsch, die Königsklasse auch, die Liga wird man in den vergangenen drei Spielen schon irgendwie noch gewinnen bei dem immer noch sieben Punkte zählenden Vorsprung. Und so lahmt der ganze Klub. Auch unter der Last des Brandherdes Trainer Hansi Flick gegen Sportvorstand Hasan Salihamidzic, an dem die Über-Bosse Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß natürlich mitzündeln. Weil Flick Reißaus nimmt, wissen auch die Spieler nicht mehr so recht für (oder vielleicht gegen) wen sie spielen sollen. Der Rekordmeister muss sich neu aufstellen. David Alaba und Jérôme Boateng sind möglicherweise auch schon bei ihren neuen Vereinen vom Kopf her und Thomas Müller träumt von der Europameisterschaft.
Immerhin: Robert Lewandowski durfte ein wenig jubeln. Im ersten Spiel nach seiner Verletzungspause traf er direkt wieder und wahrte damit seine Chancen, den "ewigen" Torrekord Gerd Müllers zu knacken. 36 Treffer stehen diese Saison bislang auf dem Konto des Polen. Müller hatte in seiner Rekordsaison 1971/72 zum selben Zeitpunkt bereits einen Treffer mehr erzielt. Dass die nächsten Gegner aus Mönchengladbach, Freiburg und Augsburg nicht die allerbesten Defensiven der Liga stellen, dürfte Lewandowskis Erfolgsaussichten erhöhen. Und apropos jubeln: Vielleicht wollte der Rekordmeister die Schale einfach in bewährter Manier in der Allianz Arena entgegennehmen und gönnte sich deshalb eine Engagement-Auszeit, die zum Saisonende perfekt zum Drunter und Drüber im Verein passt.
Haaland macht Usain Bolt Konkurrenz
"Ich habe versucht, hinterherzusprinten, aber da hat man keine Chance", staunte Marco Reus über Erling Haaland nach dessen Vollspeed-Kurzstreckenlauf über den halben Platz zum 2:0 gegen den VfL Wolfsburg. "Er hat diese Grundschnelligkeit und weiß, dass er schneller ist. Dadurch kann er sich schon auf dem Weg überlegen, wohin er schießt." Das tat der 20-Jährige auch, schüttelte derweil zwei Verfolger ab und vollendete cool. BVB-Coach Edin Terzic wollte in dem Haaland-Lauf gar ein weiteres Highlight-Video "für Youtube" entdeckt haben. Mit "gefühlt 45 km/h" sei der Norweger über den Platz gepflügt, urteilte Wölfe-Trainer Oliver Glasner - dabei waren es in der Spitze "nur" 35,99 Kilometer pro Stunde. Zum Vergleich, auch Usain Bolt war nicht viel schneller (wenngleich auch über komplette 100 Meter): Sein 2009 bei den Weltmeisterschaften in Berlin aufgestellter Weltrekord in 9,58 Sekunden entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 37,58 km/h.
"Yeeesssss!", schrie Haaland selbst lautstark nach dem Spiel aus. Bei dem Urschrei ging es eher nicht um seine Sprinterqualitäten als vielmehr um die nun wieder mögliche Qualifikation zur Champions League. Diese wäre aus BVB-Sicht auch für den Verbleib des Norwegers so immens wichtig. Der Sieg von Bayer Leverkusen über Eintracht Frankfurt belebte die schwarz-gelben Hoffnungen am Abend dann noch einmal verstärkt. Nur einen Punkt liegen die Dortmunder hinter den Hessen, zwei sind es bis zu den Wölfen. Mit Leipzig, Mainz und Leverkusen hat der BVB aber das vermeintlich schwerste Restprogramm der drei Teams.
Wölfe und Eintracht drohen am Druck zu zerschellen
Im Kampf um die Champions-League-Millionen zittern Wolfsburg und Frankfurt nun dementsprechend. Vor drei Wochen hatten die Wölfe noch elf Punkte Vorsprung auf den BVB. Die Qualifikation zur Königsklasse schien eigentlich sicher. Besonders defensiv hatte die Mannschaft von Oliver Glasner die ganze Saison über sehr stark agiert, in den vergangenen vier Partien hagelte es aber zehn Gegentore. Jetzt sind es noch zwei Punkte Vorsprung. Die vielen Patzer der Abwehr bezeugen eine gewisse Nervosität im Team. "Wenn du beide Spiele gegen Bayern verlierst und beide Spiele gegen Dortmund verlierst, dann fehlt einfach noch etwas", gab Glasner offen zu. Nach den ausstehenden Partien gegen Union Berlin, Leipzig und Mainz könnte am Ende auch die CL-Quali fehlen.
In Frankfurt läuft es zwar nicht ganz so bitter wie in Gladbach, als der Abgang des Cheftrainers im Sommer verkündet wurde und erstmal alles schiefging. Aber auch Adi Hütter sammelte seit seinem verkündeten Wechsel zu eben jenen Fohlen nun die zweite Niederlage in drei Spielen. Der Eintracht droht auf der Zielgeraden die Luft auszugehen und der große Erfolg der erstmaligen Qualifikation zur Champions League zu verpuffen. "Vor ein paar Wochen war es noch so, dass wir die Champions League erspielen können. Nachdem wir sieben Punkte vorne waren ist das Gefühl jetzt eher dazu umgeschwenkt, dass wir die Champions League verlieren können", sagte Martin Hinteregger. Der Druck sei "spürbar gewesen". Vielleicht ist er zu groß. Die Spiele gegen Mainz, Schalke und Freiburg werden zum Druck-Gradmesser.
Werder gähnt sich gen 2. Liga
"Wir waren gut drin in der ersten Halbzeit", konstatierte Werders Routinier Niklas Moisander nach dem Abpfiff, "dann gab es 15 Minuten Blackout. Das darf nicht passieren." Trainer Florian Kohfeldt teilte eine ähnliche Meinung. "Die 15 Minuten nach der Halbzeit waren desolat." Der Rest des Spiels sei aber in Ordnung gewesen. Werder-Fans in ganz Deutschland fragen sich, welches Spiel die Beteiligten da erlebt hatten. 15 desolate Minuten nur? Das waren 90 Minuten Blackout. Ach was, sieben Partien in Folge. Okay, eher fast eine gesamte Saison erneut.
Keinerlei Kombinationen, unglaublich langsam, statisch und langweilig: Werder gähnt sich mit der siebten Niederlage in Folge gen 2. Liga. Ideenlos vorne, fehlerhaft hinten. Das kennen die Bremer Fans eigentlich schon aus der kompletten vergangenen Saison. "Nichts ist wichtiger als Werder Bremen", sagte Kohfeldt auch noch. Am Sonntag wurde intern über den Coach diskutiert, Manager Frank Baumann sagte, dass man generell zum Trainer halte, aber sich bis "spätestens Dienstag" Zeit lasse für ein Urteil. In den sozialen Medien ist die Kritik an Kohfeldt schon lange laut, mancherorts wird nun ein Neuanfang mit dem in Paderborn scheidenden Steffen Baumgart gefordert. Drei Spiele hat Werder noch, um diesen Re-Start im Oberhaus vollführen zu können. In der aktuellen Form sieht es aber eher danach aus, als würden die Grün-Weißen einen traurigen Rekord einstellen: Genau drei Pleiten braucht es noch, um mit Tasmania Berlin und Arminia Bielefeld gleichzuziehen, die beide die längste Niederlagen-Serie (zehn Spiele) in einer Saison innehaben.
Mainz drängt in die (Rückrunden-) Champions League
Was so ein Trainerwechsel bringen kann, zeigt Woche um Woche der FSV Mainz 05. Ein Gegner nach dem anderen wird abgefertigt. Diesmal musste selbst der designierte Meister aus München dran glauben. Bis auf den zu späten Anschlusstreffer Robert Lewandowskis hatten die Bayern kaum eine Chance. Was für ein Unterschied zum Hinspiel, als die 05er nach einer überraschenden 2:0-Führung noch mit 5:2 abgewatscht wurden. Aber seitdem Bo Svensson die Mannschaft übernommen hat, spielt sie selbstbewusst, kompakt und vorne mit Spielwitz und äußerst effektiv. Und nicht nur das, Mainz gewinnt am Ende fast immer.
Als Svensson Anfang Januar sein Arbeitspapier unterschrieb, glaubten viele Experten in Schalke 04 und Mainz 05 die beiden sicheren Absteiger bereits gefunden zu haben. Sechs Punkte aus 14 Spieltagen standen bei den Mainzern zu Buche. Nun, Schalke erfüllte die Erwartungen, doch Svenssons Mannschaft begehrte unter dem neuen Trainer auf. In der Rückrunden-Tabelle liegt Mainz derzeit auf Platz vier - mit einem Spiel weniger und satten 27 Zählern auf dem Konto (die Bayern führen mit 32 Punkten). Der Nicht-Abstieg scheint fast besiegelt. In der aktuellen Form müssen die Mainzer auch vor dem strammen Restprogramm (Hertha, Frankfurt, Dortmund, Wolfsburg) überhaupt keine Bange haben.
Quelle: ntv.de