Fußball

Neues vom Gänsemarkt Supertrainer Flick schafft "Revolution" beim FC Barcelona

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(Foto: picture alliance / abaca)

Hansi Flick hatte als Bundestrainer keine sonderlich gute Zeit. Doch diese trüben Tage macht der 59-Jährige derzeit im Eiltempo vergessen. Mit dem FC Barcelona fliegt er von Sieg zu Sieg. Ob das womöglich etwas mit 13 wachsamen Gänsen zu tun hat?

Wer bis vor wenigen Wochen an Hansi Flick dachte, der dachte nicht an das Campo Bahia. Nicht an den WM-Titel 2014, den er als Co-Trainer gefeiert hatte. Nicht an das historische Sextuple mit dem FC Bayern. Wer bis vor wenigen Wochen an Hansi Flick dachte, der hatte Graugänse im Kopf. Und das waren wahrhaftig keine schönen Bilder. Mit der mächtigen Kraft der Entenvögel wollte der damalige Bundestrainer die vor sich hin darbende deutsche Fußball-Nationalmannschaft durch das Wüstenturnier 2022 navigieren. Doch statt eines fulminanten Formationsflugs gab's eine krachende Bruchlandung, gab's Flügel voller Sand. Was danach auf ihn einprasselte, war so schonungslos wie ein Gänsereiter aus Wattenscheid-Sevinghausen.

Flick und das Team erholten sich davon nicht. Nach einer fußballerischen Panikattacke gegen Japan in Wolfsburg war's vorbei. Und beide Partner dieser unglücklichen Liaison fanden danach das richtige Match, wie man so sagt. Julian Nagelsmann wurde zum Wolkenschieber und Sonnenjungen des deutschen Fußballs, Hansi Flick segelte auf neuen Schwingen zum FC Barcelona. Und zack, es läuft! Nach fünf Spieltagen steht der seit Jahren um neue Haltung bemühte Gigant an der La-Liga-Spitze und räumt einen Gegner nach dem nächsten mit kräftigen Flügelschlägen aus dem Weg. Vielleicht ist die Metropole wirklich der perfekte Ort für den Gänseflüsterer?

Denn die Gans - gut, hier ist sie nicht grau, sondern weiß - ist den Menschen heilig. Die Catedral de la Santa Cruz y Santa Eulalia de Barcelona wird seit dem 14. Jahrhundert von 13 Entenvögeln bewacht. Einst verhinderte, so erzählt man sich, ihr Geschnatter einen Einbruch auf das noch im Bau befindliche Gebäude. Als Dank für den treuen Dienst an der guten Sache wurde das effektive Alarmsystem etabliert. Ob Hansi Flick, der Champions-League-Sieger, der gestrauchelte Trainerstar, nun eine ähnliche Erfolgsgeschichte schreibt, ist längst noch nicht ausgemacht. Ob sein System ebenfalls über Jahrhunderte etabliert bleibt, ebenfalls nicht. Dazu fehlen in der Sportart Fußball schlicht die Erfahrungswerte. Doch möglich erscheint in diesem Spätsommer 2024 alles.

Der Flickhans trotz dem Schmalhans

Flick wird vorerst ohnehin reichen, was er gerade sieht. Sein Klub, der sich seit Jahren Untergangsgeschichten anhören muss, fliegt derzeit mit gewaltig Auftrieb durch La Liga. Vielleicht erlebt der Klub gerade den schönsten Moment seit Ewigkeiten. Seit Lionel Messis Abgang war niemand mehr glücklich. Ganz sicher erlebt er aber die hoffnungsvollsten Momente seit einer kleinen Ewigkeit. Nach Jahrzehnten der Was-kostet-die Welt-Mentalität hat der Geld eintreibende Schmalhans (hahaha) den Verein an die Kette gelegt. Wirtschaftliche Zwänge gingen einher mit düsteren Aussichten. Wobei, was sind in Spanien schon wirtschaftliche Zwänge, wenn trotz eines drohenden Kollapses noch Spieler wie Robert Lewandowski oder aber in diesem Sommer Dani Olmo verpflichtet werden können?

Der, damit sind wir in den Gegenwart, scheint die Alpha-Gans zu werden, die die ganze Formation mit sich zieht. Bei der Fußball-EM hatte er bereits angedeutet, in was für einer magischen Verfassung er ist. Für RB Leipzig war das eine gute und schlechte Nachricht. Denn schon während des Turniers schimmerte ihn, dass der Spielmacher nicht zu halten sein würde, vor allem weil seine alte Liebe so laut und vehement an ihm baggerte. Als Trost nahm der Klub 55 Millionen Euro mit. Sportlich war der Deal ebenfalls zu verdauen, denn Olmo konnte wegen vieler Verletzungen nie über einen langen Zeitraum glänzen. RB musste improvisieren und das tat das meist erfolgreich. Flick muss es nun auch. Mit einer Oberschenkelverletzung fällt Olmo für rund einen Monat aus.

Bis zur seiner Verletzung machte Olmo einfach so weiter, wie er als Europameister aufgehört hatte. Mit einer unglaublichen Freude am Spielen. Dreimal lief er für Barça auf, es hatte zuvor Probleme mit der Registrierung des Spielers bei der Liga gegeben; dreimal traf er. Gegen den FC Girona (4:1) am Sonntagabend sogar traumhaft. Jules Koundé fand den 26-Jährigen mit einem zauberhaften Ball hinter die Abwehrkette und Olmo knallte ihn aus spitzestem Winkel in die lange Ecke. Er ließ den Ball einmal ticken und schloss dann kraftvoll ab. Er strotzt vor

Vertrauen in sich selbst, so wie die gesamte Mannschaft. Die mit einem unglaublichen Talent gesegnet ist. Als Speerspitze der Bewegung dribbelt Lamine Yamal vorneweg. Bei der EM wurde er endgültig in den Status der "Sensation" gehoben. Aber um ihn herum tummeln sich so viele kleine Genies und Spieler, die das mal werden können: Pedri etwa, Pau Cubarsi, die verletzten Gavi oder Marc Bernal (der große Teile dieser Saison verpassen wird) und wie sie alle heißen. Und ein Gerüst aus Marc-André ter Stegen, Lewandowski und Jules Koundes gibt den Jungs Sicherheit. Und diese Jungs lässt Flick das machen, was sie am besten können. Er lässt sie spielen. Und so waren sie in Barcelona immer am besten, wenn man sie einfach ihre Freude ausleben lässt. "Flick hat verstanden, dass La Masia unser Schatz ist", sagte Präsident Joan Laporta. Und Pedri, einer der besten aus der legendären Nachwuchsakademie, sagt: "Ich fühle mich befreit." Flick habe ihm vermittelt, "ohne Druck zu spielen. Er ist sehr nahbar, ein Typ, der gern mit den Spielern redet." In der Ansprache trifft er augenscheinlich den Ton, die Füße der kleinen Magier formen daraus eine neue Symphonie für das Barça-Spiel.

"Keine Horde von angreifenden Hunden"

Gegen Girona zeigte etwa der 21-jährige Marc Casado kurz auf. Er spielte einen herausragenden Steckpass auf Pedri, der daraus das 4:0 machte. Casado erkannte eine Lücke, die noch gar nicht da war, als der Ball seinen Fuß verlassen hatte, die sich aber just öffnete, als der Ball am Fuß von Pedri landete. Das war ein Weltpass. Und Flick, selbst kein Mann für Weltpässe, strahlte. Seine Mannschaft zog sich nicht zurück, sondern zockte einfach weiter. Wie zu den großen Zeiten, als Messi, als Xavi und Andrés Iniesta ihre Liebe zum Spiel mit ihren Füßen auf den Platz gemalt hatten. Für die ganz großen Vergleiche ist es noch zu früh, aber man kann ja klein anfangen.

"Flick ist eine Revolution", schrieb etwa die katalanische Zeitung "Sport" nach dem überzeugenden Sieg gegen das letztjährige Sensationsteam aus Girona. Dieses Spiel sei die Bestätigung für die neue Mentalität, hieß es weiter. Und: "Über viele Jahre haben wir ein Barça gesehen, das Tore geschossen, das Spiel danach verlangsamt und ohne Überraschungen beendet hat. Das aktuelle Barça ist nicht so." Auch bei "Cadena Ser" schwärmten sie gewohnt wortgewaltig: "Barça hat keine Horde von angreifenden Hunden in der Mitte des Feldes. Sie haben auch keine superkörperlichen Spieler, aber sie pressen alle zusammen und haben Spaß. Wenn man das mit dem Druck vergleicht, den Real Madrid gegen Sociedad ausgeübt hat, ist es wie Tag und Nacht." Tatsächlich ringen die "Königlichen" noch mit dem Toni-Kroos-Erbe und der schweren Verletzung von Weltstar Jude Bellingham.

Der Präsident ist bereits verliebt

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In Barcelona interessiert das rudimentär. Hier lieben sie gerade den Blick auf das eigene Tun. Besonders Laporta, der sein Glück mit Flick kaum fassen kann. Noch vor dem fünften Saisonsieg in der Liga sagte er: "Wir sind sehr zufrieden mit dem Trainer, den wir haben, er ist ein echter Profi, spricht klar und direkt und wir haben eine Siegermentalität", sagte Laporta. Der Saisonstart "macht uns Hoffnung", ergänzte er, "aber wir wollen keine übermäßige Euphorie." Die "Sport" meinte allerdings schon zu erkennen, Laporta sei regelrecht "verliebt" in den Deutschen. "Wir fordern von Flick Arbeit, Professionalität und dass er ein Trainer ist, der jeden Tag intensiv lebt, dass er uns Fußball bietet, der uns gefällt. Er hat den Grundstein für die zu erreichenden Ziele gelegt", sagte der Klubchef und schwärmte: "Flick sucht keine Ausreden und begnügt sich mit dem, was er hat. Er ist anspruchsvoll (…), er hat uns den neuen Schwung gegeben, den wir brauchten."

Dabei waren seine ersten Tage nicht leicht. Unter anderem, weil er den Verlust von Ilkay Gündoğan verkraften musste, um dessen Wechsel zu Manchester City es reichlich Irritationen gab. Dann ging die Generalprobe gründlich schief und Youngster Bernal verletzte sich schwer. Flick stand im Gegendwind, dabei hatte er das Nest zum ersten Pflichtspielflug noch nicht mal verlassen. Aber dann fand er die richtige Brise zum Abheben, der Aufwind trägt ihn durch die ersten Wochen. Zur Belohnung wurde der Supertrainer zum Mann des Monats August gewählt. Und er hat weiter Rückenwind. Das erleichtert Gänsen das Fliegen, wie man auf der Homepage des Naturschutzzentrums im Kreis Kleve e.V. lernen kann.

Quelle: ntv.de

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