Erstliga-Aus nach 41 Jahren Stuttgart steht unter Schock
14.05.2016, 20:49 Uhr
In Stuttgart ist nicht nur Boris Tashchy fassungslos: Bis zum letzten Spieltag hatte man im Ländle auf ein Wunder gehofft.
(Foto: imago/Bernd König)
Die sechste Bundesliga-Pleite in Folge macht den Absturz des VfB Stuttgart in die Zweitklassigkeit unabwendbar. Dabei zeigt sich, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen Fans, Vorstand und Mannschaft ist. Doch es gibt auch gute Nachrichten aus dem Abgrund.
Als der Albtraum Abstieg Realität geworden war, stand der gesamte VfB Stuttgart unter Schock. Trainer Jürgen Kramny und Sportvorstand Robin Dutt konnten ihre Tränen nur mit Mühe zurückhalten, die Spieler schlichen tief enttäuscht vom Platz - und bei den Fans entlud sich die Trauer abermals in Wut: Mit gellenden Pfiffen quittierte der VfB-Anhang die wieder einmal schwache Leistung der Mannschaft beim entscheidenden 1:3 (0:2) beim VfL Wolfsburg und forderte lautstark den Rücktritt der gesamten Führungsetage.
Nach der sechsten Niederlage in Folge muss der so traditionsreiche Verein für Bewegungsspiele aus Stuttgart nach 41 Jahren wieder in die Zweitklassigkeit - und steht vor einer ungewissen Zukunft. Vor allem wer die Schwaben in der kommenden Saison schnellstmöglich aus der 2. Liga führen soll, ist fraglicher denn je.
Zumal die für den Absturz Verantwortlichen von kurzfristigen Entscheidungen erst einmal nichts wissen wollten. "Das ist in der Geschichte unseres Vereins sicher ein ganz, ganz schwarzer Tag. Das ist ganz bitter", sagte VfB-Präsident Bernd Wahler: "Wir sind in der 2. Liga - dafür trage ich die Verantwortung. Direkt nach dem Spiel ist es aber der falsche Zeitpunkt, über Konsequenzen zu reden. Wir werden das intern die nächsten Tage machen. Das Allerwichtigste ist es jetzt, die richtigen Entscheidungen für den Verein zu treffen." Ob Wahler selbst, seit 2013 Präsident des VfB, Teil der Lösung sein wird, ließ der Klubchef offen: "Darüber muss ich erst einmal schlafen."
Dutt steht massiv in der Kritik
Für viele Beobachter ist Wahler genauso wie Sportvorstand Dutt ohnehin eher Teil des Problems. Beide konnten genauso wie Trainer Jürgen Kramny den sich seit Jahren abzeichnenden Niedergang des Vereins in dieser Saison nicht aufhalten. Am Ende stand der Abstieg. Neun Jahre nach der letzten Meisterschaft. "Das ist der bitterste Tag meiner Karriere", sagte der massiv in der Kritik stehende Dutt, zeigte sich aber genauso ratlos wie alle anderen Verantwortlichen: "Jeder sollte jetzt überlegen, was sein Anteil daran war. Da werde ich bei mir anfangen. Wir sind in so einer extremen Situation momentan, dass es normal ist, dass jeder hinterfragt wird. Das wird aber nicht heute entschieden. Ich kann sagen, dass ich den Turnaround in diesem Verein nicht geschafft habe."
Begonnen hatte die Saison mit dem Missverständnis Alexander Zorniger. Mit Offensivfußball wollte der Coach den Verein nach vorne bringen - es ging grandios schief. Nach neun Niederlagen in den ersten 13 Spielen übernahm Kramny und sah Mitte der Rückrunde schon wie der Retter aus, ehe die verhängnisvolle Pleitenserie begann. Die letzten sechs Saisonspiele gingen allesamt verloren, aus den letzten 13 Begegnungen holte Kramnys Team nur ganze sechs Punkte - die Bilanz eines Absteigers eben. Medienberichten zufolge haben die Schwaben bereits Alois Schwartz vom Zweitligisten SV Sandhausen sowie Frank Schmidt vom ebenfalls zweitklassigen 1. FC Heidenheim als mögliche Nachfolger ins Auge gefasst.
Es gibt auch gute Nachrichten
Immerhin scheint es so auszusehen, dass die Stuttgarter einige Spieler halten können. Kapitän Christian Gentner, nach dem Spiel ebenfalls von seinen Gefühlen übermannt, verlängerte bis 2019, Stürmer Daniel Ginczek sogar bis 2020. Mündlich für die 2. Liga zugesagt haben überdies Torhüter Mitch Langerak, Mittelfeldmann Geoffroy Serey Dié sowie Weltmeister Kevin Großkreutz. VfB-Angreifer Timo Werner dagegen wird mit Borussia Dortmund und Aufsteiger RB Leipzig in Verbindung gebracht, Filip Kostic und Martin Harnik dürften gehen. Daniel Didavi wechselt nach Wolfsburg. Ohnehin muss der Klub den Lizenzspieleretat nach dem Abstieg deutlich senken. Zudem sind massive Einnahmeverluste beim Fernsehgeld einzukalkulieren.
Zur Generalabrechnung könnte die Mitgliederversammlung am 17. Juli geraten - wenn die handelnden Personen dann überhaupt noch im Amt sind. Dabei soll die Ausgliederung der Profiabteilung aus dem Gesamtverein beschlossen werden. Die notwendige Dreiviertelmehrheit ist nach der sportlichen Katastrophe unter dem Befürworter Wahler mehr als ungewiss.
Zumindest die Reihen der namhaften Sponsoren (Mercedes-Benz, Gazi, Kärcher, Würth) dürften sich nicht lichten - allerdings werden auch die Geldgeber ihre Zahlungen reduzieren. Der Hauptsponsor Mercedes-Benz-Bank verlängerte am vergangenen Dienstag den Vertrag immerhin bis 2019 - dieser gilt auch für die 2. Liga.
Quelle: ntv.de, Dominik Kortus, sid