"Andere Schärfe" gegen Schalke Tuchels BVB ist bereit für das Derby
06.11.2015, 13:27 Uhr
"Ich kann mir vorstellen, dass da am Sonntag noch mehr geht": Thomas Tuchel nach dem Sieg gegen Qäbälä im Kreis seiner Liebsten.
(Foto: dpa)
Kaum haben die Dortmunder die nächste Runde in der Europaliga erreicht, zählt nur der Reviergipfel gegen Schalke. Für Trainer Tuchel ist es eine Premiere - auf die er sich voll einlassen will. Nur ein Spieler bereitet ihm Sorgen.
In der 70. Minute wechselten die Fans auf der Südtribüne übergangslos in den Derbymodus. Henrich Mchitarjan hatte an diesem Donnerstagabend den Ball mit viel Wucht zum 4:0 in den Winkel gedroschen, nicht nur in der "Gelben Wand", sondern in ganz Dortmund zählte ab diesem Moment nicht mehr die Euroliga-Begegnung gegen die Aserbaidschaner mit dem putzigen Namen FK Qäbälä, und auch nicht das Erreichen der Zwischenrunde, sondern nur noch das große Spiel am Sonntag.
Dann kommt am zwölften Spieltag der Fußball-Bundesliga der Rivale aus Gelsenkirchen zum Reviergipfel, und darauf galt es sich verbal einzustellen. Nach den üblichen Schmähgesängen und Beleidigungen rangen sich die Anhänger in schwarz-gelb dazu durch, auch etwas Konstruktives vorzutragen: "Wir wollen den Derbysieg." Nach dem Abpfiff wurde Thomas Tuchel gefragt, ob auch er schon etwas spüre von diesem Fieber, von dem eine ganze Region zwei Mal im Jahr erfasst wird. Dortmunds Trainer lächelte und gab sich zurückhaltend. "Das ist bei mir noch gar nicht angekommen, aber das wird sich ändern." Tuchel hat sich in den vergangenen Tagen jeglichen Fragen nach der Mutter aller Spiele in Ruhrgebiet verweigert. Das verbiete der Respekt vor dem Gegner im internationalen Wettbewerb, selbst wenn es sich um ein Leichtgewicht handelt. Nun ist der Weg frei, in zwei Städten wird jetzt nur noch von dem Aufeinandertreffen gesprochen, das nicht nur in Dortmund und Gelsenkirchen alle elektrisiert. Tuchel hat bereits bei normalen Heimspielen wie gegen Mönchengladbach oder Leverkusen "diese ganz besondere Dichte in der Atmosphäre" wahrgenommen, die mehr als 80.000 Zuschauer im größten Stadion der Republik verbreiten können: "Ich kann mir vorstellen, dass da am Sonntag noch mehr geht."
"Da kommt eine ganz andere Schärfe rein"
Tuchel philosophierte darüber, es gäbe für jede Mannschaft "Graustufen der Anspannung". Während der Aufgalopp gegen Qäbälä in der Farbenlehre des Dortmunder Trainers wahrscheinlich mit einem lichten hellgrau belegt worden wäre, wird die Ausprägung am Sonntag (ab 15.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) wesentlich intensiver: "Da wird es knistern, da kommt eine ganz andere Schärfe rein." Dortmund gegen Schalke - das ist quasi schon per definitionem prickelnd. Doch selten zuvor waren die Rollen bei diesem ewig jungen Kräftemessen so eindeutig verteilt wie dieses Mal: Eigentlich spricht alles für den BVB, für den Gast aus Gelsenkirchen dagegen so gut wie nichts. Während die Borussia mit großer Leichtigkeit in drei Wettbewerben von Sieg zu Sieg eilt und dabei in 21 Pflichtspielen lediglich die Partie beim Branchenführer aus München abgab, quälen sich die Schalker nach vielversprechendem Start durch die Saison. Es quietscht und rumpelt an allen Ecken und Enden. Diese Einschätzung gilt nicht nur für die Vorstellungen auf dem Rasen, sondern auch für die Performance hinter den Kulissen. Das unsägliche Gezerre um den scheidenden Manager Horst Heldt lähmt die kickende Belegschaft, der es schwer fällt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Das ebenso mühsame wie zähe 1:1 am Donnerstag in Prag war Beleg dafür, dass den Schalkern jegliche Leichtigkeit abhanden gekommen ist. Dazu kommt auch noch, dass den Gästen entscheidende Stützen ausfallen. Kapitän Benedikt Höwedes muss mit einem Handbruch ebenso passen wie Johannes Geis, der in der Bundesliga aufgrund seines unglaublich brutalen Fouls gegen den Mönchengladbacher André Hahn bis auf weiteres gesperrt ist. In Prag durfte der 25-Jährige spielen, ordnete im Mittelfeld das Spiel und erzielte per Elfmeter das Schalker Tor. Dass er ausgerechnet beim wichtigsten Spiel zuschauen muss, empfindet Geis als "äußerst bitter, weil ich den Jungs gern geholfen hätte".
Aber auch die Dortmunder sind trotz aller positiven Nachrichten nicht gänzlich frei von Problemen. So ließ sich Marco Reus gegen Qäbälä mit Adduktorenproblemen in der Halbzeit auswechseln. Der Nationalspieler droht für das Derby auszufallen, "es besteht Anlass zur Sorge", sagt Tuchel. Diese Diagnose bezieht sich allerdings allein auf den schnellen Stürmer. Generell fiebert die Stadt Dortmund dem Kräftemessen der sich in inniger Hassliebe verbundenen Rivalen mit großer Zuversicht entgegen. Für Tuchel wird es zu einer Premiere, er freut sich auf das besondere Flair er intensivsten Begegnung, die Fußball-Deutschland zu bieten hat: "Ich habe vor, mich da voll drauf einzulassen."
Quelle: ntv.de