"Visionen" stürzten schon Tuchel Ungläubiger Klopp lacht über Chelseas US-Boss Boehly
16.09.2022, 12:05 Uhr (aktualisiert)
Vielleicht präsentiert Todd Boehly hier gerade eine seiner Visionen.
(Foto: picture alliance / Newscom)
Der US-Amerikaner Todd Boehly macht sich innerhalb kürzester Zeit einen Namen im europäischen Fußball. Der neue Mit-Eigentümer des FC Chelsea handelt wild. Er investiert viel und hat noch mehr Vorschläge. Seine "Visionen" kosten Thomas Tuchel den Job und lassen Jürgen Klopp lachen.
Warum musste Thomas Tuchel den englischen Spitzenklub FC Chelsea verlassen? Eine Frage, die nicht nur den ehemaligen BVB- und Mainz-Trainer beschäftigt, sondern auch eine, auf die es bislang kaum eine vernünftige Antwort gegeben hat. Doch nun hat sich Todd Boehly, der neue, aus den USA stammende Vorstandschef und Miteigentümer der Blues, zu einer Erklärung hinreißen lassen. Diese zeigt vor allen Dingen die gravierenden Unterschiede beider Seiten.
Thomas Tuchel, der 2021 mit Chelsea die Champions League gewann, musste in der vergangenen Woche nach einem 0:1 in der Königsklasse bei Dinamo Zagreb überraschend seine Koffer packen. "Ich bin am Boden zerstört, dass meine Zeit bei Chelsea zu Ende ist", erklärte der 49-Jährige erst vor wenigen Tagen in einem seiner seltenen Statements auf Twitter.
Auf einer Konferenz in den Staaten erklärte Boehly jetzt die Hintergründe der Entlassung, die Tuchel genau 100 Tage nach dem Besitzerwechsel vom russischen Oligarchen zu der Investorengruppe um den 48-Jährigen ereilte. Zuvor hatte der Klub beinahe 300 Millionen Euro auf dem Transfermarkt investiert und in Pierre-Emerick Aubameyang erst wenige Tage vor dem Rauswurf einen Wunschspieler des Deutschen verpflichtet. Es reichte nicht.
"Tuchel ist offensichtlich extrem talentiert und jemand, der bei Chelsea großen Erfolg hatte", sagte der US-Amerikaner: "Unsere Vision für den Verein war es, einen Manager zu finden, der wirklich mit uns zusammenarbeiten wollte."
Tuchel nicht auf Linie
Bei Tuchel, der bei den Fans aufgrund seiner Erfolge beliebt war, sah Boehly diese Möglichkeit eher nicht. Vor der Entlassung soll es hinter den Kulissen mehrfach zu Konflikten gekommen sein, die sich immer wieder auch an möglichen Transfers aufwiegelten. So soll es gegenteilige Meinungen zu einer möglichen Verpflichtung des ehemaligen Weltfußballers Cristiano Ronaldo gegeben haben. Tuchel, dem in Abwesenheit eines Sportdirektors auch diese Rolle zugefallen war, hatte den Portugiesen abgelehnt, Boehly nicht.
Der US-Amerikaner war am Ende am längeren Hebel und sagte jetzt: "Wenn sie ein Unternehmen übernehmen, müssen sie sicherstellen, dass Sie mit den Menschen, die das Unternehmen betreiben, auf einer Linie stehen." Das war bei Tuchel, auf den der bisherige Brighton-Trainer Graham Potter folgt, offenkundig nicht der Fall. Der 49-jährige Deutsche hielt es, zumindest hier, mit dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt, der Visionen bekanntlich für behandlungsbedürftig hielt. Potter, der sich über die schwedische Liga ins Rampenlicht gearbeitet hatte, passt da eher in die Vorstellungen des Todd Boehly, die den Deutschen letztendlich den Job kosteten.
Klopp lacht über Boehly
Jürgen Klopp hat Boehlys Visionen nicht direkt zu fürchten. Doch der US-Amerikaner will die englische Liga aufmischen. Zwar war er dort vor der Übernahme des FC Chelsea ein unbeschriebenes Blatt, doch er bringt er Expertise aus einigen US-Sportarten mit. Der 48-Jährige hält Anteile an dem Baseball-Team Los Angeles Dodgers und dem Basketball-Team Los Angeles Lakers und will dem Sport Nummer eins in Europa einen neuen, amerikanischeren Anstrich verpassen.
"Ich hoffe darauf, dass die Premier League von den amerikanischen Sportarten lernen kann", sagte Boehly und stellte die Idee eines All-Star-Spiels zwischen den Nord- und Südklubs der Liga in den Raum. Immerhin, sagte er, habe man mit dem MLB-All-Star-Spiel "in diesem Jahr 200 Millionen Dollar" eingenommen.
Aufgrund des Todes von Queen Elizabeth II. und den daraus resultierenden Spielabsagen, aber ebenso durch die von der Winter-WM 2022 ausgelöste Terminhatz, muss die Premier League Termine freischaufeln. Die gibt es in dieser Form aktuell bis zum Saisonende nicht mehr. Der europäische und der nationale Kalender kennen keine Gnade. Betroffen von den Absagen ist unter anderem das Spiel Chelsea gegen Liverpool am Sonntag, das durch das anstehende Staatsbegräbnis und die dadurch gebundenen Polizeikräfte ausfallen muss.
Kein Wunder also, dass sich Klopp von Boehlys Idee wenig begeistert zeigte. "Er soll sich melden, wenn er einen Termin gefunden hat", sagte der 55-Jährige, als er nach dem 2:1 über Ajax Amsterdam mit den Plänen konfrontiert wurde. Klopp ergänzte: "Im US-Sport haben die Spieler halt vier Monate Pause, da sind sie über ein wenig Sport in den Pausen sicher glücklich. Der Fußball ist eben total anders. Was soll ich sagen? Will er die Harlem Globetrotters auch noch mitbringen und gegen eine Fußball-Mannschaft antreten lassen?" Todd Boehlys Antwort auf diese Frage steht noch aus.
(Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 14. September 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de