Lehren aus Debakel beim FC Bayern Warum der VfL Wolfsburg eine Chance hat
27.10.2015, 16:29 Uhr
Albtraum in München: Am 22. September verliert der VfL Wolfsburg mit 1:5 gegen den FC Bayern.
(Foto: imago/Philippe Ruiz)
Jüngst waren sie nur Statisten in der großen Lewandowski-Show. Der FC Bayern schlug den VfL Wolfsburg mit 5:1. Heute steht das nächste Duell an, im DFB-Pokal. Und die Frage ist: Was müssen die Wölfe dieses Mal besser machen?
Für den VfL Wolfsburg war es der Schockmoment schlechthin in dieser Saison. Nach verheißungsvollem Start in die Partie der Fußball-Bundesliga beim FC Bayern vor gut einem Monat wurden die Wölfe regelrecht auseinander genommen. Auf eine 1:0-Pausenführung folgten fünf Tore von Robert Lewandowski, die die Mannschaft von Trainer Dieter Hecking dann doch einigermaßen ratlos zurückließen. "Ich weiß nicht, was dann passiert ist", sagte Flügelspieler Daniel Caligiuri nach der Partie. Teamkollege Maximilian Arnold ging es nicht anders: "Keine Ahnung. Ist nicht zu erklären. Wir brauchen nicht viel reden."
VfL Wolfsburg: Benaglio - Träsch, Naldo, Dante, R. Rodriguez - Guilavogui, Luiz Gustavo - D. Caligiuri, Draxler - M. Kruse – Dost. - Trainer: Hecking
FC Bayern München: Neuer - Lahm, J. Boateng, Javi Martinez, Alaba - Xabi Alonso - Robben, Thiago, T. Müller, Douglas Costa – Lewandowski. - Trainer: Guardiola
Schiedsrichter: Kircher (Rottenburg)
Gesprächsstoff sollte es dabei doch zur Genüge geben. Heute nun (ab 20.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) empfangen nämlich die Wolfsburger zu Hause den Rekordmeister aus München in der zweiten Runde des DFB-Pokals. Damit die Niedersachsen nicht erneut derart unter die Räder kommen, muss aber nicht nur Top-Stürmer Robert Lewandowski gestoppt werden. An sich war der taktische Ansatz, den Hecking vor fünf Wochen gegen die Bayern wählte, durchaus erfolgsversprechend. Seine Spieler setzten das 4-4-2-System in der Defensive sehr diszipliniert um. Die Wolfsburger verteilten sich klug über die Räume, um den Weg ins Spielfeldzentrum zu versperren. Hinzu kamen Probleme auf Seiten der Münchener. Unter anderem positionierte sich Thiago als halblinker Achter in einigen Szenen falsch, sodass die Wölfe durch "seinen" Halbraum durchspielen konnten und auf den verbliebenen Sechser Xabi Alonso zuliefen.
Keine Antwort auf Guardiola
Insbesondere im offensiven Umschaltspiel war der VfL gefährlich, da bei den Bayern - ähnlich wie in der vergangenen Woche bei der Niederlage in der Champions League beim FC Arsenal - die aufgerückten Offensivakteure nicht immer zureichend abgesichert wurden. Zudem versuchten es die Niedersachsen in kniffligen Situationen nicht mit der Brechstange, um blind einen Torabschluss zu erzwingen. Heckings Team spielte vielmehr notfalls den Ball in die Abwehr zurück und baute einen neuen Spielzug auf. Allerdings kamen auch so nur selten vor das Tor von Manuel Neuer, wenngleich ein Duell auf Augenhöhe zu bestehen schien.

In Ballbesitz könnten die Wolfsburger Julian Draxler und Max Kruse in einem 4-3-2-1 in die offensiven Halbräume (rot) aufrücken. Defensiv müssten sie sich zurückziehen und die tiefen Flügelräume (blau) verteidigen. In den zentralen Zonen (grün) sollten sich Luiz Gustavo, Josuha Guilavogui und beispielsweise Maximilian Arnold um Bayerns offensive Mittelfeldspieler kümmern.
Das änderte sich nach der Halbzeitpause und mit der Einwechslung Lewandowskis sowie der daraus resultierenden tieferen Positionierung Thomas Müllers. Dadurch gerieten die beiden Wolfsburger Innenverteidiger stärker unter Druck. Die Wölfe konnten nicht mehr in Ruhe ihr Spiel aufbauen. Zudem wurden sie während der Torflut, die über sie hereinbrach, immer hektischer. Das Mittelfeldpressing griff nicht mehr. Bevor Hecking überhaupt reagieren konnte, lag seine Mannschaft bereits 1:5 zurück - das Ganze dauerte ja nur neun Minuten.
Genau hier müssen die Niedersachsen heute in der Pokalpartie ansetzen. Sobald der Münchner Trainer Josep Guardiola umstellt, muss Hecking entsprechend reagieren. Aber das ist einfacher gesagt als getan. Wenn sich der FC Bayern wie in der angesprochenen Partie stärker in der Vertikalen staffeln - zum Beispiel mit Lewandowski, Müller, Arturo Vidal und Alonso quasi in einer Reihe hintereinander - und durch eine tiefere Grundpositionierung, den Gegner versuchen herauszulocken, dann darf eine Mannschaft wie Wolfsburg nicht darauf eingehen. Aber sie tappten genau in diese Falle. Die Mittelfeldreihe rückte zu stark heraus und es gab folglich Lücken vor der Abwehr. Dass Guardiola in aller Regelmäßigkeit während der Partie umstellt, zeigt die häufige Unzufriedenheit des Katalanen mit seiner ersten taktischen Idee. Meist verwirft er Ansätze, weil diese nicht funktionieren. Aber genau in dieser Phase muss der jeweilige Gegner bereits die Schwierigkeiten der Münchener für sich nutzen. Werden zum Beispiel erneut die Zonen neben dem eher behäbigen Sechser Xabi Alonso schwach verteidigt, muss Wolfsburg diese Halbräume gezielt ansteuern.
Lieber weniger Angriffe über die Flügel
Ganz grundsätzlich sollte Hecking seinen Fokus auf Flügelangriffe zumindest für diese Partie überdenken. Die Erfolgsaussichten mit einem Durchbruch von Caligiuri oder Vieirinha und anschließender Flanke auf Bas Dost gegen den FC Bayern einen Treffer zu erzielen, sind recht überschaubar. Vielmehr könnte Wolfsburg vom System mit klassischen Flügelangreifern abgehen und das Duo Draxler und Kruse als hängende Spitze aufbieten. Beide könnten in die angesprochenen Räume neben Alonso stoßen. Sollten sie den Ball direkt wieder verlieren, hätten sie in Kombination mit Dost die Möglichkeit, direkt ins Gegenpressing zu gehen.
Haben die Bayern länger den Ball, müssten sich Draxler und Kruse jedoch auf die Flügel zurückziehen, um sich Robben, Costa, Coman und auch den vorstoßenden Außenverteidigern entgegenzustellen. Denn die Sechser sind dann eher im Zentrum gebunden. In dem 4-3-2-1/4-5-1 hätten die Wolfsburger aber auch dort eine Überzahlsituation, sofern sich Alonso mit Vorstößen zurückhält. Luiz Gustavo könnte dann Dante und Naldo in der Innenverteidigung dabei helfen, Lewandowski zu stoppen.
Hecking sollte ein kurzzeitiges Umstellen auf eine kompakte 5-4-1-Grundordnung in Betracht ziehen. Werder Bremen zeigte jüngst beim 0:1 in der Liga, dass man mit dieser Formation die Bayern wenigstens für eine gewisse Phase vom eigenen Tor fernhalten kann. Wolfsburg könnte damit kurzfristig die Partie beruhigen, um nicht wieder überrollt zu werden. Genau das fehlte bei der 1:5-Klatsche vor fünf Wochen. Trotzdem bleiben die Chancen, die Bayern in ihrer aktuellen Form zu schlagen, äußerst gering.
Quelle: ntv.de