Gladbach frisst die Trainer auf Warum der konfuse Daniel Farke selbst schuld ist
03.06.2023, 10:34 Uhr
Am Mittwochabend saß Daniel Farke noch auf der Trainerbank, coachte seine Mannschaft zu einem 3:0-Sieg im Freundschaftskick beim Halleschen FC.
(Foto: picture alliance / Fotostand)
Langweiliger Fußball, Statistiken des Schreckens und konfuse Kommunikation, die den Großteil der Fans des Traditionsvereins nicht mehr abgeholt hat. Dass sich Borussia Mönchengladbach und Trainer Daniel Farke nun endgültig getrennt haben, ist folgerichtig.
3 Spiele, 3 Siege, 12:0-Tore. Das ist die Bilanz der letzten drei Partien von Daniel Farke als Trainer von Borussia Mönchengladbach. Vergangene Woche Samstag besiegt die "Elf vom Niederrhein" im letzten regulären Saisonspiel den FC Augsburg souverän und hochverdient mit 2:0, schiebt sich durch die gleichzeitige Niederlage von Rhein-Konkurrent 1. FC Köln immerhin noch vor auf Platz 10. Für Farke hat der Sieg aber wenig überraschend nicht gereicht für eine Weiterbeschäftigung als Trainer beim stolzen Traditionsverein, genauso wenig die bedeutungslosen Torfestival-Freundschaftsspiele nach Saisonende, am Pfingstmontag siegte Gladbach 7:0 bei Fünftligist FC Oberneuland, am Donnerstag 3:0 beim Halleschen FC.
Borussia Mönchengladbach muss sich im dritten Jahr in Folge nach einem neuen Trainer umsehen. Auch Daniel Farke schafft es nicht, Borussia zurück in die Erfolgsspur zu bringen. Nach nur einer Saison trennen sich die Wege. Für das Farke-Aus gesorgt haben die fehlende spielerische Weiterentwicklung der Mannschaft und ihrer einzelnen Akteure, das zumeist ineffiziente und langweilige Ballgeschiebe, eine Auswärtsbilanz des Schreckens und die verwirrende Kommunikation des Cheftrainers.
Aber fangen wir von vorne an: Daniel Farke wird am 5. Juni 2022 am Borussia-Park vorgestellt. Sehr ausführlich präsentiert der gebürtige Westfale seine Idee von Fußball. Dass die Gladbach-Bosse um Sportdirektor Roland Virkus eigentlich eine Neuauflage der erfolgreichen Ära mit Lucien Favre geplant hatten, schüttelt Farke gekonnt ab. Der Ex-Trainer vom SV Lippstadt 08, Borussia Dortmund II, Norwich City und FK Krasnodar nur die zweitbeste Lösung? Na und! "Befremdlich" hätte er es gefunden, wäre Borussia nicht mit Favre in Kontakt getreten, referiert Farke und verspricht Fußball, "für den Borussia immer stand". Nach Meinung von Farke und Sportchef Virkus ist das "Ballbesitz und Kombinationsspiel".
Auswärtsbilanz des Schreckens
Der Start in die neue Saison glückt. Zwölf Punkte aus den ersten sieben Spielen, nur eine (unglückliche) Niederlage gegen den FSV Mainz 05. Borussia ist mehr als im Soll, kann das Momentum aber nicht halten. Zwar wird die peinliche 1:5-Klatsche bei Aufsteiger Werder Bremen mit einem vor allem für die Fanseele wichtigen 5:2-Derbysieg gegen Köln gekontert. Doch danach geht es deutlich bergab. Die Gladbacher gewinnen bis Saisonende immer dann, wenn sie gewinnen müssen, um eine ganz große Krise zu verhindern. Aber sie gewinnen nicht ein einziges Mal zwei Spiele in Folge. Ein Schicksal, das nur das abgestiegene Schlusslicht Hertha BSC und Relegations-Teilnehmer VfB Stuttgart mit der Fohlenelf teilen.
Grottenschlecht ist die Auswärtsbilanz der Borussia. Ein mickriger Sieg auf des Gegners Platz, ein 4:1 zu Rückrundenbeginn bei der TSG Hoffenheim. Selbst Hertha siegt immerhin zweimal auswärts. Dazu kommt der verheerende Trend. In den ersten 15 Partien bis zur WM-Pause sammelte Gladbach 22 Punkte, im Jahr 2023 kamen nur 21 Punkte in 19 Partien dazu, sogar Absteiger Schalke hat das getoppt.
Auch in weicheren Statistiken ist keine Verbesserung zu sehen: die zweitwenigsten gelaufenen Kilometer, die zweitwenigsten Sprints, die wenigsten intensiven Läufe von allen Mannschaften. Farke bekam die Probleme dieses abgerockten und seit drei Jahren nur flickschusternd veränderten Kader genauso wenig in den Griff wie Vorgänger Adi Hütter.
Und so ist die Borussia weitgehend im Graue-Maus-Modus durch die Saison getrottet. Für Abstiegssorgen war die Mannschaft individuell zu stark besetzt, für Europapokal-Ambitionen hätte es aber einer Mannschaft bedurft, die den Begriff auch verdient hat. Stattdessen reihten sich mitunter Lustlos-Auftritte aneinander.
Farke als Brandbeschleuniger der "launischen Diva"
Die "launische Diva", so hatte der legendäre Gladbach-Manager Helmut Grasshoff Anfang der 1990er Jahre seine Borussia bezeichnet. In der Saison 2022/23 trieb es das Team auf die Spitze, mit mehr schlechter als guter Laune. Umfeld und Fans wurden mit Verlauf der Rückrunde immer unruhiger. Und Daniel Farke wirkte währenddessen wie ein Brandbeschleuniger. In nahezu jeder Pressekonferenz trieb der Westfale einen signifikanten Teil der Fans mit Schönrederei-Rhetorik an die Decke. 1:4 bei Hertha BSC? "Kleinigkeiten" haben das Spiel entschieden! 1:2 bei mit dem Rücken zur Wand stehenden Stuttgartern? "Gibt keinen Anlass, sich von der Mannschaft abzuwenden!" Zwei Tage vor dem 34. Spieltag, auf Platz 11 stehend, ohne Chance, die bereits enttäuschenden 45 Punkte aus dem Vorjahr noch einzuholen? "Wir haben fast alle Ziele erfüllt!"
Man kann Daniel Farke zugutehalten, dass er sich nach jedem noch so schlechten Spiel vor die Mannschaft gestellt hat. Den Erwartungen von Populisten, das Team mal so richtig in den Senkel zu stellen, ist Farke nie auch nur einen Millimeter entgegengekommen. Wenn er aber dann doch mal kritisch wurde, pickte er sich merkwürdigerweise Einzelspieler heraus, und richtete teils drastisch über sie und ihre Leistung: Marvin Friedrich hielt Farke in feinster Referats-Manier vor, dass Gladbach mehr Gegentore kassiert, wenn Friedrich auf dem Platz steht. Farke hat oft, womöglich zu oft, in Extremen kommuniziert.
Ging es um die gesamte Mannschaft, blieb Farke vorm Mikrofon in der Regel widerstandsfähig. Jeden noch so validen Kritikpunkt versuchte der Ex-Norwich-Coach mit milden Worten wegzumoderieren. Das kann man gut finden, weil es, bis auf ganz wenige Ausnahmen, von einer unfassbaren Geradlinigkeit zeugt. Das darf, nein, es muss aber eher kritisiert werden. Wenn ein Führungsspieler wie Christoph Kramer nach dem vorletzten Bundesligaspiel in Leverkusen (2:2) die vielen "blutleeren Auftritte der letzten zweieinhalb Jahre" anspricht, ist es unglaubwürdig, wenn Daniel Farke von einer Mentalitätsdebatte über Monate hinweg nichts hören will.
Ballbesitz-Fußball um jeden Preis
Wer so realitätsfern kommuniziert wie Farke, der kann bei einem emotional aufgeheizten Traditionsverein schneller Probleme bekommen als andere Trainer-Charaktere, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt. Klare Kommunikation, ab und an ein Zeichen setzen, punktuell auch mal in der externen Kommunikation etwas härter mit der Mannschaft ins Gericht gehen. All das hat Daniel Farke aus Überzeugung nicht getan und damit seine Job-Aussichten von Woche zu Woche geschmälert.
Die externe Zielsetzung - intern wurde nach ntv-Informationen mit einer Europapokal-Qualifikation geliebäugelt - wurde von Monat zu Monat nach unten geschraubt. Zunächst war ein einstelliger Tabellenplatz anvisiert. Als dieser nicht mehr zu erreichen war, hieß es, das vor der Saison vereinbarte Ziel sei ein Platz zwischen 7 und 12 gewesen. Gerne von Farke mit dem Hinweis garniert, dass Borussia in der Vorsaison unter Hütter bis zum Ende gegen den Abstieg gekämpft habe. Das stimmt aber genauso wenig wie der Verweis auf angebliche Champions-League-Ambitionen von einem Teil der Fans.
43 Punkte, Platz 10, das hätte nicht zwangsläufig das Ende von Farkes Gladbach-Zeit sein müssen. Wäre da nicht die riesige Diskrepanz zwischen Heim- und Auswärtsspielen, großen und kleinen Gegnern gewesen. Borussia glänzte in den Highlight-Heimspielen gegen Bayern (3:2), Dortmund (4:2), Leipzig (3:0) und Köln (5:2), fand aber keine Mittel in vermeintlich unattraktiven Auswärtsspielen - Darmstadt (Pokal, 1:2), Bochum (1:2), Hertha (1:4), Augsburg (0:1), Stuttgart (1:2). Der Ballbesitz-Fußball schien in manchen Spielen zum Selbstzweck verkommen zu sein. (Vermeintliche) Kontrolle ohne Kreativität, kaum Torchancen, teils vollkommene Langeweile. Definitiv nicht der Fußball, für den Borussia Mönchengladbach stehen möchte.
Ex-Leverkusen-Trainer ist Top-Kandidat

Hat gute Chancen neuer Trainer von Borussia Mönchengladbach zu werden: der Schweizer Gerardo Seoane
(Foto: picture alliance / Jens Niering)
Nach der Pleite bei Abstiegskandidat Stuttgart am 30. Spieltag war die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Die Folge waren Pfiffe gegen den Trainer vor dem Heimspiel gegen Bochum Anfang Mai. Der 2:0-Sieg beruhigte die aufgeregten Gemüter nur kurz, eine Woche später ließ sich Gladbach in Dortmund vermöbeln (2:5). Kurz vor dem Spiel gegen den Vizemeister tauchten erste Gerüchte auf, wonach Borussia und Farke sich nach Ende der Saison trennen und U23-Coach Eugen Polanski zum Trainer der Profis befördert würde.
Gladbachs Vereinsspitze schien davon überrumpelt, ging zwei Tage lang auf Tauchstation. Virkus konnte die brodelnde Lage gegenüber der "Rheinischen Post" auch deshalb nicht entspannen, weil er erstmals von einer "ergebnisoffenen Analyse nach Saisonende" sprach, die über das Schicksal von Farke entscheiden solle. Virkus hatte zwei Wochen zuvor nämlich noch ganz anders auf Fragen zur Zukunft seines Trainers geantwortet. Farke habe "die Chance verdient", den notwendigen Umbruch zu begleiten.
Die rund um das Dortmund-Spiel aufgekommenen Gerüchte waren aber höchstwahrscheinlich auch nur halb wahr: Nach ntv-Informationen deutet jedenfalls nichts mehr auf Polanski als Farke-Nachfolger hin, stattdessen ist Ex-Leverkusen-Coach Gerardo Seoane der klare Favorit auf den Trainerposten bei Borussia Mönchengladbach.
Quelle: ntv.de