Fußball

Furiose DFB-Elf im Finale Wenn ein Schalker besser als Ronaldo ist

Deutsche Torgefahr: Timo Werner (l.) erzielte einen Treffer. Lars Stindl (m.) leitete ein Tor ein. Leon Goretzka war mit zwei Treffern Mann des Spiels.

Deutsche Torgefahr: Timo Werner (l.) erzielte einen Treffer. Lars Stindl (m.) leitete ein Tor ein. Leon Goretzka war mit zwei Treffern Mann des Spiels.

(Foto: picture alliance / Christian Cha)

Leon Goretzka gelingt Historisches, Julian Draxler ist kein Kindergärtner - und im Tor steht plötzlich Oliver Kahn. Nach dem klaren Sieg gegen Mexiko dürfen die deutschen Fußballer nun nach St. Petersburg zum Finale des Confed Cups.

Finale? Och, sagte der Bundestrainer hinterher. Das sei zu Beginn des Turniers eigentlich gar nicht das Thema gewesen. Nun aber ist es eins. Und das ging an diesem Donnerstagabend in Sotschi sehr schnell. Nach acht Minuten führte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mit 2:0 gegen Mexiko, da Leon Goretzka in der sechsten und achten Minute getroffen hatte - zur schnellsten 2:0-Führung der DFB-Geschichte.

Und am Ende stand es vor 37.923 Zuschauern im Olympiastadion Fisht im zweiten Halbfinale des Confed Cups gar 4:1, da Timo Werner (59.) und der eingewechselte Amin Younes (90.+1) sich auch noch am Toreschießen beteiligten. Und Joachim Löw? War beeindruckt.

Nun darf die DFB-Elf zum Endspiel nach St. Petersburg. Dort geht es am Sonntag (ab 20.00 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) im Krestowski-Stadion gegen Chile. In der Vorrunde hatte sich die DFB-Elf ein 1:1 gegen den Südamerikameister erkämpft. Für den Bundestrainer stellen die Chilenen eh den "stärksten Gegner in diesem Turnier". Ansonsten wies er ausdrücklich darauf hin, dass sein Team, das ja doch sehr jung ist, keineswegs "mühelos" ins Endspiel eingezogen sei, wie es ein euphorisierter Fragesteller formuliert hatte. "Das war schon ein hartes Stück Arbeit", sagte der Bundestrainer. Er sagte aber auch: "Das war eine grandiose Leistung". Die deutschen Konföderationenpokalfinalisten in der Einzelkritik:

Marc-André ter Stegen: Das WM-Ticket dürfte gelöst sein.

Marc-André ter Stegen: Das WM-Ticket dürfte gelöst sein.

(Foto: picture alliance / Marius Becker)

Marc-André ter Stegen: Wir wissen nicht, ob Oliver Kahn einer ist, den der 25 Jahre alte Torhüter des FC Barcelona als kleiner Junge bewundert hat. Aber nach dem Gegentor hat er sich geärgert, als wolle er dem ehemaligen Nationalkeeper nacheifern. Dabei war ter Stegen beim Gewaltschuss Marco Fabians, der für die Frankfurter Eintracht in der Bundesliga spielt, schlichtweg machtlos. Zudem war es das 1:3 - eine Minute vor dem Ende der Partie. Und überhaupt war sein 13. Länderspiel, das er im schwarzen Trikot sowie froschgrünen Schuhen und Handschuhen absolvierte, eines seiner besten. Nach einer guten halben Stunde sorgte er dafür, dass seine Mannschaft mit einem 2:0 in die Pause ging und wehrte den Schuss von Giovani Dos Santos mit dem Fuß ab. Den Schuss von Miguel Layun in der 70. Minute parierte er mit der Faust. Und sechs Minuten vor dem Ende der Partie rettete er mit einem Reflex gegen einen Kopfball von Rafael Marquez. Er darf sich, das ist sein persönlicher Gewinn dieses Confed Cups, nun als Nummer zwei fühlen. Und dass der sechs Jahre ältere Manuel Neuer nicht auf ewig im Tor stehen muss, hatte ter Stegen jüngst im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" angedeutet: "Jeder muss seine Leistung bringen, auch Manu." Und schließlich stehe es jedem anderen Torwart frei, das auch zu tun.  Allerdings sei es so: Wenn Neuer das tue, "müssen wir nicht darüber reden, wer die Nummer eins ist".

Löw baut auf Kimmich, seine Stütze im Confed-Cup-Team.

Löw baut auf Kimmich, seine Stütze im Confed-Cup-Team.

(Foto: picture alliance / Marius Becker)

Joshua Kimmich: Viertes Confed-Cup-Spiel, vierter Einsatz in der Startelf - der 22 Jahre alte Münchner ist nicht erst nach seinem 19. Länderspiel aus dieser Mannschaft und auch aus einer, bei der alle wieder dabei sind, nicht mehr wegzudenken. Die nun jüngsten 18 Partien der DFB-Elf bestritt er jeweils über die volle Distanz. Neu gegen Mexiko war, dass er nicht auf der rechten Außenbahn zum Einsatz kam, sondern als das rechte Glied der Dreierkette. Auch das machte er gut, war zweikampfstark und ebenso souverän, wenn es darum ging, das Spiel seiner Mannschaft nach vorne anzukurbeln. Nur in der 36. Minute war er nicht ganz auf der Höhe, versuchte vergeblich, eine Flanke der Mexikaner irgendwie noch mit der Hacke abzuwehren - doch der Leverkusener Javier Hernandez lupfte, frei vor ter Stegen, den Ball aufs Tornetz. Insgesamt war die rechte Abwehrseite des DFB-Teams, vor allen in der ersten Halbzeit, die schwächere. Im Fall der Fälle ließ sich Benjamin Henrichs zurückfallen. Wenn Jonas Hector das auf der stärkeren linken Seite ebenfalls tat, ergab sich demnach eine Fünferkette. Aber dennoch: guter Mann, dieser Kimmich.

Antonio Rüdiger: Für den 24 Jahre alten Berliner in Diensten der AS Roma war es der dritte Startelfeinsatz in Russland - nur beim 1:1 gegen Chile hatte er pausiert - und sein 16. Länderspiel insgesamt. Viele hatten erwartet, dass statt seiner Shkodran Mustafi aufläuft, nun aber sollte Rüdiger die Dreier- respektive Fünferkette als zentraler Mann organisieren. Das machte er stark, kompromisslos und robust. Ein großer Zweikämpfer ist er ja, und beim Kopfball macht ihm kaum einer etwas vor. Nur an seinem Aufbauspiel muss er noch feilen, aber bisweilen darf er halt auch einfach mal den Ball nach vorne bolzen. "Für mich war die Position im Zentrum der Dreierkette keine große Umstellung", sagte er danach. "Vielleicht war ich etwas lauter als sonst. Aber jeder hat Verantwortung übernommen und zusammen haben wir die Probleme gemeistert." In der Tat, so war es.

Matthias Ginter erhielt den Vorzug vor Niklas Süle.

Matthias Ginter erhielt den Vorzug vor Niklas Süle.

(Foto: picture alliance / Christian Cha)

Matthias Ginter: Für den 23 Jahre alten Dortmunder war sein 13. Länderspiel zugleich seine dritte Partie beim Confed Cup hintereinander, nur beim 3:2 zum Auftakt gegen Australien saß er auf der Bank. Nun erhielt er den Vorzug vor Niklas Süle und agierte am linken Ende der Dreierkette. Er tat das ebenso entschlossen wie seine Kollegen und harmonierte gut mit dem bereits erwähnten Kollegen Hector. Nur in jener ebenfalls schon erwähnten 36. Minute war er etwas desorientiert und ließ die Flanke zu, die zur Chance von Hernandez führte. Er ist einer, der sich auch noch in der 90. Minute in die Schüsse des Gegners wirft. Nicht nur deshalb war es seine stärkste Leistung bei diesem Confed Cup - wenn nicht sogar überhaupt in der Nationalmannschaft.

Benjamin Henrichs: Nachdem der 20 Jahre alte Leverkusener gegen Kamerun im letzten Gruppenspiel die letzte Viertelstunde hatte spielen dürfen, damit sein Debüt bei diesem Turnier gegeben und zudem das 3:1 des Kollegen Timo Werner vorbreitet hatte, fand er sich nun in diesem Halbfinale etwas überraschend erstmals in der Startelf wieder. In seinem dritten Länderspiel hatte er seinen Platz auf der rechten Seite vor Kimmich. Der jüngste Spieler im Kader der deutschen Confed-Cup-Combo machte so weiter, wie er im letzten Gruppenspiel gegen Kamerun aufgehört hatte - mit einer Torvorlage. Um seine ebenso scharfe wie präzise Hereingabe kümmerte sich Leon Goretzka. Seine Defensivarbeit wirkte bisweilen etwas nachlässig. Aber es ist jetzt kein zweifelhaftes Lob, wenn das Urteil lautet: Er hat das richtig, richtig gut gemacht.

Leon Goretzka führt nun auch die Torschützenliste beim Confed Cup an.

Leon Goretzka führt nun auch die Torschützenliste beim Confed Cup an.

(Foto: picture alliance / Marius Becker)

Leon Goretzka: Der 22 Jahre alte Bochumer in Diensten des FC Schalke 04 durfte in seinem achten Länderspiel nach seiner Auszeit gegen Kamerun wieder in der Startelf ran. Und war, das sah nicht nur die Fifa so, der Mann des Spiels. Ihm gelang der schnellste Doppelpack in der seit 109 Jahren währenden Länderspielgeschichte des DFB, es waren die Länderspieltore zwei und drei. Und weil er sie allesamt bei diesem Turnier in Russland erzielt hat, führt er nun auch die Torschützenliste das Confed Cups an, zusammen mit Timo Werner - und vor Cristiano Ronaldo, der bisher zweimal traf, und Lars Stindl. Aber nicht nur offensiv überzeugte Goretzka, der mit Sebastian Rudy die Doppelsechs vor der Abwehrkette bildete. Enorm lauffreudig und dynamisch wie er ist, war er gerade in der Anfangsphase eifrig daran beteiligt, die Mexikaner zu nerven, indem er sie nie in Ruhe ihr Spiel aufbauen ließ. Trat nach dem Spiel gewohnt bescheiden auf: "Ich habe mich sehr darüber gefreut, der Mannschaft mit zwei Toren helfen zu können." Nach 67 Minuten war Schluss, für ihn kam der 23 Jahre alte Emre Can vom FC Liverpool in die Partie und zu seinem 14. Länderspiel. Fünf Minuten später zeigte der argentinische Schiedsrichter Néstor Pitana ihm die Gelbe Karte, weil er, also Can, zu hart gegen Marquez eingestiegen war. Auch sonst war er flugs im Spiel, für sein Alter tritt er wirklich schon sehr routiniert auf.

Sebastian Rudy: unauffällig, aber stets auf der Höhe des Spiels.

Sebastian Rudy: unauffällig, aber stets auf der Höhe des Spiels.

(Foto: picture alliance / Sergei Grits/)

Sebastian Rudy: Viertes Confed-Cup-Spiel, vierter Einsatz in der Startelf - der Mann fällt zwar nicht groß auf, ist aber stets dabei. Und ab Samstag ist der 27 Jahre alte Hoffenheimer ganz offiziell Angestellter des FC Bayern. In seinem 19. Länderspiel agierte er an der Seite des überragenden Goretzka, was ihn noch ein wenig unauffälliger erscheinen ließ. Dabei ist unspektakulär das viel bessere Attribut. Er machte eben viele kleine Dinge richtig gut, er sorgte für den richtigen Rhythmus, umsichtig und ballsicher.

Jonas Hector: Was für den Kollegen Kimmich auf der rechten Abwehrseite gilt, trifft auch für den 27 Jahre alten Kölner auf der linken Seite zu: Diese Position gehört ihm. Dass er gegen Kamerun im letzten Gruppenspiel pausierte, war dem Versprechen des Bundestrainers geschuldet, in Russland nach Möglichkeit alle seiner Spieler einzusetzen. Gegen Mexiko nun stand Hector in seinem 32. Länderspiel wieder in der Startelf und bearbeitete seine linke Seite gewohnt von hinten nach vorne und wieder zurück. Das 3:0 servierte er Timo Werner mit so viel Übersicht und Selbstlosigkeit, dass der den Ball nur noch ins Tor schieben musste.

Lars Stindl: Auch der 28 Jahre alte Mönchengladbacher rotierte gegen Kamerun aus dem Team, auch er stand jetzt, wo es richtig ernst wurde, wieder in der Startelf. In seinem fünften Länderspiel bildete er mit Julian Draxler und eben jenem Werner die Angriffsreihe. Den bediente er in der 53. Minute mit einem feinen Pass, sodass der Leipziger alleine auf Mexikos Torhüter Guillermo Ochoa zulaufen, den Ball allerdings nicht im Tor unterbringen konnte. Zuvor hatte er bereits Goretzkas zweiten Treffer eingeleitet - eine starke Partie. Sein Fazit: "Wir sind durch den Doppelpack von Leon sehr gut ins Spiel gekommen, er zeigt schon das ganze Turnier tolle Leistungen. Aber nicht nur er, jeder nutzt hier ein Stück weit seine Chance, wenn er ran darf. Am Anfang wussten wir nicht, wie wir das Turnier einschätzen sollen, weil wir ein zusammengewürfelter Haufen waren. Aber wir haben gezeigt, was in uns steckt, und freuen uns sehr über den Einzug ins Finale." Zwölf Minuten vor dem Ende der Partie nahm der Bundestrainer Stindl raus, für ihn kam der 21 Jahre alte Julian Brandt hinein. Es war des Leverkuseners zehntes Länderspiel.

Julian Draxler: Viertes Confed-Cup-Spiel, vierter Einsatz in der Startelf  - der 23 Jahre alte Mittelfeldspieler von Paris Saint-Germain ist in diesem Sommer als Kapitän eine feste Größe. In seinem 34. Länderspiel initiierte er das 3:0 mit einem tollen Pass rechts auf Hector in den Strafraum ein. Allerdings versuchte er ein wenig zu hartnäckig, mit Übersteigern zu glänzen, effektiv war das meist nicht. Zudem ließ er sich nach einer guten halben Stunde den Ball vor dem eigenen Strafraum von dos Santos abluchsen. Aber es sei ja so: "Nicht nur ich, sondern jeder übernimmt hier Verantwortung. Heute zum Beispiel war Leon von Beginn an da. Zwar bin ich einer der erfahrensten Spieler im Kader, aber ich spiele nicht mit lauter Kindern zusammen." Ansonsten laute der Plan: "Wir haben uns im Laufe des Turniers immer mehr gesteigert und an Selbstvertrauen gewonnen. Am Sonntag gegen Chile wollen wir nun alles geben, man spürt zwar die Beine nach dieser langen Saison, aber jeder wird sich nochmal gerne quälen - gerade wenn es um einen Titel geht." Nach 81 Minuten nahm Löw ihn vom Rasen, es kam der 23 Jahre alte Amin Younes von Ajax Amsterdam zu seinem vierten Länderspiel - und erzielte prompt das 4:1.

Timo Werner: Der gegen Kamerun doppelt erfolgreiche, 21 Jahre alte Rasenballsportler aus Leipzig stand auch gegen Mexiko in der Startelf - und wieder nutze er seine Chance, indem er in seinem fünften Länderspiel zum 3:0 (59.) einschob. Es war sein drittes Tor bei diesem Confed Cup - damit ist auch er besser als Ronaldo. Bereits sechs Minuten zuvor war er kurz davor, erfolgreich zu sein - aber er scheiterte nach seinem Alleingang erst mit seinem Schuss und dann mit seinem Ansinnen, nach einem Rempler von Mexikos Kapitän Hector Moreno einen Elfmeter zu bekommen. Das war aber nicht alles: Vor dem 2:0 hatte er mit einem zuckersüßen Pass in des Gegners Strafraum den Kollegen Goretzka auf die Reise geschickt. Werner ist auch so einer, der wie viele in diesem Perspektivteam davon profitiert,  in der Nationalmannschaft mal über die volle Distanz zu spielen und gleich mehrere Spiele in kurzer Zeit zu machen: "Wir sind zwar junge Spieler, aber an Qualität und Erfahrung mangelt es uns nicht. Die meisten von uns haben schließlich schon viele Bundesliga-Spiele auf dem Buckel. Wir haben etwas Großartiges geschafft, das hätte uns nicht jeder zugetraut."

Quelle: ntv.de

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