Collinas Erben

"Collinas Erben" fordern den Bonus Cooler Kinhöfer, glücklicher Boateng

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Dürfte zufrieden sein: Jérôme Boateng.

Dürfte zufrieden sein: Jérôme Boateng.

(Foto: dpa)

Bei der Partie des FC Bayern in Bremen wird's hektisch, doch der Unparteiische beruhigt die Gemüter - und räumt einen Fehler ein. In Frankfurt wird der Referee über den Haufen gerannt. Im Fall der Fälle wäre aber auch Ersatz vorhanden gewesen.

Ein solches Ballyhoo vor einem Spiel wie zwischen dem SV Werder Bremen und dem FC Bayern München hatte es in der Fußball-Bundesliga nicht mehr gegeben, seit Willi Lemke und Uli Hoeneß in den Neunzigerjahren regelmäßig ihre Giftpfeile aufeinander abschossen. Werders Geschäftsführer Thomas Eichin hatte gefordert, "Respekt und Ehrfurcht vor den Bayern abzulegen" - und damit auch die Schiedsrichter gemeint, die den Rekordmeister seiner Ansicht nach zu häufig mit Entscheidungen begünstigten und mit zweierlei Maß mäßen. Die Reaktion aus München folgte prompt: Sportvorstand Matthias Sammer glaubte, Eichin habe den Referees unterschwellig eine Manipulation unterstellt, und vermutete, der frühere Geschäftsführer der Kölner Haie habe "wohl mal einen Puck an den Kopf bekommen". Und die Diskussion, ob der Münchner Klub einen Bonus bei den Unparteiischen habe, war eröffnet.

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Nein, sagte Hellmut Krug, der Schiedsrichter-Manager der DFL. Der FC Bayern werde zwar in der Öffentlichkeit anders behandelt als andere Klubs, nicht aber von den Schiedsrichtern. "Wir behandeln den Verein wie jeden anderen auch, alles andere wird von außen hineininterpretiert. Schiedsrichter können es sich nicht leisten, bestimmte Klubs zu bevorzugen." Auch andere Teams profitierten von gelegentlichen Fehlentscheidungen, so Krug weiter, "aber bei Bayern München wird so etwas viel höher gehängt".

Collinas Erben

"Collinas Erben" - das ist Deutschlands erster Schiedsrichter-Podcast, gegründet und betrieben von Klaas Reese und Alex Feuerherdt. Er beschäftigt sich mit den Fußballregeln, den Entscheidungen der Unparteiischen sowie mit den Hintergründen und Untiefen der Schiedsrichterei. "Collinas Erben" schreiben jeden Montag auf ntv.de über die Schiedsrichterleistungen des Bundesligaspieltags. Unser Autor Alex Feuerherdt ist seit 1985 Schiedsrichter und leitete Spiele bis zur Oberliga. Er ist verantwortlich für die Aus- und Fortbildung in Köln, Schiedsrichterbeobachter im Bereich des DFB und arbeitet als Lektor und freier Publizist.

Dennoch lastete auf Thorsten Kinhöfer vor der Partie im Weserstadion an diesem 25. Spieltag noch mehr Druck, als ihn ein Schiedsrichter ohnehin schon hat. Doch der 46-Jährige ist erfahren genug, um mit solchen Situationen fertig zu werden und sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Von Beginn an ließ er eine gewisse Zweikampfhärte zu, schritt aber ein, wenn die Spieler eindeutig die Grenzen des Erlaubten übertraten. Im Umgang mit den Spielern war Kinhöfer ebenso gelassen wie bestimmt. Ähnlich gelagerte Szenen beurteilte er hüben wie drüben absolut gleich, was ihn im besten Sinne des Wortes berechenbar machte. Seine Autorität war unumstritten. Als es nach gut einer Stunde plötzlich für etwa zehn Minuten richtig zur Sache ging, war der Referee aus Herne so hellwach wie nervenstark und griff konsequent durch.

Fünfmal Gelb in fünf Minuten

Ausgelöst wurde die Hektik durch eine Szene im Mittelfeld, in der Bayerns Verteidiger Medhi Benatia den Bremer Kapitän Clemens Fritz mit der offenen Sohle am Fuß traf, bevor er von Sebastian Prödl selbst gefoult wurde. Es folgte eine "Rudelbildung", die Kinhöfer mit Gelben Karten für Benatia und Prödl beendete, wobei die für Werders Prödl gewissermaßen etwas dunkler war - schließlich war er erst eingestiegen, als die Begegnung unterbrochen war. Dennoch musste man in seinem Foul nicht zwingend ein Nachtreten erkennen, der Schiedsrichter hatte den Spielraum, es bei der Verwarnung zu belassen.

Souverän: Thorsten Kinhöfer behält den Überblick.

Souverän: Thorsten Kinhöfer behält den Überblick.

(Foto: imago/MIS)

Kurz darauf kam es zur nächsten Vollversammlung, nachdem Bastian Schweinsteiger von Zlatko Junuzovic an der Eckfahne unsanft in Richtung Bande befördert worden war. Kinhöfer verwarnte den Bremer und zeigte auch Jérôme Boateng und Santiago Garcia für ihr hitziges Wortgefecht die Gelbe Karte. Nach diesen fünf Verwarnungen in gerade mal fünf Minuten rief der Unparteiische die beiden Kapitäne, Clemens Fritz und Bastian Schweinsteiger, zu sich, um ihnen zu verdeutlichen, welche Konsequenzen weitere Unsportlichkeiten nach sich ziehen würden. Danach beruhigte sich die Partie merklich, wobei die Bayern den Gastgebern mit dem Treffer zum 3:0 in der 76. Minute auch endgültig den Stecker zogen.

Zwischen den beiden "Rudelbildungen" war es zu einer weiteren kniffligen Situation für den Referee gekommen: Nach einer Flanke in den Münchner Strafraum hatte Boateng den vor ihm hochspringenden Prödl am Trikot gezupft, wodurch der Bremer aus dem Gleichgewicht geraten war und den Ball an die Hand bekommen hatte. Die Kugel war anschließend zu Davie Selke gelangt und von dort zu Finn Bartels, der schließlich ins Bayern-Tor getroffen hatte. Doch Kinhöfer gab weder das Tor noch einen Elfmeter für Werder, sondern entschied auf Handspiel von Prödl.

Kinhöfer auch nach dem Spiel souverän

Nach dem Spiel erläuterte der Schiedsrichter seine Entscheidung im Interview des Bezahlsenders "Sky". Boatengs Trikotziehen habe er nicht erkennen können, weil er frontal auf die Situation geschaut habe. Seinem Assistenten wiederum, der einen seitlichen Blick auf das Geschehen hatte, sei von zwei Spielern die Sicht versperrt gewesen. "Wenn wir die Fernsehbilder so gehabt hätten, wie sie uns jetzt vorliegen, wäre es natürlich ein Strafstoß gewesen", räumte Kinhöfer ein. Er setzte seinen souveränen Auftritt damit auch nach dem Abpfiff fort. "Respekt, dass er den Mut hatte, seinen Fehler zuzugeben", sagte auch Eichin.

In Frankfurt richteten sich derweil nach 36 Minuten alle Augen auf den Unparteiischen Guido Winkmann. Denn der war vom Paderborner Marvin Bakalorz einfach umgerannt worden - unabsichtlich, versteht sich. Der 41-Jährige aus Kerken am Niederrhein ging zu Boden, hielt sich die Schulter und musste kurz behandelt werden. Dann gab es Entwarnung: Mehr als die Halterung für das Freistoßspray war nicht kaputt gegangen. Winkmann konnte weitermachen, und das Publikum spendete ihm aufmunternden Applaus.

Was aber wäre passiert, wenn der Schiedsrichter hätte aufgeben müssen? Für solche Fälle hat der DFB vorgesorgt, indem er zu jedem Bundesligaspiel mindestens einen Zweitliga-Referee einteilt, der die Aufgabe des ersten Assistenten oder des Vierten Offiziellen versieht . Dieser übernimmt er die Spielleitung, wenn der Hauptschiedsrichter ausfällt. War er vorher Assistent, rückt der Vierte Offizielle an seine Stelle, hatte er zuvor das Amt des Vierten Offiziellen inne, tauscht er mit dem verletzten Referee - sofern dieser noch einsatzfähig ist - die Positionen. Zuletzt gab es einen solchen Tausch im März 2014 bei der Partie zwischen dem VfB Stuttgart und Borussia Dortmund, als sich Michael Weiner 15 Minuten vor Spielende die Achillessehne riss und daraufhin mit Norbert Grudzinski die Plätze wechselte. Seine neue Tätigkeit verrichtete Weiner damals gezwungenermaßen im Sitzen. Not kennt eben kein Gebot.

Quelle: ntv.de

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