Collinas Erben

"Collinas Erben" sind beruhigt Voller Durchblick bei kompliziertem Elfer-Festival

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Piero Hincapie (in Rot) erlebte einen interessanten Samstagnachmittag.

Piero Hincapie (in Rot) erlebte einen interessanten Samstagnachmittag.

(Foto: picture alliance/dpa)

Zwei berechtigte Elfmeter spricht der Schiedsrichter der Frankfurter Eintracht gegen Leverkusen zu, zwei weitere Male verweigert er ihnen einen Strafstoß, auch das zu Recht. Ein Elfer muss wiederholt werden, bei einem anderen streikt die VAR-Technik. Doch der Referee lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

Eines der wichtigsten Elemente einer guten Spielleitung des Schiedsrichters ist es, bei der Bewertung von Zweikämpfen eine klare und vor allem für die Spieler berechenbare Linie zu haben. In der Kontaktsportart Fußball ist bekanntlich nicht jede Berührung ein Foulspiel, auch dann nicht, wenn der Gegner nicht den Ball gespielt hat. Deshalb kommt es für den Unparteiischen insbesondere in Situationen, in denen ein Spieler zu Boden geht, wesentlich darauf an, ob der vorangegangene Kontakt ursächlich und ausschlaggebend für den Sturz war oder nicht. Ähnlich gelagerte Situationen sollte der Referee dabei identisch beurteilen, und es sollte deutlich werden, wo er die Grenze zwischen erlaubter Zweikampfhärte und regelwidrigem Körpereinsatz zieht.

Das gilt in besonderem Maße für Zweikämpfe im Strafraum, wo die spieltechnische Ahndung von Regelübertretungen durch das verteidigende Team in Form eines Strafstoßes schwerer wiegt als außerhalb dieses Bereichs. Wie in dieser Hinsicht eine klare und gute Linie aussieht, zeigte Schiedsrichter Frank Willenborg in der Partie zwischen Eintracht Frankfurt und Bayer 04 Leverkusen (5:1). Nach zehn Minuten legte der Frankfurter Daichi Kamada im Leverkusener Strafraum den Ball an Charles Aranguiz vorbei, der sodann ein wenig "den Körper reinstellte", wie es in der Fußballersprache heißt.

Es gab aber kein Beinstellen, kein Halten und kein Rempeln, und Kamada setzte schon zur Schräglage an, als noch gar kein Kontakt gegeben war. Zu diesem kam es erst danach, er war geringfügig und nicht die Ursache dafür, dass der Frankfurter fiel. Referee Willenborg war günstig positioniert und ließ zu Recht weiterspielen, wie auch in der 27. Minute nach einem Zweikampf zwischen dem Leverkusener Piero Hincapie und Randal Kolo Muani im Strafraum der Gäste. Der ballführende Frankfurter Angreifer war ebenfalls schon im Fallen begriffen, bevor Hincapie seine Arme in Richtung des Oberkörpers von Kolo Muani ausstreckte. Für dessen Sturz konnte man den Verteidiger jedenfalls nicht verantwortlich machen.

Berechtigter Strafstoß, berechtigte Wiederholung

Anders verhielt es sich in der Nachspielzeit der ersten Hälfte, als Edmond Tapsoba im eigenen Strafraum bei seinem Tackling gegen den Frankfurter Jesper Lindström zu spät kam und mit seinem rechten Fuß nicht den Ball traf, sondern den rechten Fuß seines Gegenspielers. Dieser Tritt war zweifelsfrei ausschlaggebend dafür, dass Lindström stürzte und so ein aussichtsreicher Angriff der Gastgeber unterbunden wurde. Willenborgs Entscheidung, der Eintracht einen Elfmeter zuzusprechen und Tapsoba zu verwarnen, war deshalb vollkommen korrekt, er hatte den Treffer am Fuß gut erkannt und seine Entscheidung ohne zu zögern getroffen.

Der Leverkusener Torwart Lukáš Hrádecký konnte den von Kolo Muani getretenen Strafstoß parieren, doch er hatte die Torlinie schon vor dem Schuss mit beiden Füßen nach vorne verlassen. Nach dem Regelwerk müssen sich die Keeper zumindest mit einem Fuß auf oder hinter der Linie befinden, bis der Elfmeterschütze den Schuss ausgeführt hat. Bis Ende September sahen die Unparteiischen und auch die Video-Assistenten in der Bundesliga allerdings meist darüber hinweg, wenn die Torhüter bei einem parierten Strafstoß ihre Torlinie beim Elfmeter mit beiden Füßen zu früh verlassen hatten, sofern es sich nur um wenige Zentimeter handelte.

In der jüngsten Länderspielpause gab die sportliche Leitung der Referees allerdings bekannt, dass dieser Spielraum ab sofort - wie international bereits seit längerem üblich - nicht mehr gewährt werden wird und der Video-Assistent eingreifen muss, wenn der Schiedsrichter den betreffenden Verstoß auf dem Feld nicht wahrnimmt. Deshalb meldete sich beim Spiel in Frankfurt richtigerweise VAR Robert Schröder bei seinem Kollegen Frank Willenborg und teilte ihm die Regelübertretung von Hrádecký mit. Der Unparteiische ließ den Elfmeter daraufhin erneut ausführen, doch diesmal trat nicht erneut Kolo Muani an, sondern Kamada, der dann auch traf. Ein solcher Wechsel des Schützen ist möglich, wenn ein Strafstoß wiederholt werden muss.

Die Technik streikt beim On-Field-Review

Der Referee benötigte noch ein weiteres Mal die Unterstützung durch den VAR, nämlich nach 68 Minuten. Hincapies Tackling im Leverkusener Strafraum gegen Kolo Muani hatte er als regelkonform bewertet, doch der Abwehrspieler hatte den Ball verfehlt und dafür den Stürmer getroffen, der deshalb zu Fall kam. Weil Hincapie dadurch eine offensichtliche Torchance vereitelte, sein Einsatz im Strafraum aber ballorientiert war, bekam er nicht die Rote Karte, sondern nur die Gelbe. Da es allerdings seine zweite Verwarnung in diesem Spiel war, musste er das Feld dennoch vorzeitig verlassen. Den fälligen Strafstoß verwandelte wiederum Kamada zum 4:1.

Zu einem On-Field-Review am Monitor war es nach der Intervention des Video-Assistenten übrigens überraschend nicht gekommen. Auf dem Twitter-Account der DFB-Schiedsrichter wurde der Grund dafür genannt: "Aufgrund eines technischen Problems konnten dem Schiedsrichter keine Bilder zur Verfügung gestellt werden", hieß es dort. Der VAR habe dem Unparteiischen aber Hinweise gegeben, "mit deren Hilfe dieser auf Foulspiel, Strafstoß und Gelb-Rot entschieden hat". Willenborg hatte sich vor der endgültigen Entscheidung zudem mit seinem Assistenten Arne Aarnink besprochen. Ein On-Field-Review ist bei sogenannten subjektiven Entscheidungen zwar üblich, aber nicht zwingend. Nach dem Regelwerk kann der Schiedsrichter auch nach mündlicher Information durch den VAR eine Entscheidung ändern, wie hier geschehen.

Bliebe noch zu klären, ob das Tackling des Frankfurters Christopher Lenz gegen Tapsoba bei der Balleroberung, die dem Tor zum 2:1 für die Eintracht in der 58. Minute vorausging, regulär war oder nicht. Die Leverkusener Bank protestierte vehement, sie wollte ein Foulspiel von Lenz wahrgenommen haben. Doch die Fernsehbilder gaben keinen zweifelsfreien Aufschluss darüber, ob es tatsächlich der Frankfurter war, der im Zweikampf den Ball gespielt hatte, oder nicht doch der Leverkusener, was Lenz' Einsatz zum Foulspiel hätte werden lassen. Durch diese fehlende Eindeutigkeit konnte man aber nicht von einem klaren und offensichtlichen Fehler des Schiedsrichters sprechen. Dass der VAR angesichts dessen nicht eingriff, war somit ein weiteres Mal richtig.

Was sonst noch wichtig war:

Nach 82 Minuten in der Begegnung zwischen dem VfL Wolfsburg und Borussia Mönchengladbach (2:2) forderten die Gäste nach einem Zweikampf zwischen Maximilian Arnold und Marcus Thuram im Strafraum der Hausherren vergeblich einen Elfmeter. Beide Spieler waren nach einer Parade des Wolfsburger Torwarts Koen Casteels zum Ball gelaufen, den Arnold mit einem "langen Bein" zu erreichen und gegen Thuram abzuschirmen versuchte. Dabei stellte er, bevor er den Ball erreichte, allerdings sein Bein in den Laufweg seines Gegenspielers und traf ihn dadurch am Schienbein, woraufhin dieser zu Fall kam. Ein Strafstoß wäre deshalb eigentlich angebracht gewesen. Allerdings hätte Schiedsrichter Benjamin Cortus den vorangegangenen Freistoß für die Gladbacher, den Casteels parierte, gar nicht geben dürfen. Denn es lag kein Beinstellen von Paulo Otavio gegen Thuram vor, sondern es war vielmehr der Gladbacher, der seinem Gegner auf den Fuß getreten und danach zu Boden gegangen war.

Die beiden Spitzenspiele am Sonntagabend wurden von den Unparteiischen sicher geleitet: Tobias Stieler in der Partie 1. FC Union Berlin - Borussia Dortmund (2:0) sowie Sascha Stegemann im Aufeinandertreffen des FC Bayern München und des SC Freiburg (5:0) lösten ihre Aufgaben gut und geräuschlos. Die kniffligste Szene für Stieler ereignete sich zweifellos nach 83 Minuten, als der Berliner Robin Knoche vor dem eigenen Tor seine Hand auf den Oberarm von Mats Hummels legte und den Dortmunder leicht hielt. Dass der Referee nach dem anschließenden spektakulären Sturz von Hummels, der schon im Moment des Kontakts etwas nach hinten geneigt war, nicht auf Strafstoß entschied, war aber vertretbar. Es war ein Grenzfall, in dem der Referee einen Ermessensspielraum hatte.

Quelle: ntv.de

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