Kösters Direktabnahme

Köster zu Bremer Merkwürdigkeiten Skripniks letzte Chance

Versteht die Welt nicht mehr: Werder Bremens Cheftrainer Viktor Skripnik.

Versteht die Welt nicht mehr: Werder Bremens Cheftrainer Viktor Skripnik.

(Foto: imago/Team 2)

Bei Werder Bremen gerät Viktor Skripnik immer mehr unter Druck. Nicht ganz zu Unrecht. Die Mannschaft wirkt konditionell und spielerisch überfordert, der Trainer taktisch antiquiert. Hinzu kommt gefährliche Verklärung.

Man kann Frank Baumann nicht vorwerfen, er habe sich nicht schützend vor seinen Trainer gestellt. Nachdem seine Bremer zum Auftakt beim FC Bayern mit der 0:6-Niederlage noch gut bedient waren, verkündete der Sportdirektor, man werde da "in den nächsten Monaten definitiv nichts verändern". Schließlich habe man "die Entscheidung aus Überzeugung getroffen". Und nach der nachfolgenden und noch deprimierenden Heimniederlage gegen Augsburg wollte Baumann gleich der ganzen Mannschaft "keinen Vorwurf machen".

Philipp Köster

Philipp Köster

(Foto: imago/STAR-MEDIA)

Soviel Baumann auch tröstet und schützt und abwiegelt, mit jeder Niederlage wird die Frage drängender, ob der sportliche Kurs der Werder-Führung derzeit stimmig ist. Und daran schließt sich die vielleicht noch heiklere Frage an, ob Coach Viktor Skripnik eigentlich noch der richtige Mann ist, diesen Kurs umzusetzen.

Zu beiden Fragen gibt es im Klub durchaus unterschiedliche Ansichten - der schlechteste Saisonstart seit 1967 hat die Nervosität in den Gremien noch einmal verstärkt. Da half es auch nicht, dass Baumann nun noch einmal nachschob, der "kurz- und mittelfristige Plan" sehe vor, dass Mannschaft und Trainer gemeinsam aus der Misere herausfinden.

Erschreckender Saisonauftakt

Zur Person: Philipp Köster

Philipp Köster, Jahrgang 1972, ist Chefredakteur und Herausgeber des Fußballmagazins "11 Freunde". In seiner Kolumne "Kösters Direktabnahme" greift er jeden Dienstag für n-tv.de ein aktuelles Thema aus der Welt des Fußballs auf. Zudem ist er seit der Saison 2016/17 Bundesligaexperte von n-tv.

Dabei war die Stimmung in Bremen vor der Saison durchaus passabel gewesen. Der Klub hatte im letzten Drittel der vergangenen Saison mit einem bemerkenswerten Kraftakt die Klasse erhalten. Mannschaft, Funktionäre und Fans waren in den entscheidenden Spielen so eng zusammengerückt wie seit langer Zeit nicht mehr. Eine positive Zäsur, so empfanden es viele im Verein, deren Schwung man in die neue Saison hinüber retten wollte. Zumal die Verantwortlichen guten Mutes gewesen waren, die Abgänge etwa von Anthony Ujah oder Jannik Vestergaard gut kompensiert zu haben.

Die ersten drei Pflichtspiele waren jedoch jedes für sich erschreckend. Das Pokalspiel in Lotte, weil die Mannschaft den Drittligisten offenbar über weite Strecken des Spiels nicht ernst nahm. Das Auftaktspiel gegen Bayern, weil die Mannschaft nicht einmal ansatzweise den Eindruck erweckte, der bayrischen Angriffsmaschinerie so etwas wie Kampf oder Leidenschaft entgegenzusetzen. Und die Heimpleite gegen Augsburg, weil die Truppe nach passablem Beginn direkt nach dem Augsburger Ausgleich auseinanderbrach. Zlatko Junuzovic entschuldigte den Auftritt mit mangelnder Kraft: "Uns fehlte nach dem Ausgleich die Power, wir sind nicht mehr die nötigen Wege gegangen".

Merkwürdige Verklärung

Womöglich merkte Junuzovic nicht, wie gefährlich derlei Expertisen für den ohnehin schon angeschlagenen Skripnik sind. Dass taktische Innovationen und moderne Spielsysteme nicht gerade die Stärke des Coachs sind, war seit langem bekannt. Vor der Saison hatten sich sogar Spieler maliziös über die fehlende taktische Orientierung geäußert. Dafür galt Skripnik aber als einer, der die Mannschaft motivieren und begeistern kann. Und der darüber hinaus auf körperliche Fitness als Wettbewerbsvorteil achtet. Davon war gegen die Bayern und erst recht gegen den FC Augsburg nichts zu sehen. Sicher, die Mannschaft war ersatzgeschwächt, was aber allenfalls eine passable Ausrede für die spielerische Armut des Bremer Spiels ist, nicht aber für die läuferische Leistung.

Skripnik ist gut beraten, diese Mängel rasch abzustellen. Er darf darauf hoffen, dass mit der allmählichen Rückkehr wichtiger Spieler wie Santiago Garcia, Philipp Bargfrede, Claudio Pizarro und auch Max Kruse auch das Spiel der Bremer ansehnlicher und effektiver wird. Zugleich muss er die Mannschaft konditionell auf einen bundesligareifen Stand bringen und die Nervosität gerade der jüngeren Spielern in den Griff bekommen.

Bis dahin sollte er der Versuchung widerstehen, indiskutable Leistungen zu verklären. Dass Skripnik behauptete, gegen Augsburg über zwei Drittel des Spiels "eine sehr gute Leistung" gesehen zu haben, unterschied ihn von so ziemlich jedem anderen Zuschauer im Weserstadion.

Sollte Werder nicht rasch sichtbare Fortschritte machen, könnte der Rückhalt für Skripnik auch im Klub rapide abnehmen. Auch wenn das nicht in Frank Baumanns kurz- und mittelfristigem Plan notiert ist.

Quelle: ntv.de

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