Köster über Gewalt im Fußball Sollen Klubs für Ausschreitungen zahlen?
28.02.2017, 16:02 Uhr Artikel anhören
"Wer jedoch glaubt, es gäbe einfache Antworten und Lösungen für das Phänomen der Fußballgewalt, der irrt gewaltig."
(Foto: imago/Kolvenbach)
Nach den Prügeleien von Berlin werden Forderungen laut, die Klubs der Fußball-Bundesliga für die Schäden zahlen zu lassen. Die Diskussion ist unsinnig. Wer wirklich weniger Gewalt in den Stadien will, darf nicht aufs Geld gucken.
Flaschenwürfe in Dortmund. Prügeleien auf offener Straße in Berlin - derzeit vergeht kaum ein Wochenende, an dem nicht über Ausschreitungen rund um Fußballspiele berichtet wird. Und den großen Schlagzeilen folgt stets sehr verlässlich die Forderung, die finanziell üppig ausgestatteten Klubs sollten doch in Zukunft selbst für die Schäden und Kosten aufkommen, die Randalierer jedes Wochenende aufs Neue verursachen.
Die Diskussion ist nicht neu und die Fronten seit langer Zeit abgesteckt. Innovative Beiträge zum Thema las man selten. Klar ist, dass es zum Kernauftrag der Polizei gehört, den Zu- und Abgang zu öffentlichen Großveranstaltungen zu sichern. Fußballklubs einfach mal die Kosten aufzubürden, würde die Frage aufwerfen, warum dann nicht auch jeder andere Veranstalter, etwa von Demonstrationen, die Kosten für Einsätze aufgerechnet bekommt.
Ebenso klar ist, dass das ostentative Bedauern der Klubs, mit allen Geschehnissen jenseits der Stadien leider, leider, leider so gar nichts zu tun zu haben, nicht mehr funktioniert. Die Verfügungsgewalt der Klubs mag an den Stadiontoren enden, ihre gesellschaftliche Verantwortung jedoch nicht. Es bedarf viel mehr gemeinsamen Engagements der Klubs und der staatlichen Stellen, um die vorhandenen Probleme anzugehen.
Unübersichtliche Gemengelage
Wer jedoch glaubt, es gäbe einfache Antworten und Lösungen für das Phänomen der Fußballgewalt, der irrt gewaltig. Ausschreitungen rund um Fußballspiele haben eine lange und ungute Tradition. Schon in den frühen Jahren finden sich in zahlreichen Zeitungsnotizen Hinweise auf Ausschreitungen, in den Siebzigern prügelten sich Rocker in den Stadien, in den Achtziger Jahren die Hooligans. Das einzige, was die fußballerische Moderne von diesen Zeiten unterscheidet, ist die unübersichtliche Gemengelage. Oft ist nicht klar, ob sich da gerade Ultras prügeln oder eine neue Hooligan-Generation, bisweilen sind die Grenzen fließend.
Es gibt natürlich Gründe, warum es so häufig beim Fußball kracht und nicht beim Handball, Eishockey, Tennis. In den Fankurven versammeln sich seit jeher erlebnishungrige Jugendliche. Man muss nicht allzu tief in die Kriminologie eintauchen, um zu wissen, dass Heranwachsende weitaus delinquenter ist als beispielsweise Männer im gehobenen Erwachsenalter. Fanblöcke mit ihren Regeln und Ritualen, mit ihrer oft protzigen Präsenz sind hoch attraktiv für junge Erwachsene, die nach Autonomie und Status suchen.
Wer weniger Gewalt in den Stadien will, muss die Jugendkultur und ihre Bedürfnisse weitaus ernster nehmen als bislang. Er muss die Kurven in all ihrer bisweilen auch verstörenden Wildheit als zu schützendes Kulturgut akzeptieren. Und daraus ergeben sich viele andere sinnvolle Vorschläge. Etwa die dringliche Wiederaufnahme des vor Jahren abgebrochenen Dialoges mit den Fanorganisationen. Aber auch endlich mehr Geld und Unterstützung für Sozialarbeit mit den Kurven.
Die oft zu beobachtenden Solidarisierung der Fanblöcke mit Gewalttätern entspringt auch ja auch der Erkenntnis, in den Klubs und Verbänden oft keine Gesprächspartner sondern Gegnern zu haben. Die Klubs müssen im Kampf gegen die Gewalt mehr Verantwortung übernehmen. Aber das ist erst einmal keine Geldfrage.
Quelle: ntv.de