
Jürgen Klinsmanns Engagement bei Hertha BSC war spektakulär.
(Foto: imago images/Bernd König)
Die Spielzeit 2019/20 ging in mehrfacher Hinsicht in die Geschichte ein. Zuerst sorgte Dieter Bohlen scheinbar für einen Fluch bei Werder Bremen, dann legte Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann in Berlin eine Bruchlandung hin und zum Schluss durchkreuzte Corona alle Pläne.
Für Werder Bremen war die Saison 2019/20 eine echte (Seuchen-)Spielzeit, die der Sänger und Werder-Fan Jan Delay mittendrin einmal so beschreibt: "Wir hatten den besten Kader, wir waren super vorbereitet. Dann machen sie ein Foto mit Bohlen, und auf einmal sind acht Leute verletzt. Seitdem geht es bergab. Wir haben uns von Bohlen nicht mehr erholt und krebsen am Tabellenende rum." Am Ende konnte man sich wenigstens in der Relegation gegen den FC Heidenheim in der ersten Liga halten.
Der FC Bayern München musste dieses Mal bis zum 32. Spieltag warten, ehe er mit einem 1:0-Auswärtssieg beim SV Werder Bremen den achten Meistertitel in Folge klarmachte. Im Dezember sah die Lage noch ganz anders aus, da erschien eine neuerliche Titelverteidigung in weiter Ferne.
Nach der Niederlage der Bayern am zweiten Advent bei Borussia Mönchengladbach brannte nicht nur bei Joshua Kimmich der Kranz: "Wer es bis jetzt noch nicht begriffen hat, ist komplett auf dem falschen Weg." Auch bei den FCB-Fans hing der vorweihnachtliche Segen schief - um es vorsichtig auszudrücken. Der Brandbrief der Journalistin und Hardcore-Bayern-Anhängerin Lisa de Ruiter verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den Fans der Münchner: "Ich nehme meinen Verein, wie es nun mal so ist, fast immer in Schutz. Das ist jetzt vorbei. Zumindest für diese Saison. Denn das, was meine Mannschaft seit Saisonbeginn großflächig abliefert, ist nur noch frustrierend. SO hat Bayern in dieser Saison KEINEN Titel verdient!"
Klinsmann als "Mann der Saison"
Eine Situation zum Verzweifeln für viele Anhänger des FCB: "Als 'verwöhnter' Bayernfan muss ich erst einmal lernen, wie es ist, nun auf Platz 7 zu stehen. Um Europa zu bangen, statt den Titel einzuplanen. Und warum? Weil sechs Mannschaften gerade einfach effektiver, besser, spritziger, WILLIGER sind! SO hat man Titel verdient." Was für Worte! "Platz 7"(!) als Ausdruck allen Unheils. Doch in der Tat war zu dieser Zeit alles möglich bei den Münchnern. Aber die Bayern wären halt nicht die Bayern, wenn sie nicht von diesem Tage an alle Spiele - bis auf ein Unentschieden - gewonnen hätten.
"Mann der Saison" war auf kuriose Weise Jürgen Klinsmann. Als der gebürtige Schwabe Anfang Februar nach genau 76 Tagen und 76 Millionen, die er auf dem Transfermarkt verpulvert hatte, als Trainer von Hertha BSC hinschmiss, war sein spektakuläres Überfallkommando in der Hauptstadt schon wieder beendet. Kurz darauf präsentierte er der neugierigen Öffentlichkeit ein herrlich offenherziges Tagebuch. Unter der Überschrift "Zusammenfassung: Zehn Wochen Hertha BSC" ließ der frühere Coach der Nationalmannschaft seine Tätigkeit auf 22 DIN-A4-Seiten in einem internen Protokoll Revue passieren und offenbarte schonungslos die Lage bei der Hertha - wie zwei Fragmente zeigen: "Mannschaft in einem katastrophalen körperlichen wie mentalen Zustand." Und: "Die Planung der Vorbereitung auf die Rückrunde, für die Michael Preetz verantwortlich ist, ist eine Katastrophe."
Die Spielzeit des BVB aus Dortmund konnte man wohl am besten anhand des Gegensatz-Pärchens Lucien Favre und Erling Braut Haaland beschreiben: Pianist und Starkstrom-Elektriker. Als der Norweger Haaland im Januar ins Ruhrgebiet kam, schien es für einen Moment so, dass er dem ruhigen Schweizer Favre das nötige Feuer unterm Hintern machen könnte. BVB-Keeper Roman Bürki scherzte nach dem zweiten Spiel des 19-jährigen Jungstars freudig: "Es ist sehr schade, dass er schon nachlässt. Drei Tore, zwei Tore. Ich hoffe nicht, dass es im nächsten Spiel nur eins ist." Die Hoffnung wurde nicht enttäuscht. In der nächsten Partie waren es wieder deren zwei. Doch so schnell Haalands Torquote in der Folge normalere Züge annahm, so zügig zeiget sich auch, dass die norwegische "Naturgewalt" nicht unbedingt ideal zum eher zurückhaltenden Lucien Favre passte. Eine Ehe auf Zeit deutete sich an.
Zerreißprobe mit Hopp und Neustart
Die Bundesliga stand mitten in der Saison vor einer echten Zerreißprobe. Die verbalen Scharmützel zwischen den Hopp-Freunden und dem Anti-Hopp-Lager nahmen dynamisch an Brisanz zu - bis es Ende Februar fast zum kompletten Abbruch der Partie der TSG Hoffenheim gegen den FC Bayern München kam. Nachdem die Begegnung nach einer kurzen Unterbrechung wegen Schmähplakaten der FCB-Fans gegen Dietmar Hopp dann doch wieder angepfiffen wurde, spielten die beiden Teams die letzten 13 Minuten nur noch runter.
Ein echtes Novum in der langen Liga-Geschichte - was auch für das galt, was danach passierte. Die Fans bewiesen am Rande der Legalität große Kreativität. In Frankfurt hing ein Plakat, adressiert an den eigenen Trainer: "Adi. Meld dich, wenn du eine Spielunterbrechung brauchst." Und auch das: "Dietmar Hopp ist ein Timo Werner". In Nürnberg reimten die Anhänger: "Dietmar Hopp, du bist nicht allein. Karl-Heinz Rummenigge könnte dein Bruder sein." Und ebenso spitzfindig: "Dietmar Hopp, du Sohn einer Mutter."
Dass es nicht zu einem weiteren Eklat oder gar zu einem endgültigen Spielabbruch kam, "verdankte" die Liga wohl auch der mehrwöchigen Pause, die kurz darauf notwendig wurde. Corona veränderte alles. Doch das konnte man am 9. Februar in Mönchengladbach noch nicht einmal erahnen. Die Begegnung gegen den 1. FC Köln musste wegen Sturms verschoben werden. Da wusste noch niemand, dass die Nachholpartie am 11. März nicht nur das letzte Bundesligaspiel vor der Pause, sondern auch das erste Geisterspiel von vielen weiteren, die noch folgen sollten, sein würde. Dass die DFL unter der Führung von Christian Seifert es schaffte, als erste Liga weltweit den Neustart einzuleiten, wird von vielen anfangs scharf kritisiert. Doch der Mut, das Durchhaltevermögen und die akribische Planungsarbeit begeisterten im Nachhinein ebenso viele Fußballanhänger.
Quelle: ntv.de