Fußball

Medizinbälle, Käse, dicke Eier Der gefürchtetste "Scheucher" des deutschen Fußballs

Ein ikonisches Duo: Magath und der Medizinball.

Ein ikonisches Duo: Magath und der Medizinball.

Max Kruse würde nie unter ihm spielen. In England erinnerte seine Zeit bei Fulham die Medien an "Terror-Herrschaft". Felix Magath war und ist bei Fußballprofis gefürchtet. Und auf Schalke warfen sie ihn einst raus, weil sie keinen Gelenkbus kaufen wollten. Heute feiert "Quälix" seinen 70. Geburtstag.

Sein Spieler Bachirou Salou hat einmal über ihn gesagt: "Felix Magath ist der letzte Diktator Europas." Das passt ganz gut zu Magaths bekanntesten Spitznamen "Saddam" und "Quälix". Und an sich sind solche Namen tolle Marketingbegriffe - aber positiv besetzt sind sie leider nie gewesen. Deshalb hat sich der gebürtige Aschaffenburger eines Tages in die Hände einer Vermarktungsagentur begeben und siehe da: "IMG hat eine Analyse machen lassen, die besagt, dass ich sehr sympathisch, beliebt und sehr werbewirksam sei. Ich hoffe, dass das noch lange so bleibt."

Doch wie das bei solchen Erhebungen zumeist ist - es gibt immer zwei Seiten. Und deshalb war Magath als Trainer immer schon nicht bei all seinen Profis "beliebt". Selbst die, die ihn nur vom Hörensagen kannten, hatten regelrecht Angst vor ihm. So sagte erst vor knapp einem Jahr Max Kruse über ihn: "Ich gehe überall hin. Aber niemals zu Magath. Der ist ein Scheucher! Der ist krank. Der macht Medizinbälle, bis die Leute kotzen!" Für den bekennenden Schokopasten-Liebhaber Kruse natürlich ein Graus.

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Als Felix Magath 2014 nach England ging, mag ihm sein alter Ruf noch etwas stärker angehaftet haben als die neueren Marktforschungsergebnisse. Denn die Zeit beim FC Fulham erinnerte in der Außendarstellung sogar an finsterste Magath-Zeiten in der Bundesliga. Der "Daily Mirror" atmete mit seiner Leserschaft zusammen auf, als die "Terror-Herrschaft" des "Kontroll-Freaks" ("Sun") nach sieben Monaten endlich vorbei war.

Verletzung angeblich mit Käse behandelt

Die Zeitung berichtete sogar von ganz alten Geschichten aus der Mottenkiste, die Magath angeblich wieder zum Leben erweckt haben sollte. Diesmal allerdings ganz ohne Teebeutel. Die Rede ist von der Nummer, bei der Magath einen Spieler zu sich ins Büro bittet, sich ihm gegenübersetzt, aber minutenlang mit ihm kein einziges Wort redet. Der Europameister von 1980 bestreitet, dies je in seiner Karriere gemacht zu haben. Demzufolge auch nicht beim FC Fulham.

Genüsslich griffen die deutschen Medien Berichte aus England auf, die besagten, dass Magath eine Oberschenkelverletzung seines Spielers Brede Hageland mit einem Stück Käse behandeln lassen wollte, anstatt den Anweisungen des Arztes zu folgen. Herrlich die Aussage, die man Magath im Zuge der Meldung unterjubelte: "Das ist Käse!" Magath stellte klar, dass es sich um eine Entzündung im Knie gehandelt habe und er dem Spieler lediglich den Ratschlag gegeben habe, es mit dem "alten Hausrezept Quark" zu versuchen.

Bei Felix Magath musste man schon immer ein wenig zwischen den Zeilen lesen: "Wenn mein Vater da gewesen wäre, hätte sich mein Leben vollkommen anders entwickelt. Viel zielgerichteter. Dann wäre meine Mutter zu Hause gewesen. Ich hätte vernünftig für die Schule gearbeitet, einen normalen Beruf erlernt und wäre nicht in den Fußball abgedriftet." Dann wäre ihm auch der Spruch seines ehemaligen Mannschaftskollegen Franz Beckenbauer erspart geblieben: "Da schau her, wie der Magath läuft, wie eine Kuh."

"Mit Quälix kriegt Bayern wieder dicke Eier"

Der Vater von sechs Kindern ("Ich kann und möchte mich da nicht auf einen besonderen Typ festlegen", O-Ton zum Thema Frauengeschmack) würde auch für eine Gage von 100.000 DM nicht "ein Jahr lang als Punker umherlaufen". In den achtziger Jahren hörte Magath gerne Musik von Stevie Wonder, Elton John und Simply Red, hatte einen Hund, der auf den Namen Popsy hörte und entdeckte seine Leidenschaft für das Brettspiel: "Schach ist für mich neben Fußball der schönste Sport, weil es aufgrund der Figuren auch ein Mannschaftssport ist." An manchen Tagen bevorzugte er sogar das königliche Spiel gegenüber dem Fußball, weil es den Faktor Mensch (Fußball-Profi) ausschließt: "Einer Schachfigur verspringt kein Ball, bloß weil sie schlecht geschlafen hat."

Seinen bekanntesten Spitznamen ("Mit Quälix kriegt Bayern wieder dicke Eier", Max Merkel) hat sich Felix Magath in all den Jahren redlich verdient. Schon immer leitete er die Zeit der Vorbereitung mit markigen Sprüchen wie diesem ein: "Der Lake Michigan ist so groß, der drängt sich als Trainingsoption förmlich auf." Während der Übungslager folgten dann Einheiten zu nachtschlafender Zeit, Endlos-Läufe durchs Gelände ("Wenn die Spieler im Urlaub etwas getan haben, dann können wir uns in Dubai Waldläufe ersparen") und natürlich vielfältige Manöver am und mit Medizinball.

Als Felix Magath zur Saison 2009/10 zum FC Schalke 04 kam, eilte ihm sein Ruf schon voraus. Von "Quälix" erwarteten die Zuschauer gleich beim ersten Training das volle Programm. Als das irgendwie ausblieb und es eher nach einer ruhigen Übungseinheit aussah, beschwerte sich ein Trainingsplatzkiebitz lautstark: "Hömma, es hat noch kein Spieler gekotzt! Und wo sind überhaupt die Medizinbälle?" Magath reagierte gelassen und beruhigte den aufgebrachten Fan souverän: "Alles zu seiner Zeit. Das kriegen wir hier schon hin."

Wasser auskippen als pädagogische Maßnahme

Das Thema Medizinball verfolgt Magath bei jeder seiner Stationen. Als er vom S04 zum VfL Wolfsburg zurückkehrte, erlaubte sich der Techniker beim Soundcheck im Presseraum vor der Vorstellung des neuen Trainers Magath einen gelungenen Scherz. Er hauchte lächelnd in das Mikrofon: "Eins, zwo, drei, eins, zwo, drei, Medizinball!"

Über den Scherz konnten auch die VfL-Profis lachen. Ein paar Tage später war aber bereits wieder Schluss mit lustig. Nach einer 0:3-Niederlage bei Bayern München hatte Magath höchstpersönlich die allermeisten Mineralwasserflaschen am Trainingsplatz ausgegossen. Als die Mannschaft nach einem Waldlauf zurückkam, gab es nicht für alle Spieler wie gewöhnlich eine eigene Flasche. Die Profis reagierten verdutzt. Magath zuckte gegenüber den Pressevertretern nur mit der Schulter und erklärte, es habe sich lediglich "um eine pädagogische Maßnahme gehandelt". Die Mannschaft solle lernen zu teilen.

Die einen Spieler akzeptierten das intensive Programm von Magath ("Wir verdienen so viel Geld, da können wir uns auch mal richtig auskotzen", Eintracht-Profi Ralf Weber), die anderen waren froh, wenn sie nicht dran teilnehmen mussten ("Ich war die ersten drei Wochen nicht da. Ich glaube, das war auch besser so", Roy Makaay). Der Zeugwart des VfB Stuttgart, Jochen Seitz, freute sich sogar richtig, als Magath bei den Schwaben anheuerte: "Es lohnt sich wieder, die Trainingsklamotten zu waschen, sie sind wieder nass." Und als er danach zu den Bayern wechselte, jubelte Boulevard-Kolumnist Max Merkel: "Nix mehr mit Zerrungen nachts in der Disco. Nix mehr mit Nasebohren am Mittelkreis. Jetzt wird wieder marschiert!"

Die beste Zeit hat Magath beim FC Bayern

Das alte Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche galt auch bei Felix Magath. Nach einem großen Sieg seiner Mannschaft, wollten die Reporter wissen, ob er dem Team denn nun etwas freie Zeit schenken würde und "Quälix" antwortete grinsend: "Ja, bis morgen früh um acht." Ansonsten gab es auch an Feiertagen keine Auszeit: "Die Spieler können so lange Ostereier suchen, wie sie wollen. Vor lauter Training werden sie keine finden." Doch im Grunde findet Magath seine Übungseinheiten gar nicht so besonders schlimm: "Wenn ich als 48-Jähriger noch mithalten kann beim Konditionstraining, dann kann ich das auch von meinen Spielern verlangen."

Seine beste Zeit als Trainer hatte Magath beim FC Bayern München - sein persönliches Ziel der Träume, auf das er sich stets und überall vorbereitete. Als sein Team einmal am letzten Spieltag in München spielte, blieb er anschließend auf dem Platz und beobachtete die Bayern bei der Übergabe der Meisterschale. Der erstaunten Presse sagte er hinterher: "Ich habe geguckt, wie man so eine Meisterschaft feiert. Ich wollte das mal wissen für später."

Dieses Gefühl kostete er anschließend als Bayern-Trainer intensiv aus. Als der Klub noch auf drei Hochzeiten - Champions League, Bundesliga und Pokal - tanzte, antwortete Magath auf die Frage, für welche "Braut" er sich am liebsten entscheiden würde, entsprechend gierig: "Ich überlege, ob ich konvertiere und vom christlichen Glauben wechsele. Es gibt ja Religionen, in denen man mehrere Frauen heiraten kann." Uli Hoeneß fand damals natürlich vor allem das Training von Magath lobenswert: "Unsere Spieler sind abends etwas müder und gehen nicht mehr gerne ins P1."

Legendärer Torwartwechsel beim Hamburger SV

Auf Schalke lief es später nicht ganz so gut. Udo Lattek riet damals zu folgender Maßnahme: "Felix Magath und Clemens Tönnies sollten eine halbe Stunde in einen Raum gehen, das Licht ausmachen und sich gegenseitig aufs Maul hauen. Dann wäre das Thema durch." Das war es dann auch - aber anders als vorgeschlagen. Uli Hoeneß erinnert sich: "Als der Clemens Tönnies Magath in Schalke entlassen hat, sagte er zu ihm: Wenn Sie so weitermachen mit ihrem Kader mit 45 Mann, dann brauchen wir für die Mannschaft einen Gelenkbus. Da entlasse ich Sie lieber!"

Zum Schluss noch eine Geschichte, die eine andere Seite von Felix Magath zeigt. Er wollte zwar nie als Punk verkleidet herumlaufen, aber damals präsentierte er sich einmal als echter Rebell. Beim Nachholspiel des HSV in Rostock in der Saison 1995/96 ereignete sich folgende Story: Trainer Felix Magath wechselte in der 83. Minute seinen Spieler Daniel Stendel aus und dafür den Torwart Holger Hiemann ein. Nun standen zwei Torhüter auf dem Platz. Doch nur für einen Moment.

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Keeper Nummer eins, Richard Golz, schmiss die Handschuhe hinter seinen Kasten, entblößte seinen Oberkörper, streifte ein Feldspieler-Trikot über und orientierte sich gleich Richtung gegnerischer Strafraum. Aushilfsstürmer Golz: "Der Trainer hat mich am Tag vor dem Spiel gefragt, ob ich es mache. Leider konnte ich in den knapp zehn Minuten nicht so viel zeigen."

Weil der HSV über eine lange Verletztenliste klagte, hatten die Hamburger beim DFB beantragt, drei Amateure einsetzen zu dürfen. Dies wurde dem HSV verweigert. Die Aktion war ein stiller Protest vom punkigen Coach Felix Magath gegenüber dem DFB. Heute feiert Felix Magath seinen 70. Geburtstag. Und doch sollte sich Max Kruse wohl noch nicht so ganz sicher sein, nicht doch eines Tages noch einmal unter dem Trainer Magath auf dem Platz zu stehen. Alles Gute und Glück auf, lieber Felix Magath!

Quelle: ntv.de

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