Redelings Nachspielzeit

Gerd Müller staunte Der fairste Gegenspieler der Bundesligageschichte

Rolf Rüssmann verstarb bereits im Jahr 2009.

Rolf Rüssmann verstarb bereits im Jahr 2009.

Wenn einer der größten Fußballer aller Zeiten seinen Gegenspieler so überschwänglich und ungewöhnlich für seine faire Spielweise lobt, dann muss etwas dran gewesen sein an seiner Einschätzung. Heute wäre Rolf Rüssmann, von dem Gerd Müller einst sprach, 75 Jahre alt geworden.

"Mein fairster Gegenspieler war Rolf Rüssmann von Schalke 04. Der hat sich bei mir schon immer vor dem Foul entschuldigt." Für den Rekord-Torschützen der Bundesliga und Weltmeister von 1974, Gerd Müller, war die Sache klar - auch wenn er selbst über seine Aussage schmunzeln musste. Etwas verwunderlich waren die Worte des ruhmreichen Bayern-Profis schon, denn Rolf Rüssmann, der deutsche Nationalspieler aus dem westfälischen Ort Schwelm, hat schließlich mit dem folgenden Satz (zweifelhafte) Popularität unter den Fußballfans erlangt: "Wenn wir hier nicht gewinnen, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt."

Auch unter den Schiedsrichtern wäre das schmeichelhafte Urteil von Gerd Müller in den Anfängen der Karriere des Rolf Rüssmann wohl eher belächelt worden, schließlich kursiert eine Geschichte aus der Saison 1971/72 bis heute unter Bundesligaanhängern. Beim damaligen Spiel von Fortuna Düsseldorf gegen den FC Schalke 04 gab der legendäre Schiedsrichter Walter Eschweiler einen höchst umstrittenen Elfmeter für die Fortuna und obendrauf eine Rote Karte für den jungen blonden Sportsmann Rolf Rüssmann wegen Beleidigung. Er soll gesagt haben: "Das können Sie Drecksau doch nicht machen!" (Man beachte das höfliche Siezen bei gleichzeitiger Schmähung.) Doch Rüssmann beteuerte damals vehement seine Unschuld: "Auf den Platz gelaufene Zuschauer haben ihn von hinten beschimpft, da drehte er sich nach mir um und wies mich vom Feld!"

"Wenn mir das passiert wäre, ich hätte den Schiedsrichter K.o. geschlagen"

Sein sonst so besonnener Trainer Ivica Horvat kannte übrigens nach Spielschluss kein Halten mehr: "Zwanzig Jahre habe ich Fußball gespielt, nie bin ich vom Platz gestellt worden, aber wenn mir das passiert wäre, ich hätte den Schiedsrichter heute K.o. geschlagen. So einen Elfmeter habe ich noch nie erlebt. Und dann schickt dieser Mann auch noch den Rüssmann vom Platz!" Um das Ganze richtig einordnen zu können: Es sollte in Rüssmanns kompletter Karriere die einzige Hinausstellung bleiben. Und 18 Gelbe Karten in insgesamt 506 Spielen für den FC Schalke 04 und Borussia Dortmund sprechen auch eine deutliche Sprache. Gerd Müller hat wohl mit seiner Einschätzung nicht ganz daneben gelegen.

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Rolf Rüssmann ist neben seiner fairen Spielweise aber auch ein großartiger Fußballer gewesen - wie wohl sie das auf Schalke nicht gleich zu Anfang schon wahrhaben wollten. Denn besonders herzlich wurde das Jungtalent Rüssmann auf Schalke zur Saison 1969/70 nicht gerade empfangen. So standen in seinem Vertrag damals nicht die verabredeten zwei Jahre Laufzeit, sondern nur eins, und als er von den Königsblauen zu Hause abgeholt werden sollte, wartete er vergeblich. Als ihn schließlich der Schalker Vereinswirt in sein Auto einlud und zur Glückauf-Kampfbahn brachte, ließ man ihn dort weitere Stunden alleine in einem Zimmer warten. Rüssmann: "Gegen Abend kam Günter Siebert und meinte: 'Ach ja, du bist auch da.' Ich sprach ihn dann sofort auf den Passus im Vertrag an und meinte, die Sache mit dem einen Jahr müsse doch ein Irrtum sein. Ich erhielt zur Antwort: 'Das hat schon seine Richtigkeit. Dir trauen wir nicht so viel zu, deshalb läuft der Vertrag nur über ein Jahr.'"

Wechsel von Schalke zum BVB

Auf Präsident Günter Siebert sollte "Rolli" Rüssmann viele Jahre später noch einmal treffen, als er Manager auf Schalke wurde. Doch auch diese Zusammenkunft der beiden endete nicht gut. Nur wenige Monate nach seiner Einstellung kündigte Rüssmann wieder, wegen Siebert. Er warf ihm Ahnungslosigkeit und den völlig falschen Umgang mit Geld vor. Rüssmann sollte - auch wenn er das selbst am meisten bedauerte - am Ende recht behalten. Der FC Schalke 04 stieg als Tabellenletzter der Spielzeit 1987/88 völlig verdient ab. Rolf Rüssmann hatte dies kommen sehen, konnte aber nichts mehr machen.

Schon ein paar Jahre zuvor war Rüssmann indirekt an einem Abstieg der Schalker beteiligt gewesen. Mitten in der Saison 1980/81 war Rolf Rüssmann am 1. Dezember von Schalke zum Reviernachbarn nach Dortmund gewechselt. Eigentlich natürlich ein absolutes Unding in normalen Zeiten, doch die Zeiten auf Schalke waren damals alles andere als gewöhnlich. Man kämpfte gegen den Abstieg und hatte einfach kein Geld mehr um die Mannschaft zu bezahlen. Und so war der Transfer vor den finanziell harten Wintermonaten die einzige Rettung für den Klub - und das wusste auch Rolf Rüssmann, der sich quasi für seine Mitspieler und den Verein aufopferte: "Ich habe mich auch bei Spielen unterm Dorfkirchturm für Schalke eingesetzt. Jetzt leiste ich dem Verein einen letzten Dienst und wehre mich nicht gegen einen Transfer, dessen Erlös Schalke vielleicht retten kann."

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Finanziell half die Aktion dem Klub damals zwar, um über die Runden zu kommen, doch der sportliche Verlust von Rüssmann und Abramczik, der ebenfalls zum BVB ging, war zu groß. Schalke stieg ab. Eine Situation, die Rolf Rüssmann eigentlich unter allen Umständen mit seinem Weggang helfen wollte zu vermeiden, denn mit dem Klub aus Gelsenkirchen hatte er auch viele schöne Momente - wie den Pokalsieg 1972 - erlebt. Anfang des Jahrzehnts hatte man auf Schalke eine überaus junge und talentierte Truppe beisammen, die sicherlich, wäre da nicht der unsägliche Bundesligaskandal gewesen - als Rüssmann und seine Mitspieler 2300 Mark für eine Niederlage annahmen ("Das war das mieseste Geschäft meines Lebens") - noch für mehr Furore gesorgt hätte.

"Alle guten Fußballer bekommen Mädchen"

Und dann war da ja noch dieser 15. Dezember 1979 gewesen. Ein schöner und unvergesslicher Tag für Rolf Rüssmann auf Schalke - und heute in dieser Form wohl undenkbar. Erst hatte "Rolli" seinen Klub mit einem Elfmetertor zum 1:0-Sieg über den Hamburger SV geballert und dann hörte er nur Sekunden später über die Stadionlautsprecher, dass er zehn Minuten zuvor Vater einer gesunden Tochter geworden war. Seine zweite. Das weite Rund im Parkstadion jubelte. Und Schalkes Trainer Dietmar Schwager meinte damals begeistert über Rüssmanns Tor und seine Tochter: "Alle guten Fußballer bekommen Mädchen - ich habe auch zwei!"

Mit dem Mann aus Schwelm stand an diesem Tag auch der Schütze des Tors des Jahrhunderts, Klaus Fischer, auf dem Platz. Die beiden spielten insgesamt zehn Jahre zusammen auf Schalke - und sie verband eine innige Freundschaft, die auch später, als Rolf Rüssmann das Ruhrgebiet für seine Manager-Tätigkeiten in Mönchengladbach und Stuttgart verließ, hielt. Als Rolf Rüssmann im Jahr 2009 viel zu früh verstarb, sagte Klaus Fischer über seinen Freund: "Er war der beste Kopfballspieler, den ich je gesehen habe. Er hat sich alles erarbeitet, vorbildlich erarbeitet." Und fair ist er darüber hinaus auch immer geblieben, wie Gerd Müller einst so wunderbar gesagt hat. Am heutigen 13. Oktober wäre Rolf Rüssmann 75 Jahre alt geworden.

Quelle: ntv.de

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