
Volker Finke (Mitte) mit Co-Trainer Achim Sarstedt und Manager Andreas Rettig im Oktober 2001.
Unglaubliche 16 Jahre lang war Volker Finke Trainer des SC Freiburg. In seiner Ära wurde aus einem eher unscheinbaren Verein einer der Sympathieträger der Bundesliga. Seine Spielphilosophie zauberte "einen Mann mehr" aufs Feld. Und statt mit dem Bus fuhr die Mannschaft auch mal im Taxi zum Stadion.
"In der Regel habe ich drei Meinungen. Eine für mich, eine für den Präsidenten und eine für die Presse." Volker Finke war schon immer anders. Erfrischend anders. Und offenherzig und eloquent. In seinen 16 langen Jahren, von 1991 bis 2007, als Cheftrainer des SC Freiburg hat es der gebürtige Nienburger stets verstanden, seine spezielle Philosophie vom Fußball und vom Leben in griffigen Sätzen zu veranschaulichen: "Wo es Geld gibt, muss ich spielen - dieser Denkansatz ist einfach falsch. Es gibt viele Fußballer, denen es lieber ist, der Kopf einer Maus zu sein, als der Schwanz eines Löwens."
Was er mit diesem Satz aus den Anfängen seiner Zeit als Trainer des SC Freiburg genau meinte, zeigte sich viele Jahre später an einem konkreten Beispiel. Als die Vertragsverhandlungen mit dem Nachwuchsspieler aus den eigenen Reihen, Jürgen Gjasula, zu scheitern drohten, sagte Volker Finke: "Es kann doch nicht sein, dass hier ein Jugendspieler mit Anwalt und Berater aufläuft, um sich 15 garantierte Profieinsätze in den Vertrag schreiben zu lassen, nachdem er sich in der Schule abgemeldet und sich ein Cabrio zugelegt hat."
Das Gebaren des jungen Jürgen Gjasula stand in einem so krassen Gegensatz zur gelebten Freiburger Philosophie, dass Finkes Empörung am Ende nur zu einer Entscheidung führen konnte: der Trennung von einem Spieler, der den gemeinsamen Freiburger Weg offensichtlich nicht mitgehen wollte (oder einfach nicht verstanden hatte, was diese Idee genau ausmacht).
Von Havelse in den Süden der Republik
Denn zum SC Freiburg in der Ära Volker Finke gehörte auch stets das Thema Sparsamkeit dazu, wie eine Anekdote aus der Saison 1993/94 zeigt. Damals spielten die Breisgauer in Dresden und sollten für eine Busreise zum Stadion - mit einer Distanz von einem knappen Kilometer - 600 Mark bezahlen. Das sei zu viel, entschied Trainer Volker Finke und ließ fünf Taxen vor dem Hotel vorfahren: "Der Bus ist einfach zu teuer. Da setzen wir uns doch lieber für 7,80 Mark ins Taxi."
Und siehe da: Nach dem 2:1-Sieg machte den Freiburger die Fahrt in den kostensparenden Beförderungsmitteln gleich noch einmal so viel Spaß. Diesmal auf direktem Weg zum Flughafen. Denn das eingesparte Geld wurde in die allererste Flugreise in der Bundesligageschichte der Freiburger investiert.
Ein paar Jahre hatte Volker Finke Ende der 80er-Jahre zuerst als Studienrat für Sport, Gemeinschaftskunde und Geschichte gearbeitet, bevor er als Trainer des TSV Havelse in die 2. Bundesliga aufstieg. Doch obwohl es der bis dahin größte Erfolg der Vereinsgeschichte für den Klub aus dem Norden der Republik war, trennten sich die Wege von Finke und Havelse alsbald.
Es ist dem damaligen Präsidenten des SC Freiburg, Achim Stocker, zu verdanken, dass er Finke in den Breisgau holte. Es war der Moment, als aus dem Sport-Club Freiburg der Verein wurde, den wir heute alle kennen. Das kongeniale Duo ergänzte sich perfekt. Volker Finke damals: "Ich bin froh, dass ich einen Präsidenten habe, mit dem ich Tag und Nacht über Fußball reden kann."
Drei Aufsteige und zweimal Europapokal in einer Amtszeit
Und schon kurz darauf schwärmte die ganze Republik vom stimmungsvollen Freiburger Dreisamstadion und seinen Zuschauern. "Diese Fans sind mindestens genauso gut wie die in Dortmund oder Kaiserslautern", sagte Finkes Trainerkollege Rainer Zobel. Und vor allem waren sie auch richtig laut. Leverkusens Andreas Thom musste gar ein Interview nach Spielschluss abbrechen: "Ich versteh kein' Ton, ey!" Leider passten nur knapp 15.000 Anhänger in das Stadion des Sport-Clubs. Deshalb dachte Trainer Volker Finke damals augenzwinkernd bereits über innovative Ideen nach: "Ich glaube, ich werde die Trainerbank verbreitern lassen, damit wir mehr Platz für Zuschauer haben!"
Dreimal (1993, 1998 und 2003) schaffte Volker Finke in seiner Amtszeit den Aufstieg in die 1. Bundesliga und erreichte 1995 und 2001 die Qualifikation für den UEFA-Pokal. Und trotz aller Erfolge wusste er schon früh in seiner Karriere im Jahr 1994 die Grenzen des SC richtig einzuschätzen: "Dass Freiburg Meister wird, ist so wahrscheinlich wie ein Europacup-Gewinn von Darmstadt 98." Und obwohl Finke stets den Eindruck eines gesunden Ehrgeizes vermittelte, hatte sein Auftreten auch immer etwas lässiges: "Ich finde, in dem kleinen Leben, das man hat, muss man sich nicht quälen, nur um zu sagen: Ich bin Bundesliga-Trainer."
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Ein Erfolgsfaktor in seinen ersten Jahren als Coach des SC Freiburg war sicherlich die für die Bundesliga ungewohnte Spielphilosophie der Breisgauer. Diese spezielle Form der Raumdeckung der Freiburger, mit der sie im Mittelfeld eine Überzahl erreichen wollten, war in der Liga komplett neu. Sie erhielt den Namen "Chinesisches Modell" und wurde von Finke selbst so beschrieben: "Ganz, ganz viele laufen sehr viel und helfen sich gegenseitig." Das Ergebnis sah dann laut Bayern-Profi Thomas Strunz so aus: "Es wirkte immer so, als ob die Freiburger mit einem Mann mehr spielten." Und Christoph Daum konstatierte begeistert: "Freiburg hat lauter Spieler, die zum oberen Bereich der deutschen Mittelstreckenläufer gehören."
Ein Ende mit Turbulenzen
Diese besondere Spielform gepaart mit Finkes Motto - "Fußball kommt von innen heraus: Viel Bauch, viel Gefühl, viel Leidenschaft" - revolutionierte die Bundesliga. Und noch etwas anderes: Freiburg wurde medial als "Studententruppe" bezeichnet, was den gewitzten Keeper Richard Golz schließlich zu dem legendären Spruch verleitete: "Vor lauter Philosophieren über Schopenhauer kommen wir gar nicht mehr zum Trainieren." Erinnernd an diese Zeit meinte der Ex-Stuttgarter Fredi Bobic einmal: "Die Freiburger waren mir immer sehr sympathisch. Dieses Spiel war aber auch immer ein wenig wie Studenten gegen die Landeshauptstadt."
Schon recht früh für Bundesligaverhältnisse eröffneten die Breisgauer im Jahr 2001 bereits ihr Nachwuchsleistungszentrum - das allerdings beim Sport-Club, dem anderen Verein, natürlich nicht so hieß. Der gelernte Pädagoge Volker Finke nannte die Jugendschmiede "Freiburger Fußballschule" und legte stets Wert auf eine umfassende und vielschichtige Ausbildung des Nachwuchses auch abseits des Fußballs.
Die Erfolge gaben Freiburg und Volker Finke lange Zeit Recht. Doch bereits 1992 hatte Finke äußerst weitsichtig gemeint: "Trainer ist ein Job auf Zeit. In dieser Mischung aus Sport und Show können sich Gesichter verbrauchen, wenn man es ein paar Jahre macht." Am Ende dauerte es dennoch unglaubliche 16 Jahre bis für den Mann aus dem Norden Deutschlands Schluss war im Breisgau. Es war leider ein Ende mit Schrecken und Turbulenzen.
"Zwei Tore, da einen rein, da keinen rein. Fertig"
Denn obwohl Volker Finke selbst einmal gesagt hatte - "Fußball ist ein Theater der Eitelkeiten" - konnte er sich selbst von dieser Eigenschaft nicht freimachen. Der Journalist Christoph Ruf hat in seinem Buch über den SC Freiburg, "Erfrischend anders", diese Zeit auf den Punkt gebracht: "In den letzten Jahren seiner Amtszeit konnte man sich mit Finke über einzelne Spieler unterhalten oder über den Fortschritt bei Bauabschnitten im Schwarzwaldstadion - stets schwang unüberhörbar mit, dass da ein brillanter Kopf die Provinz wachgeküsst hatte: er selbst. Falsch war das nicht, wenn man sich an Freiburger Heimspiele in der Vor-Finke-Ära erinnert. Aber da das in Freiburg noch heute nicht einmal seine ärgsten Feinde bestreiten, hätte man es dabei auch öfter mal bewenden lassen können."
Nach seinem Ausscheiden 2007 beim SC Freiburg arbeitete Volker Finke noch als Trainer für den japanischen Klub Urawa Red Diamonds und die Nationalmannschaft von Kamerun und als Manager des 1. FC Köln. Doch sein Name wird vor allem immer und in erster Linie mit den 16 Jahren im Breisgau verbunden bleiben.
Nun feiert der Mann, der einmal den besonderen Charme des Fußballs in diese wunderbare Formel verpackt hat - "Es gibt keine einfachere und zugleich faszinierendere Spielidee: zwei Tore, da einen rein, da keinen rein. Fertig" - seinen 75. Geburtstag. Alles Gute und Glück auf, lieber Volker Finke!
Quelle: ntv.de