Redelings Nachspielzeit

Siggi Held feiert 80. Geburtstag Der legendäre "Schweiger" des deutschen Fußballs

Maskottchen Emma und Sigfried Held (Deutschland) präsentieren 2009 die BVB-Chronik.

Maskottchen Emma und Sigfried Held (Deutschland) präsentieren 2009 die BVB-Chronik.

(Foto: imago sportfotodienst)

Siggi Held ist Vizeweltmeister und Europapokalsieger - und ein "geborener Fußballer", wie einst sein Trainer beim BVB, Willi Multhaup, voller Anerkennung sagte. Doch die allermeisten Fans verbinden mit ihm eine ganz spezielle Eigenschaft, die ihm auch seinen legendären Spitznamen einbrachte.

Auch ein "Schweiger" kann ganz große Sätze sagen. Als mal wieder die unvergessliche Story des Hundebisses in den Allerwertesten des Schalkers Friedel Rausch aus dem Jahr 1969 erzählt wurde, da lächelte die BVB-Legende Siggi Held lange Zeit still vor sich hin, bis er schließlich das Wort ergriff und grinsend meinte: "Eine entscheidende Sache kommt mir bei der Geschichte ja immer viel zu kurz. Man muss doch mal überlegen, was für kluge Hunde wir damals in Dortmund hatten. Die hätten ja jeden auf dem Platz beißen können. Aber nein. Sie haben sich ausgerechnet den Schalker rausgesucht!" Was für wahre Worte.

Und dennoch: Seinen Spitznamen "Der Schweiger" wird Sigfried Held wohl zeitlebens nicht mehr ablegen können - auch wenn er ihn selbst eigentlich nie besonders angemessen fand. Doch die Presse zementierte damals auf vielerlei Ebenen den Grundstein für eine "Legende", wie Held selbst einmal meinte. Schließlich sieht er sich selbst eher als jemanden, der sehr gerne und viel rede, nur eben nicht immerzu und mit jedem. Doch als es damals anfing, dass Journalisten stets mehr Interna für ihre Zeitungen und Magazine in Erfahrung bringen wollten, da sei er eben misstrauisch geworden. Und als ihn eines Tages jemand gefragt habe, wie es ihm denn ginge, da habe er geantwortet: "Wollen Sie mich aushorchen?" Am nächsten Morgen konnte er seinen neuen Spitznamen in der Zeitung lesen. Und der hielt sich.

ANZEIGE
60 Jahre Bundesliga: Das Jubiläumsalbum
1
25,00 €
Zum Angebot bei amazon.de

Als Held zur Spielzeit 1965/66 von Kickers Offenbach zu Borussia Dortmund wechselte, schrieb der "Kicker" über den damals 23jährigen: "Er raucht nicht, trinkt nicht und spart. Siggi Held lebt spartanisch als möblierter Herr in einem Zimmer in Dortmund. Dieses einfache Leben garantiert das ursprüngliche Spiel Helds, seine Explosivität. Held ist ein wortkarger Mann. Viel lieber als er redet, hört er anderen zu." Viele Jahre später meinte der damalige Manager bei Dynamo Dresden, Udo Klug, über seinen Trainer: "Der Siggi redet halt manchmal nichts, sagt dabei aber sehr viel!" So kann man die ganze Sache tatsächlich auch sehen. Und für Held war eh klar, dass seine Hauptaufgabe stets in einem anderen Bereich lag: "Ich bin nicht als Rudi Carrell angestellt."

"Töppen vom Siggi Held ähneln Eishockeystiefeln"

Dabei ist es erstaunlich, wie viele durchaus sehr weise Worte der im Sudetenland geborene und im unterfränkischen Marktheidenfeld aufgewachsene Mann in seiner langen Karriere als Spieler und Trainer gesprochen hat. So meinte er einmal im reiferen Fußballeralter: "Ich wundere mich manchmal, wenn in einem so erfolgsorientierten Gewerbe wie dem Profifußball mehr zwischen jungen und alten als zwischen guten und schlechten Spielern unterschieden wird. Das ist doch nicht wie bei der Papstwahl. Der Papst muss immer katholisch sein. Doch ein guter Fußballer muss nicht jünger als 30 Jahre sein."

Als er dann schließlich mit 32 Jahren unter Trainer Otto Rehhagel spielte, präzisierte er seine Aussage noch einmal: "Im Fußball gibt es keine alten oder jungen Spieler - nur gute oder schlechte". Das ist übrigens ein Satz, den man heute fälschlicherweise eher dem langjährigen Werder-Trainer Rehhagel zuschreiben würde, weil er in Bremen damals viel Lob dafür erhielt, dass er mit Spielern in der Endphase ihrer Karriere, wie Manni Burgsmüller und Klaus Allofs, große Erfolge feierte. Den Satz von Siggi Held übernahm er irgendwann fast eins zu eins. Auch der Vizeweltmeister von 1966 ("Das Alter ist nur in zwei Fällen wichtig: Mit 18 darf man in jeden Film und ab 65 bekommt man Rente") spielte noch weiter, als der nur sieben Jahre ältere Trainer bei Borussia Dortmund, Udo Lattek, ihn schon längst aussortiert hatte. Latteks Begründung damals: "Ich möchte nicht dauernd mit der Luftpumpe am Spielfeldrand sitzen." Und so streifte sich Held noch im Alter von 37 Jahren das Trikot von Bayer Uerdingen über.

Einem Reporter schilderte er damals seinen präzisen Tagesablauf. Zwölf Stunden pro Nacht würde er schlafen. Eier, Butter und Fruchtsaft zum Frühstück einnehmen. Danach einen Spaziergang im Grünen machen. Nichts zu Mittag essen. Und vor der Abfahrt zum Stadion eine Tasse Tee trinken. In der Umkleide würden dann schon ganz spezielle Fußballschuhe auf ihn warten, wie sein Trainer Horst Buhtz zu berichten wusste: "Die Töppen vom Siggi Held ähneln mehr Eishockeystiefeln. Sie umschließen die Knöchelpartien und stützen Schien- und Wadenbeine, alles hält ein Geflecht von Schnüren zusammen, als wolle Siggi ein Motorboot festmachen."

Dass der "Schweiger" auch hier spontan geistreich sein konnte, bewies er damals ein ums andere Mal. Auf die nervige Anrede "Opa" von weit jüngeren Gegenspielern reagierte er vornehm-zurückhaltend, aber bestimmt: "Seit wann duzen wir uns?" Auch in seiner Zeit als Trainer konnte man sich über mangelnde Wortbeiträge nicht beklagen. Gut gelaunt rief Held in Leipzig zu seinen zaghaft agierenden Spielern auf dem Platz: "Sie wollen wohl den Ball nicht verletzten, was?" Und einem allzu eifrigen TV-Team, das sich auf dem grünen Rasen breit gemacht hatte, bot er während des Trainings rhetorisch sehr galant an: "Meine Herren, wenn wir Sie stören, können wir auch woanders hingehen."

Der "geborene Fußballer"

Zum Autor

Einmal übertrumpfte Held gar mit einem einzigen Satz fast ein ganzes, legendäres Spiel. Am 29. April 1978 lief Dortmunds Trainer Otto Rehhagel beim Stand von 7:0 für Borussia Mönchengladbach im Düsseldorfer Rheinstadion aufgeregt zu der Bank seines BVB. Dort stoppte er abrupt und sagte zu Siggi Held: "Sigfried, machen Sie sich warm. Sie kommen gleich." Doch Held machte angesichts der deprimierenden Geschehnisse auf dem Rasen keinerlei Anstalten, irgendetwas zu tun, schon gar nicht aufzustehen und sich die Bänder zu dehnen. Nachdem Rehhagel einige Meter auf der Tartanbahn des Rheinstadions zurückgelegt hatte, steuerte er erneut auf seinen Spieler zu: "Hören Sie nicht? Sie sollen sich warm machen, Sigfried. Ich bring Sie gleich!"

Doch Held zupfte nur an seinen üppigen Augenbrauen, lehnte sich in Ruhe zurück und sah, wie die Tore acht und neun gegen seine Mannschaft fielen. Verständlicherweise war Otto Rehhagel nun endgültig bedient. Fuchsteufelswild sprintete er mit Riesenschritten zur Bank, packte sich seinen tatenlosen Spieler und raunte ihm zu: "Sie wollen mich wohl verarschen, oder?!" Sigfried Held erhob sich langsam von seinem Platz auf der harten Holzbank, schaute Rehhagel ruhig ins Gesicht und sagte dann: "Trainer, mal ehrlich, soll ich die Scheiße etwa noch umbiegen, oder was?!" Danach wurde Otto Rehhagel zum großen Schweiger.

Siggi Held, der heute seinen 80. Geburtstag feiert, hat sein Trainer Willi Multhaup, mit dem er 1966 für Borussia Dortmund den Europapokal ins Ruhrgebiet holte, einmal den "geborenen Fußballer" genannt. Das trifft es auf den Punkt. Alles Gute und Glück auf, lieber Sigfried Held, zum heutigen Ehrentag!

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen