
Zwischen Daum und Hoeneß krachte es regelmäßig.
(Foto: imago images/Sven Simon)
Mehr als 35 Jahre sind sie erbitterte Widersacher. Die Geschichte von Christoph Daum und Uli Hoeneß ist wie ein tragisch-unterhaltsamer Hollywood-Film. Schön, dass es im Moment nach all den Auseinandersetzungen zum heutigen 70. Geburtstag von Christoph Daum nach einem Happy End aussieht.
"Ich bin kein Übermensch. Auch, wenn mir das keiner glaubt." Auf dem Höhepunkt seiner Karriere ist das einer dieser Sätze gewesen, die typisch waren für Christoph Daum. Kein Wunder, dass er sich in der Branche schon früh den Beinamen "Cassius", vom großen Boxer Muhammad Ali, abgeholt hatte: "Ich weiß: Ich bin einzigartig, ich bin einmalig, es gibt kaum Bessere. Es gibt auch andere, die gut sind, aber ich bin einer der Besten. Ich stelle mich nie in Frage."
Die Karriere des Christoph Daum ist die Story eines Hollywood-Films. Eines sehr unterhaltsamen. Die wechselnden Auf und Abs, die Dramen und Tragödien, aber auch die unvergesslichen Triumphe haben den Mann, der heute vor 70 Jahren in Zwickau geboren wurde, geprägt. Seinen letzten großen Kampf führt er aktuell gegen den Krebs - über den Daum sagt: "Er hat sich den falschen Körper ausgesucht." Trotz 22 Chemotherapien hat er sich in den vergangenen Wochen und Monaten von einem Kamerateam für die Sky-Doku "Triumphe & Skandale" begleiten lassen und zahlreiche TV- und Interviertermine absolviert. Angesichts dieser Energieleistung kann man die Worte, die Udo Lattek einst über Daum sagte, gut nachvollziehen: "Er arbeitet wie ein Brummkreisel!"
Es ist kaum zu glauben, dass dieser umtriebige Mann in seinen Anfängen tatsächlich über zwei Jahre auf eine Schreibmaschine, die er über die FC-Geschäftsstelle geordert hatte, gewartet haben soll. Doch diese Geschichte erzählt er immer wieder gerne in der Rückschau über sich selbst. Damals gingen die wenigsten davon aus, dass seine Karriere von Dauer sein würde.
"Wenn man dich Großmaul nennt, hast du es geschafft"
Als er 1988 während der Fußball-Europameisterschaft Franz Beckenbauer vorhielt, auf die falschen Spieler gesetzt zu haben, reagierte der Kaiser sehr entspannt: "Was kümmert es den Mond, wenn der Hund ihn anbellt?" Daum nutzte diese Antwort zu einem weiteren verbalen Schachzug: "Man müsse sich fragen, ob es sich um einen zunehmenden oder abnehmenden Mond handelt". Echte Freunde sind die beiden nie geworden, auch wenn sie damals die Sache mit einem gemeinsamen Bier begradigen konnten.
Daums Devise war es immer: "Hilfreich ist natürlich, ein unbegrenztes Selbstvertrauen zu haben. Wenn man dich Großmaul nennt, hast du es geschafft." Und so versprach Kölns Trainer den FC-Fans einmal an Silvester 1988, zur neuen Saison einen absoluten Kracher fürs Mittelfeld holen zu wollen. Er wolle den Sohn des legendären Pelé nach Köln transferieren. Die Geschichte sorgte natürlich für Begeisterung. Ein echter Pelé im Müngersdorfer Stadion! Die erfolgshungrigen FC-Anhänger jubilierten bereits. Doch die Sache hatte einen Haken: Osvaldo spielte zwar Fußball, aber erstens nicht sonderlich erfolgreich und zweitens auch noch im Tor.
Aber das wusste Daum bereits, als er den Journalisten die sensationelle Nachricht unterbreitete. Mit einem Lächeln auf den Lippen entschuldigte er sich später: "Sorry, war nur ein Werbegag. Aber ich musste doch mal wieder einen raushauen, oder?!" Immer alles unter dem Motto: "Ich bin für alles zu haben, was die Bundesliga interessant macht. Bei einer Flaute lässt sich auch keine Regatta fahren. Ich sorge für frischen Wind."
Epischer Schlagabtausch im Sportstudio
Und so reizte er die Liga und allen voran die Bayern, bis es am 20. Mai 1989 zu dem legendärsten Gespräch kam, das je im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF stattgefunden hat. Das Rededuell zwischen Christoph Daum und Udo Lattek auf der einen und Uli Hoeneß und Jupp Heynckes auf der anderen Seite ist in die Bundesliga-Geschichte eingegangen. Nachdem der FC-Trainer in einem Interview gesagt hatte: "Ich habe Heynckes überall gesehen: in Venlo, in Rotterdam und im Fernsehen. Aber wir sind wie die Königskinder. Wir kommen nicht zusammen", gelang es ZDF-Moderator Bernd Heller vor dem Duell des 1. FC Köln gegen den FC Bayern München am 31. Spieltag im Müngersdorfer Stadion, die vier Streithähne zu sich ins Studio einzuladen.
Dort war die Stimmung spürbar angespannt. Es entspann sich eines der seltsamsten Gespräche, die je im deutschen Fernsehen geführt wurden. Die besondere Dramatik ergab sich allerdings aus der Vorgeschichte. Über Wochen hatte der Kölner Trainer verbale Attacken Richtung München und dort vor allem auf den Coach Jupp Heynckes gefahren. Daum ließ sich zu Äußerungen wie "Heynckes könnte auch Werbung für Schlaftabletten machen" oder "Jeder Wetterbericht ist aussagekräftiger als ein Gespräch mit Heynckes" hinreißen.
Als er auch noch sagte: "Die Münchner Journalisten haben mich nach dem Unterschied zwischen Heynckes und einem großen Trainer gefragt", war Bayern-Manager Uli Hoeneß richtig sauer: "Das Semester der Rhetorik hat der Daum wohl versäumt." Auch Heynckes teilte nach dem ersten Schock kräftig aus: "Der Daum ist eine billige Lattek-Imitation. Er hat zu viel Hafenstraßen- und Kreuzberg-Niveau. Er hätte den Knopf finden müssen, um sich abzustellen, der braucht doch Medikamente gegen Höhenrausch." Das Tischtuch zwischen Daum und Hoeneß war nach dieser Auseinandersetzung erst einmal für viele Jahre zerschnitten.
Die Voodoo-Kräfte des Christoph Daum
Doch Daum war damals nicht nur der Dampfplauderer und ein Liebling der Medien, sondern auch ein Trainer der neuen Generation. Sein Spieler Pierre Littbarski schwärmte in seinem Buch "Litti. Meine Geschichte" regelrecht von ihm: "Daum war nicht nur ein Trainer, der sehr viel von Taktik verstand, sondern er konnte die einzelnen Spieler und die ganze Mannschaft auch hervorragend motivieren, da war er ein richtiger Künstler. Er hatte jeden Tag originelle Ideen und war immer wieder in der Lage, uns mit irgendetwas Neuem zu überraschen, da besaß er eine fast unbegrenzte Energie. Er meinte, dass das beste Training ohne Abwechslung langweilig wird und die Spieler dann keine Lust mehr haben mitzuziehen. Das immer gleiche Schema frustriert. Darum ließ er sich ständig etwas einfallen: Einmal brachte er eine Aerobic-Lehrerin mit, das gab natürlich ein großes Hallo, und alle machten dann schon allein aus 'Spaß an der Freud' mit."
Ulf Kirsten erzählte einmal darüber, was Daum bei den Spielern für wundersame Dinge bewirkte: "Wenn du einsfünfzig bist, sagt er, du bist einsachtzig. Und du legst dich mit jedem an, weil du es glaubst." Mitspieler Paulo Sérgio glaubte sogar an höhere Mächte: "Ich stehe seit unserer Mitternachtsbesprechung im Bann des Zauberers Daum. Jetzt glaube ich sogar, dass unser Coach über geheimnisvolle Voodoo-Kräfte verfügt!"
Als Daum 1986 Cheftrainer beim 1. FC Köln wurde, ging alles sehr schnell. Unter seiner Leitung gewann der FC häufiger, als dass er verlor. Daum sagte Sätze wie diesen: "Das war heute eine Mannschaft, die hatte eine Blutgruppe. Und diese Blutgruppe lautete Sieg." Nach seiner überraschenden Entlassung in Köln schlug der VfB Stuttgart schnell zu und verpflichtete den "Siegertyp" (Selbstbeschreibung Daum) im November 1990.
Anderthalb Jahre später waren der VfB und Christoph Daum Deutscher Meister. Der Triumph wurde genüsslich ausgekostet, doch lange auf den eigenen Lorbeeren ausruhen, das gab es unter einem Trainer Daum nicht: "Wir haben im letzten Jahr viel erreicht. Aber die Meisterschale steht in der Vitrine, die Bilder kleben in den Fotoalben. Wir schlagen jetzt ein neues Kapitel auf. Noch sind da lauter leere Blätter. Aber wir werden darauf die Geschichte unserer Titelverteidigung schreiben." Das klappte dann allerdings nicht.
Uli Hoeneß und die Aktion "Keine Macht den Drogen"
Mit Bayer Leverkusen unternahm er dann schließlich einen neuen Versuch. Kein einfaches Unterfangen, wie Daum selbst am besten wusste: "Für so ein Ding muss ein Rädchen ins nächste greifen. Alle müssen hoch konzentriert sein. Das ist wie bei der NASA. Die haben schon zig Raketen in den Himmel geschickt. Aber vor jedem Start arbeiten alle so konzentriert, als wäre es das erste Mal."
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Und es lief richtig gut für Bayer. So gut, dass selbst Uli Hoeneß nervös wurde und sein berühmtes "Kommando Attacke" in München startete: "Der Daum wird in 100 Jahren nicht vor uns Meister sein!" Als Hoeneß von jemandem vorgeschlagen wurde, bei einem Abendessen mit Daum mögliche Missverständnisse auszuräumen, sagte der Bayern-Manager nur: "Dazu hätte ich nicht unbedingt Lust. Ich glaube nicht, dass mir das viel bringen würde. Das wäre ein sehr anstrengender Abend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man mit Daum Spaß haben könnte." Am Ende wurde Leverkusen in einem dramatischen Finale tatsächlich nur Zweiter hinter dem FC Bayern München.
Die Jahre danach wurden für Christoph Daum turbulent und abwechslungsreich. Nachdem er schon als designierter Bundestrainer vorgestellt worden war, prasselte im Herbst 2000 die legendäre Kokain-Affäre auf ihn ein. Die Lawine ins Rollen hatte damals Uli Hoeneß in einem Interview mit der "Abendzeitung" gebracht: "Der DFB kann doch keine Aktion 'Keine Macht den Drogen' starten, und Herr Daum hat damit vielleicht etwas zu tun."
Die ewigen Widersacher versöhnen sich
Der Bayern-Manager meinte damals abschließend: "Wenn alles Fakt ist, worüber geschrieben wurde, auch unwidersprochen, über den verschnupften Daum, dann kann er nicht Bundestrainer werden. Ich habe noch keinen Beweis. Aber wenn ihn einer erbringt, dann mache ich das nicht mit." Es war vorerst das Ende von Christoph Daum als Trainer in Deutschland. Doch Franz Beckenbauer antwortete in diesen dramatischen Stunden, auf die Frage, ob Christoph Daum nach den Drogenvorwürfen noch einmal Trainer werden könne, schon fast prophetisch: "Ja, wenn Gras über die Sache gewachsen ist."
Es dauerte tatsächlich nur sechs Jahre, dann heuerte Daum wieder in Deutschland bei seinem 1. FC Köln an. Seinen wahrscheinlich letzten Einsatz in der Bundesliga - bei Christoph Daum weiß man ja nie - hatte er im Jahr 2011. Damals verpflichtete ihn Frankfurts Heribert Bruchhagen entgegen dem Rat vieler Kollegen. Besonders Uli Hoeneß war erstaunt und erschrocken über Bruchhagens Aktion: "Da muss irgendwie ein Pulver im Kaffee der Bundesliga gewesen sein, allgemein. Und er hat vielleicht auch etwas da drin gehabt."
Umso mehr muss man eine Aktion der jüngeren Vergangenheit würdigen. Für seine Dokumentation hat Christoph Daum im Sommer auch seinen langjährigen und härtesten Widersacher Uli Hoeneß getroffen. Man kann beiden - und ganz besonders natürlich dem ehemaligen Bayern-Manager - hoch anrechnen, dass es nach all den erbittert geführten Auseinandersetzungen zu diesem Treffen gekommen ist.
Am Ende steht nach dieser Zusammenkunft tatsächlich das von Daum erhoffte "Signal an die Gesellschaft", das er im Nachhinein emotional so formulierte: "Was rüberkommt, ist, dass Leute, die sich bekämpft haben, sich wieder zusammensetzen, wieder miteinander statt übereinander sprechen und wieder Brückenbauer sind." Ein schöneres Schlusswort kann es zum 70. Geburtstag nicht geben. Alles Gute und Glück auf, lieber Christoph Daum!
Quelle: ntv.de