
Die Gegentore bereiten Thomas Letsch Kopfzerbrechen.
(Foto: IMAGO/Michael Weber)
Die Klubs in den unteren Tabellenregionen kassierten am Wochenende teils verheerende Klatschen. Auffällig ist, dass der klassische Abwehrspieler früherer Tage heute ausgedient hat. Auch die eher schlechter besetzten Vereine wollen mitspielen - mit teils üblem Ausgang!
In Bochum waren sich die VfL-Fans nach dem Spiel am Samstag gegen Borussia Mönchengladbach einig: An so eine (erste) katastrophale Halbzeit konnten sich selbst die älteren Anhänger nur schwer erinnern. Und auch Trainer Thomas Letsch blieb in seiner schieren Fassungslosigkeit nur der blanke Zynismus: "Wir sind auf dem Weg zu einem neuen Rekord!" Einen Tag später - emotional wieder etwas abgekühlter - schob er noch hinterher: "Es ist nicht so, dass wir sagen: Ey geil, 19 Gegentore, weiter geht's, wird schon passen - nein."
Wenn die Borussia aus Mönchengladbach am Samstag im Ruhrstadion auch nur jede zweite ihrer zahlreichen Chancen genutzt hätte, das Ergebnis wäre in jedem Fall zweistellig ausgefallen. 27 Mal schossen die Gladbacher am Ende auf das Bochumer Tor - und VfL-Trainer Letsch fand dafür eindeutige Worte: "Das ist ein Skandal. Da werden wir genau schauen, warum, wieso, weshalb und dann werden wir adaptieren."
Und während Bochum noch fleißig überlegte, was man wie in Zukunft besser machen könnte, legte der SV Werder Bremen mit einer erstaunlichen Nichtleistung am Sonntag in Darmstadt nach. Die Kritik von Stürmer Marvin Ducksch hörte sich in ihrer Art und Weise fast schon frappierend identisch zu den Bochumer Worten tags zuvor an: "Eine absolut verdiente Niederlage. Wenn du erst nach dem 1:4 anfängst, Fußball zu spielen, hast du das Spiel absolut verdient verloren. Wie wir uns die Gegentore fangen, ist bodenlos. Wenn du so verteidigst - ob es Aufsteiger sind oder nicht - wird es schwer, in der Bundesliga Punkte zu holen."
"Unser Abwehrverhalten war bekannt doof"
Vor Wochen bereits hatte der mittlerweile nach Dortmund abgewanderte Nationalspieler Niclas Füllkrug den Finger in die Werder-Wunde gelegt, als er nach der Pleite in der ersten DFB-Pokalrunde bei Viktoria Köln meinte: "Wir sind unserem Ruf wieder gerecht geworden und verteidigen schlecht. Unser Abwehrverhalten war bekannt doof." Nach der Niederlage gestern in Darmstadt sah Bremens Trainer Ole Werner allerdings die Schuld an den vier Gegentoren nicht alleine bei der Abwehr. Auch hier waren die Worte des Werder-Coachs fast deckungsgleich zu den denen aus Bochum: "Wir waren nicht auf dem Platz, was den Widerstand, die Emotionalität und die Intensität betrifft. Wir haben auf einen frühen Rückschlag nie eine Antwort gefunden. Das ist total enttäuschend und viel zu wenig, um Bundesliga-Fußball zu spielen".
Es ist schon erstaunlich, wie viele Tore die allermeisten Vereine in der unteren Tabellenregion bereits kassiert haben. Bochum eben jene 19, Darmstadt 18 und Mainz 17. Kaum besser sieht es bei Augsburg (15), Werder und Mönchengladbach (jeweils 14) aus. War es zu früheren Zeiten durchaus üblich, dass knallharte Abwehrspieler durch ihre aggressive Spielweise den Gegner so lange und so weit wie möglich vom eigenen Kasten fernhielten, um hinten die berühmte Null zu halten, ist es heute so, dass es kaum mehr Situationen gibt, in denen diese Qualität überhaupt zum Tragen kommt. Auch die eher schlechter besetzten Mannschaften probieren, mit ihren Spielsystemen sich aktiv am Geschehen zu beteiligen, wie der Bochumer Stürmer Philipp Hofmann nach der verheerenden Klatsche gegen Borussia Mönchengladbach erzählte: "Wir sind vorne angelaufen, haben dann aber nicht durchgeschoben und dann muss man kein Pressing spielen."
"Sonst wäre das schlimm"
Die angekündigten Analysen in Bochum, Bremen und anderswo werden hoffentlich ergebnisoffener geführt, als beim VfL ("Jetzt stellen wir alles infrage, aber wir sind schon überzeugt von dem, was wir hier machen. Sonst wäre das schlimm", Thomas Letsch), doch am Ende werden sie aller Voraussicht nach dennoch alle zum identischen Schluss kommen: Genau so weitermachen! Denn eine andere Option haben die meisten Vereine auch gar nicht mehr. Die Kader sind nach den neuen Systemen ausgerichtet, sprich, die Klubs haben überhaupt nicht die Spieler, um zu einer eher klassischeren Art der Verteidigung zurückzukehren. Beton anrühren und erst einmal auf die Null zu setzen, ist also keine Möglichkeit für die Vereine unten.
Für die Liga heißt das, dass man sich auch in den kommenden Wochen und Monaten auf viele torreiche Begegnungen wird freuen können. Für die Fans der Klubs am Tabellenende heißt das allerdings, dass sie noch manch traurigen Nachmittag der Fassungslosigkeit erleben werden. Die meisten Schießbuden der Bundesliga werden weiter existieren - so bitter das für die Vereine und ihre Anhänger auch ist.
Quelle: ntv.de