
Joe Kinnear im Jahr 2008 als Manager von Newcastle United.
(Foto: IMAGO/PA Images)
Mit Joe Kinnear ist ein echter Typ gestorben. Die Fußballfans auf der Insel trauern nicht nur um einen außergewöhnlichen Trainer, sondern auch um einen Menschen, der die Massen bewegte. Legendär wurde er spätestens durch eine Pressekonferenz, auf der er rekordverdächtig Schimpfwörter benutzte.
Irgendwas war immer im Leben von Joe Kinnear. Als der Ire im Herbst 2008 einen auf sechs Spiele befristeten Interimsjob als Trainer von Newcastle United antreten sollte, erinnerte die FA ihn daran, dass er noch eine Sperre von zwei Partien absitzen müsse. Dummerweise hatte er bei seinem letzten Verein das Abschiedsspiel dazu genutzt, den Schiedsrichter einen "kompletten Blödmann" zu nennen.
Die Verantwortlichen der Magpies waren selbstredend schier aus dem Häuschen, als sie nach der Vertragsunterzeichnung von der Sperre erfuhren. Dem wortgewaltigen Kinnear war das aber egal, schließlich verhielt sich die andere Seite seiner Meinung nach auch recht selten fair: "Als Trainer wirst du schon gefeuert, wenn du nur einmal in die falsche Richtung furzt."
Möglicherweise hatte Kinnear schon bei seiner Vorstellung damals in Newcastle etwas quersitzen, denn in seiner ersten Pressekonferenz rastete der Trainer komplett aus. In nur fünf Minuten ließ er 52 Schimpfwörter gegen die anwesende Medienschar los. Immer wieder brüllte er ein dahingerotztes "Fuck off!" in den Raum. Dabei ist der Beginn der Pressekonferenz noch wie immer gewesen. Doch dann fragte Kinnear nach Simon Bird vom "Daily Mirror" und nach Niall Hickman vom "Express". Nachdem sich beide mutig zu erkennen gegeben hatten, wurden sie vom Iren aufs Heftigste für ihre Berichterstattung beschimpft. Bird nannte Kinnear einen "Sauhund" und Hickman bezeichnete er als "durchgeknallt".
Die Geschichte mit dem Schlafwagen-Fußballer
Als der Pressesprecher von Newcastle United sich um Schadensbegrenzung bemühte, war es bereits ein verzweifelter Versuch und ein Akt der Hilflosigkeit: "Kommen wir zurück zum Fußball. Einigen wir uns darauf, dass alles, was bisher gesagt und eventuell auf Band aufgenommen wurde, vom Tisch ist. Reden wir nicht mehr drüber." Die Ursache für Kinnears Schimpftirade war wohl vor allem ein Bericht des "Mirror", der geschrieben hatte, dass der Trainer als erste Amtshandlung der Mannschaft und sich selbst einen Urlaubstag gegönnt habe.
Joe Kinnear konnte man vieles vorwerfen, aber eines ganz sicher nicht: Seine Zunge hätte er sich eher abschneiden lassen, als dass er sie gezügelt hätte. Als damals in Newcastle aus dem Interimsverhältnis doch noch eine Festanstellung wurde, nahm der Ire erst einmal einige Spieler aus seinem Kader genauer unter die Lupe. Dabei fiel ihm auf, dass er die Eigenschaften seines Profis Charles N'Zogbia am besten mit dem Spitznamen "Insomnia" auf den Punkt bringen könnte.
Verständlicherweise war der französische Nationalspieler nicht ganz so glücklich darüber, als Schlafwagen-Fußballer bezeichnet zu werden. Glück im Unglück und ein Stück Genugtuung für N'Zogbia: Er wechselte zu Wigan und während Kinnear mit Newcastle am Ende der Saison abstieg, hielt der Franzose mit seinem neuen Verein die Klasse.
Als Joe Kinnear seinen eigenen Spieler verpflichten wollte
Jahre später kehrte der Ire zurück zu den Magpies, diesmal als Manager des Klubs. Doch auch bei diesem Versuch war das Glück nicht auf seiner Seite. Kinnear erlaubte sich einen kapitalen wie legendären Bock. Ständig auf der Suche nach neuen Spielern hatte der Ire bei Birmingham einen wieselflinken und überaus talentierten Linksaußen entdeckt. Ein Rohdiamant, wie er meinte, den man auf der Stelle verpflichten müsse.
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Und so lief Kinnear direkt nach Spielschluss zu den Verantwortlichen von City und machte ihnen unmissverständlich klar, dass er ohne diesen Nachwuchsmann nicht nach Hause fahren würde. Da könnten sie sich auf den Kopf stellen und machen, was sie wollten, eins wäre klar: Dieses Talent würde noch an diesem Tag nach Newscastle wechseln.
Die Offiziellen von Birmingham City wussten nicht, ob sie lachen oder weinen sollten. Auf jeden Fall hatte schon lange niemand mehr einen so schlechten Scherz mit ihnen getrieben. Denn der heißbegehrte Linksaußen hieß Shane Ferguson, war seit 2009 ein Magpie und erst seit dem Sommer an City ausgeliehen. Als der Fall öffentlich wurde, war klar: Joe Kinnear hatte keine Ahnung gehabt, dass sich Ferguson bereits im Besitz von Newcastle befand. Kübel von Hohn und Spott der eigenen Fans und Medien wurden in den darauffolgenden Tagen über den Iren ausgekippt.
Der Sauhund, der es verdient, gefeiert zu werden
Seine besten Jahre hatte Kinnear beim FC Wimbledon. Damals klappte es auch auf der Erfolgsseite: "Für uns ist die Teilnahme an der Premiership in etwa so, als ob wir in einem Nuklearkrieg mit Pfeil und Bogen kämpfen würden." Und als er eines Tages seinen Job wegen eines Herzinfarkts aufgeben musste, meinte Klub-Besitzer Sam Hamman über das Verhältnis zu seinem Trainer: "Joe und ich sind uns so nah, dass wir zusammen in einer Unterhose leben könnten."
Und trotz seiner Garstigkeit ("Was ich über Spielerberater denke? Hunde, Würmer, Ungeziefer") hat sich Joe Kinnear eine Sache immer bewahrt: Seinen Humor. Als er zwischendurch mal wieder arbeitslos war, besprach er seinen Anrufbeantworter mit den folgenden Worten: "Ich bin gerade weg. Falls Sie jemand aus dem Vorstand von Barcelona, Real Madrid oder dem AC Mailand sind - ich bin gleich bei Ihnen. Der Rest kann warten."
Vergangenen Sonntag ist Joe Kinnear im Alter von 77 Jahren verstorben. Die Fußballfans auf der Insel trauern um einen echten Typen. Und auch der Journalist, Simon Bird, den Kinnear bei der unvergesslichen Pressekonferenz damals wüst beschimpfte, sprach sein Beileid auf. Auf eine Weise, die Kinnear selbst gefallen hätte: "Joe Kinnear hat mich einen Sauhund genannt, aber sein bemerkenswertes Leben verdient es, gefeiert zu werden."
Quelle: ntv.de