Redelings Nachspielzeit

"Weniger labern, mehr machen" Panischer VfL Bochum klammert sich an Plan D

Heiko Butscher soll die Klasse halten.

Heiko Butscher soll die Klasse halten.

(Foto: IMAGO/Treese)

Beim VfL Bochum gibt es Irrungen und Wirrungen nach der Entlassung von Thomas Letsch, doch nun steigt Heiko Butscher als interne Lösung auf. Der Autor hat mit dem neuen Coach des VfL eine besondere Geschichte erlebt - und hofft auf einen ebenso glücklichen Ausgang in diesem Jahr.

In einem Monat ist es genau ein Jahr her. Letzter Spieltag der Saison 2022/23. Der VfL Bochum muss im heimischen Ruhrstadion unbedingt gegen Bayer Leverkusen gewinnen, um die Klasse zu halten - und Heiko Butscher, der jetzt als neuer Trainer des VfL Bochum vorgestellt wurde, und ich sind knapp 80 Kilometer vom Bochumer "Schmuckkästchen" an der Castroper Straße entfernt.

Wir sitzen Punkt 15.30 Uhr auf einer Wiese am Möhnesee und starren auf einen kleinen Bildschirm, der notdürftig und provisorisch in eine Baumgabel gelegt wurde, damit möglichst viele eine freie Sicht auf die Sky-Übertragung aus dem Ruhrstadion haben. Um uns herum eine Horde von Kindern, die jeden Ausfall des Internets mit Kreischen begleiten. Schweren Herzens haben Heiko, ich und ein paar andere Eltern entschieden, bei der E-Jugend-Mannschaft unseres Bochumer Vereins zu bleiben, die übers Wochenende ein Turnier im Sauerland spielt.

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Jetzt, hier, weit entfernt vom Ruhrstadion sind wir plötzlich nicht mehr so sicher, ob die Entscheidung tatsächlich die richtige war. Das Bangen aus der Ferne ist noch nervenzerreißender, als wir uns das alle vorher vorgestellt hatten. Doch dann fliegt bereits in der achten Minute der Bayer-Spieler Amine Adli mit Rot vom Platz - genau in dem Augenblick, als mal wieder die Sky-Übertragung für einen Moment zusammengebrochen ist. Doch über die Ticker der Handys ereilt uns die Meldung dennoch. Die ersten Kinder reißen die Arme hoch. Es ist eine Atmosphäre und ein Tag, den niemand von uns je vergessen wird.

Am Ende dieses denkwürdigen Nachmittags hat der VfL Bochum nicht nur Bayer Leverkusen mit 3:0 besiegt, sondern auch souverän die Klasse gehalten. Der Rückweg zu den Zelten der Kinder am Turnierplatz der Sportvereinigung Möhnesee wird teilweise auf allen vieren zurückgelegt. Auch Heiko Butscher stimmt freudetrunken mit den Knien auf dem Asphalt robbend das Lied "So geh'n die Bochumer" an. Der Klassenerhalt ist gesichert. Ein Tag zum Einrahmen neigt sich dem Ende zu. Noch ein letztes Mal stimmen die Kinder und wir gemeinsam mit viel Power ein Lied an: "VfL Bochum, kämpfen und siegen!"

Butscher ist nicht die erste Wahl

Damals, in der Saison 2022/23, hatte Heiko Butscher schon einmal für ein Spiel als Interimslösung ausgeholfen. Nach sechs verlorenen Partien unter dem alten Trainer Thomas Reis hatte der ehemalige Spieler des VfL Bochum gemeinsam mit dem Team bei einem 1:1 gegen den 1. FC Köln den ersten Punkt der Saison für den Klub von der Castroper Straße geholt. Und ein Satz von Heiko Butscher von damals ist hängengeblieben. Bei der Pressekonferenz vor der Partie gegen Köln hatte der Mann aus Leutkirch im Allgäu gemeint: "Weniger labern, mehr machen!" Ein Satz, der auch ganz allgemein für den neuen Trainer des VfL Bochum stehen könnte. Denn Heiko Butscher ließ damals gegen Köln gleich Taten folgen, als er es wagte, dem erst 18-jährigen Tim Oermann zu seinem Profi-Debüt zu verhelfen. Mittlerweile zählt der gebürtige Bochumer zum festen Stamm des Kaders und wird wohl auch für die Partie am Samstag gegen den FC Heidenheim (15.30 Uhr/Sky und im ntv.de-Liveticker) eine Option für die Startelf sein.

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Doch Heiko Butscher wird es - obwohl er seit vielen Jahren beim VfL und in Bochum seine Heimat gefunden hat - nicht leicht haben. Nach der gestrigen Entlassung von Thomas Letsch hat der Verein ganz offensichtlich mit mehreren Trainern geliebäugelt. Bekannt wurde in jedem Fall das Anbändeln mit Peter Stöger, der dem Klub aber nach einer kurzen Bedenkzeit absagte. Zudem hat die U19, die Butscher bis heute betreute, in dieser Saison häufig nicht unbedingt überzeugt. Verständlich, dass die Fans deshalb in den sozialen Medien ihre Bedenken äußern: "Zum Kotzen. Der Butscher bekommt ja nicht einmal seine U19 auf die Reihe." Und: "Butscher wird erst durch diverse Absagen zum Plan A und hat eine Aufgabenstellung vor der Brust, die für ihn komplettes Neuland ist."

"So geh'n die Bochumer"

Die vergangenen Tage und Wochen haben beim VfL Bochum viel verbrannte Asche hinterlassen. Denn spätestens durch den Rauswurf von Letsch und die Irrungen und Wirrungen bei der Verpflichtung seines Nachfolgers ist auch die sportliche Leitung in den Fokus der Kritik der Fans geraten. Für die Gesamtstimmung im Verein ist das alles natürlich nicht förderlich. Doch tatsächlich könnte sich der Plan D bis F bei der Trainer-Verpflichtung von Butscher im Nachhinein noch als Glücksfall herausstellen. Denn Butscher kennt den Verein nicht nur in- und auswendig, sondern er wird bei der Wahl der Spieler für die Startelf sicherlich besonders darauf achten, wer in diesen schweren Zeiten alles für den Klub gibt. Bei einigen auslaufenden Verträgen und designierten Abgängen ist das aller Voraussicht nach keine leichte Aufgabe für den neuen Mann am Ruder des VfL.

Man kann Heiko Butscher deshalb als Fan dieses Vereins nur alles Gute für diese schwierige Mission wünschen - und dass er nach dem letzten Spieltag wieder ausreichend Grund hat, robbend auf allen vieren das Lied "So geh'n die Bochumer" anzustimmen.

Quelle: ntv.de

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