DFB-Fiasko crasht Schweden-Plan "Löws Elf wird zurückschlagen"
23.06.2018, 16:18 Uhr
Vor dem "WM-Finale" gegen Schweden leidet Fußball-Deutschland angesichts des drohenden WM-K.-o. An Schnappatmung. Johan Flinck nicht. Der Nationalmannschafts-Reporter vom schwedischen "Aftonbladet" sagt: "Ich glaube an Löw." Trotz WM-Fehlstarts prophezeit er mindestens die Halbfinal-Teilnahme für das DFB-Team. Das deutsche Auftaktfiasko sei aber auch für Schweden ein Schock gewesen, räumt Flinck ein: Weil der Weltmeister jetzt zurückschlagen werde. Qualitativ sei die DFB-Elf einfach drei, vier Tore besser als Schweden - wenn der Kopf mitspielt. Denn Flinck warnt nicht nur vor Leipzig-Profi Emil Forsberg, sondern auch: Schwedens "Kollegenteam" hat überhaupt keinen Druck, denn: "Sie können alles gewinnen."
In Deutschland hat die WM-Auftaktniederlage gegen Mexiko einen Schock ausgelöst, vor allem die Leistung in der ersten Halbzeit. Wie war es in Schweden?
Wir waren auch geschockt. Die WM-Geschichte zeigt ja, dass Deutschland bei Turnieren im ersten Spiel immer sehr gut spielt und hoch gewinnt, 5:0, 4:0. Und dass sie im zweiten Spiel oft nicht ganz so gut sind, da sogar schon mal verlieren. Das schien unsere Chance zu sein. Jetzt könnte es genau andersrum kommen. Normalerweise macht Deutschland ein schlechtes Spiel im Turnier, oft war es das zweite. Jetzt hatten sie dieses Spiel zum Start. Ich glaube, das ist ein Problem für Schweden.
Also eher ein deutscher Ausrutscher als der Anfang vom Ende für den Weltmeister?

Flinck begleitet die schwedische Nationalmannschaft seit zehn Jahren für das "Aftonbladet". Auch in Russland ist er bei allen Spielen dabei.
(Foto: Aftonbladet)
Ich denke, sie werden zurückschlagen. Schauen Sie sich die Mannschaft und die Spieler an. Ich wäre nicht überrascht, wenn sie bis ins Halbfinale kommen oder das Turnier sogar gewinnen. Also ja, sie werden zurückkommen. Das ist nicht gut für Schweden. Andererseits: Die Deutschen sind nach dem sehr schlechten Spiel gegen Mexiko unter großem Druck. Sie sind bei einer WM noch nie so früh ausgeschieden. Vielleicht ist dieser mentale Aspekt ein Vorteil für Schweden. Das schwedische Team hat nach dem Sieg zum Auftakt gegen Südkorea überhaupt keinen Druck. Niemand macht Schweden Druck.
Eine deutsche Zeitung vorgeschlagen, dass Schweden - genau wie Mexiko - einfach sehr offensiv spielen sollte, weil das DFB-Team erneut einen defensiven Gegner erwartet. Wie realistisch sind stürmende Schweden?
Ich glaube nicht daran. Schweden hat seine Spielweise mit einer sehr kompakten Abwehr. Auch mit Kontern. Aber es ist für mich sehr schwer vorstellbar, dass Schweden wie Mexiko mit fast dem gesamten Team kontern wird. Bei Schweden fühlt sich ein Konter eher wie Zufall an. Du schlägst einen langen Ball nach vorne und hoffst, dass etwas passiert. Mexiko hatte außerdem einen Spieler nur für Toni Kroos abgestellt, …
… als Manndecker.
Das ist nicht die Art und Weise, wie Schweden jemanden aus dem Spiel nehmen würde. Wir haben noch nie einen Manndecker auf einen einzelnen Spieler angesetzt. Natürlich wollen wir Kroos und seine gefährlichen Pässe stoppen. Aber wir werden das anders machen als Mexiko.
Der schwedische Trainer Janne Andersson erwartet keine Überraschung in der deutschen Startaufstellung. Welche taktischen und personellen Änderungen erwarten Sie?
Nach der Pressekonferenz scheint es so, als würde Mario Gomez im Sturm spielen. Timo Werner ist ein Spieler, der etwas mehr Platz braucht, weil er so schnell ist. Aber Schweden wird sehr tief stehen, es wird nicht viel Platz geben. Vielleicht braucht Deutschland da einen Stürmertypen wie Gomez. Ich glaube auch, Khedira wird nicht spielen. Hummels ist verletzt, Hector kommt links in die Abwehr zurück. Müller wird spielen, Özil wohl auch - und Reus wird zurückkehren.
Welchen deutschen Spieler fürchtet Schweden am meisten?
Sie werden Kroos fürchten. Aber vielleicht denke ich das auch nur, weil wir die schwedischen Spieler nach ihm gefragt haben. Und natürlich Müller, er hat zehn Tore bei zwei Weltmeisterschaften geschossen. Und Reus. Alle deutschen Mittelfeldspieler sind Weltklasse. Aber ich würde trotzdem sagen: Toni Kroos.
Mario Gomez und Joachim Löw waren sich einig, dass bei Schweden ohne Ibrahimovic die Mannschaft der Star ist.
Ja, es ist jetzt ein Kollegenteam.
Aber welcher Schwede könnte dem DFB-Team gefährlich werden?
Emil Forsberg.
Also den, den sie am besten kennen, weil er in der Bundesliga für RB Leipzig spielt.
Genau. Aber er ist der Spieler, der etwas Besonderes machen kann.
Was er zum WM-Start gegen Südkorea nicht gezeigt hat.
Das stimmt, und er war auch in allen drei Spielen bei der EM 2016 schlecht. In Schweden ist er für sein erstes WM-Spiel kritisiert worden. Die Leute fragen sich: Ist Forsberg nicht der Mann für große Spiele? Weil jeder denkt, er ist unser bester Fußballer. Kapitän Andreas Granqvist ist auch fantastisch. Aber nicht in der Weise, dass er den Unterschied ausmachen kann. Emil Forsberg kann das - aber er muss das jetzt in großen Spielen und großen Turnieren auch zeigen.
Der deutsche Trainer Joachim Löw hat sich in Tagen nach dem Mexiko-Debakel sehr entspannt gezeigt, aber bis Freitag nichts gesagt. Wie wurde das in Schweden interpretiert?
Wir sind daran gewöhnt. In Schweden gibt Janne Andersson eine Pressekonferenz zum Anfang, wenn das Team zusammenkommt und dann erst wieder vor dem Spiel. Zwischendurch redet er nicht. Man trifft ihn natürlich, sagt: Hallo, wie geht's? Aber es gibt keine Zitate. Löws Schweigen war deshalb in Schweden überhaupt kein Thema.
In der Spiel-Pressekonferenz hat sich Löw betont entspannt gegeben und angekündigt: Das DFB-Team wird eine Reaktion zeigen. Hat er Sie überzeugt?
Ja. Ich musste kurz drüber nachdenken. Aber ich mag es, dass er nicht das gesamte Team wegen eines Spiels umbaut. Es ist so, wie er gesagt hat: Sie sind Topspieler, die auf dem höchsten Niveau spielen. Seit drei, vier, fünf, sechs Jahren, jede Woche. Natürlich sind sie als Mannschaft unter großem Druck, und natürlich sind Khedira und Özil vielleicht im Moment nicht so gut drauf, weil sie stark kritisiert wurden. Aber Löws Weg ist der beste: Er schützt seine Spieler und stellt wegen einer Niederlage nicht alles auf den Kopf. Ja, ich glaube an Löw. Er ist sehr cool in diesen Situationen. Unter Löw hatte das deutsche Team noch nie solchen Druck, weil sie noch nie das erste Spiel verloren hatte. Aber sie hatten natürlich andere Drucksituationen. Normalerweise hat Löw dann nicht viel geändert und sie haben wieder gewonnen. Alles war vergessen und Deutschland wieder in der Spur.
Abhängig vom Ergebnis zwischen Südkorea und Mexiko könnte Schweden die Deutschen aus dem Turnier werfen - den amtierenden Weltmeister, nach zwei Spielen. Kapitän Granqvist und Trainer Andersson waren sich einig: Das ist extra Motivation. Könnte es nicht auch Extradruck sein?
Ich glaube nicht, dass sie irgendeinen Druck spüren. Sie können alles gewinnen in diesem Spiel. Aber der größte Ansporn ist, dass sich Schweden einen Platz im Achtelfinale sichern könnte. Das ist die Motivation - nicht, Deutschland rauszuwerfen. In Schweden schätzt man den deutschen Fußball, drei unserer Spieler kicken in der Bundesliga. Das ist nicht mehr das alte Deutschland der 1980er und 1990er. Das deutsche Team spielt jetzt sehr guten Fußball und das schon seit mehreren Jahren. Die schwedischen Spieler mögen diese Spielweise. Aber natürlich wollen sie Deutschland rauswerfen.
Wie geht das Spiel aus?
2:0 für Deutschland. Von der Qualität her sind die Deutschen drei oder vier Tore besser. Aber die schwedische Abwehr ist so stark, es werden nicht so viele Gegentore. Selbst, wenn es zur Pause schon 2:0 stehen sollte. Es gibt diesen Teamgeist in der schwedischen Mannschaft. Sie werden sich nicht demütigen lassen wie Argentinien.
Mit Johan Flinck sprach Christoph Wolf
Quelle: ntv.de