Fußball-WM 2018

Zapp Maier - Die TV-WM-Kolumne Manchmal sieht man ohne Augen besser

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(Foto: picture alliance / dpa)

Die Weltmeisterschaft ist fast zu Ende. Hinter uns liegt ein vierwöchiger öffentlich-rechtlicher Fußball-Einmaleins-Marathon. Zeit, sich mit den TV-Höhepunkten zu beschäftigen. Und mit den Tiefpunkten.

Klare Gewinner der WM: Die Fans.

Klare Gewinner der WM: Die Fans.

(Foto: REUTERS)

Kurz vor dem großen WM-Showdown finden sich in der Presse die ersten Fazits. Dabei geht es natürlich in erster Linie um sportliche Belange. Welche Mannschaft konnte überzeugen? Welches Underdog-Team heimste die meisten Sympathien ein? Und nicht zuletzt: Bei welchen Rückkehrern herrscht der größte Frust? Fußball-Fanatiker können sich in den kommenden Tagen definitiv auf jede Menge Lesestoff freuen. Es wird vor allem um Gewinner und Verlierer gehen. Fokussiert man sich jedoch auf die TV-Berichterstattung, dann haben die Hochs und Tiefs der vergangenen vier Wochen nur wenig mit taktischen und spielerischen Entwicklungen zu tun.

Abseits von standardisierten Fußball-Interna setzten Ganzkörper-Plüsch-Garderoben, rosafarbene Fußumhüllungen und aufschäumende Grenzlinien dicke Ausrufezeichen, was vor den heimischen Bildschirmen oder den überdimensionalen Public-Viewing-Großbildleinwänden wahlweise für schmunzelnde, begeisterte oder erzürnte Gesichter sorgte.

Tränen plätschern auf Klarsichtfolie

Zu den größten Gewinnern gehören sicherlich die Fans vor Ort. Angestachelt von Erinnerungen an Turniere der jüngeren Vergangenheit, bei denen die TV-Regie bereits einen hohen Wert auf die Verbreitung von kunterbuntem Tribünentreiben legte, präsentierten sich Menschen aus aller Welt auch diesmal wieder von ihrer kreativsten Seite. So hüpften auf den Rängen der Stadien wildgewordene Amazonas-Papageien, in Watte gezwängte Superhelden und farbenfrohe Bodypainting-Exhibitionisten um die Wette.

Hier und da wurde die Over-the-top-Grenze sicherlich auch überschritten - aber in Anbetracht der teilweise doch recht drögen Vorstellungen auf dem Rasen, wirkten immer wiederkehrende Kamera-Einspieler von den Rängen für den TV-Zuschauer wie ein auflockernder Spontanauftritt von Hape Kerkeling bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg. Teilweise paarten sich aufkommende Emotionen und skurrile Garderoben dermaßen innig, dass selbst dem Zuschauer vor dem Fernsehgerät der eine oder andere Gänsehautschauer über den Rücken lief. Wer musste zu Hause nicht zum Taschentuch greifen, als ein ergrauter Brasilien-Fan nach dem Halbfinal-Supergau sein mitgebrachtes Pokal-Replikat unter Tränen an eine sichtlich gerührte Deutschland-Anhängerin übergab? Auch der schluchzende, in Klarsichtfolie eingebettete Junior von Arjen Robben sorgte einen Tag später für Herzschmerz-Anfälle auf der ganzen Welt.

Lichtblick Mehmet Scholl

Auf dem Rasen hingegen bot sich nur wenig fürs Gewinner-Treppchen an. Weder pinkfarbene Töppen noch sich flächendeckend auf den heiligen Grünflächen ausbreitende Sprühsahne-Smileys verdienten sich stehende Ovationen. Auch während der Halbzeitpausen kam es nur selten zu lauthals vorgetragenen Lobgesängen. Der Unterhaltungswert von Spielanalysen eines Oliver Kahn ist bekanntlich in etwa genauso groß, wie die Aussicht auf ein Fair-Play-Botschafter-Engagement für Luis Suarez. Lediglich Mehmet Scholl konnte hier und da den einen oder anderen komödiantischen Nadelstich setzen. Glücklicherweise hält sich der Pausentee nur eine Viertelstunde auf Betriebstemperatur. Wehe dem, der Herrn Blatter dazu ermutigt, über eine Verlängerung der Halbzeitpause nachzudenken.

Apropos Sepp Blatter: Der Fifa-Präsident präsentierte sich dem TV-Zuschauer zwar nur selten in Fleisch und Blut, doch auch ohne Live-Präsenz schwebte der machtbesessene Schatten des Rundleder-Oberhaupts wie eine nicht enden wollende Schlechtwetterfront über den Arenen Brasiliens. So wurden die hochbezahlten Fifa-Regisseure dazu angehalten, auf eine porentief reine Berichterstattung zu achten. Flitzer, protestierende Einheimische und Transparent-verliebte Fans hatten nur Sekundenbruchteile zur Verfügung, um die Weltöffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen. Ein seit Jahren immer wieder hinaus posauntes Blatter-Statement wie: "Die gezeigten Gefühle auf und neben dem Platz liegen mir seit jeher besonders am Herzen", animiert dann zwangsläufig zu globalen Lachanfällen.

Auch wenn das Finale noch aussteht, kann man in punkto TV-Resümee bereits jetzt sicherlich schon feststellen: Ebenso wie die geschundenen Mannen von Jogi Löw und Alejandro Sabella mussten auch die Fernsehzuschauer in den vergangenen vier Wochen jede Menge Grätschen, Ellbogenchecks und Trikotzupfereien über sich ergehen lassen. Ab übermorgen werden dann die Wunden geleckt. Das kann dauern. Zwei Jahre sollten dafür aber reichen; denn dann rollt der internationale Turnierball erneut von einer Ecke des Bildschirms zur anderen. Mal schauen, wer sich dann in Frankreich als Gewinner und Verlierer präsentiert.

Quelle: ntv.de

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