Fußball-WM 2018

Nach Russlands WM-Auftaktsieg Presse feiert "Entdeckung des Fußballs"

Russlands Presse kann überraschend Positives vermelden.

Russlands Presse kann überraschend Positives vermelden.

(Foto: Katrin Scheib)

Am Morgen nach dem überraschend klaren Sieg Russlands im WM-Eröffnungsspiel dominieren Freude und Verwunderung die Berichterstattung russischer Medien. Es werden aber auch die Schwächen der Sbornaja benannt.

Begeistert und auch ein wenig perplex, so lesen sich die Berichte russischer Zeitungen am Morgen nach dem 5:0 gegen Saudi-Arabien. An einem Tag, an dem viele Redaktionen wohl schon Texte mit dem Tenor "Hauptsache, wir sind gute Gastgeber" vorbereitet hatten, konnten die Sportjournalisten russischer Medien nach dem deutlichen Sieg im Eröffnungsspiel unverhofft positive Überschriften formulieren.

"Danke, Männer, weiter so!", überschreibt die Zeitung "Sport Express" ihren Aufmacher auf der Titelseite, und weiter: "Gestern fand die Eröffnung der WM 2018 statt. Die russische Auswahl vernichtete Saudi-Arabien und überraschte damit das Land, die ganze Welt und wahrscheinlich auch sich selbst." Dazu gibt es großformatige Fotos aller fünf Tore und eine Spielanalyse: "Russland ging nicht bloß nach vorn, es stürmte los. Die seltenen guten Momente, die wir in den Freundschaftsspielen gesehen hatten, sind zu einer ausgereiften Waffe geworden. Sie feuerte bereits in der ersten Hälfte." Auch die Probleme der Russen werden aber klar benannt, neben Alan Dzagoevs Verletzung und eher schwachen Leistungen von Smolov und Samedov sieht "Sport Express" vor allem einen Mangel an Ideen im Spiel nach vorne: Pressing, schön und gut, "aber den Ball zu beherrschen und das Spiel zu kontrollieren, das ist noch nicht unser Ding."

"Russland sah gut aus, aber Saudi-Arabien war absurd schwach", titelt die Website "Bombardir", die nach dem russischen Wort für "Stürmer" oder "Torschütze" heißt. Nationaltrainer Stanislaw Tschertschessow habe sich sichtbar auf den Gegner vorbereitet, habe auf Ratschläge gehört und die richtige Taktik ausgewählt. Ein paar Absätze später dann aber auch die Warnung: "Saudi-Arabien ist kein Maßstab. Das ist die wichtigste Schlussfolgerung aus dem Eröffnungsspiel."

Auf Tschertschessow blickt auch "Moskowski Komsomolez" und gönnt sich auf der Seite eins eine echte Kalauer-Überschrift: "Tschertschessow isst Pizzas", so müsste man sie wortwörtlich übersetzen - sie bedeutet aber auch: "Tschertschessow vernascht Pizzi", den italienischen Trainer der saudi-arabischen Mannschaft. Die populäre News-Seite "Lentach" bekam sich vor lauter Toren gar nicht mehr ein und twitterte ein Katzenfoto nach dem nächsten, alle mit schockiertem Gesichtsausdruck.

 

Neben Spielszenen ist es vor allem ein Foto, das man am Morgen danach in vielen Medien sieht: Wladimir Putin in einer Loge mit Fifa-Chef Gianni Infantino und dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Die Bilder zeigen eine Geste, die Putin immer wieder machte, wenn die russische Mannschaft traf: hochgezogene Schultern, ausgebreitete Hände nach dem Motto "Was willst du machen, wir haben halt heute einen Lauf." All das in Richtung des Prinzen, der die Niederlage seiner Mannschaft mit Fassung trug. Schließlich haben Russland und die Saudis noch andere Pläne abseits des Fußballs.

 

"Russlands Nationalmannschaft entdeckt den Fußball," titelt süffisant die Zeitung "Kommersant". Der Ton des folgenden Artikels ist dann deutlich wohlwollender. Vor allem das letzte Tor hat es dem Autor erkennbar angetan, er beschreibt es als Nachtisch nach einem ohnehin schon gelungenen Essen: "Das Süßeste hob sich die russische Nationalmannschaft für zuletzt auf, für die Nachspielzeit. Als Dessert gab es einen in seiner Technik und Genauigkeit genialen Schuss mit dem Außenrist von Tscheryschew. Wann ist jemals einem russischen Fußballer ein solches Meisterstück gelungen?"

Für die "Moscow Times" gelang Russland der Sieg "allen Widrigkeiten zum Trotz". Vor dem Spiel habe der orthodoxe Patriarch Kirill die Gläubigen noch dazu aufgerufen, für das Gastgeberland zu beten, diese Gebete seien nun erhört worden: "In einem Spiel, bei dem die beiden schwächsten Mannschaften des Turniers gegeneinander antraten, erreichte Russland einen unwahrscheinlichen 5:0-Sieg gegen Saudi-Arabien." Ein russischer Fußballfan wird von der "Moscow Times" so zitiert: "Natürlich werden wir gegen Uruguay verlieren, aber ich glaube, wir können Ägypten schlagen und es so als Gruppenzweiter ins Achtelfinale schaffen."

Die kürzeste Überschrift gönnt sich übrigens die Regierungszeitung "Rossijskaja Gaseta": In einem Land, wo im Gegensatz zu Deutschland eine Eins die schlechteste Schulnote ist und eine Fünf die beste, titelt die Zeitung als Fazit des Eröffnungsspiels ganz schlicht: "5+!".

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen