FIFA und der Emir kapern Messi Die schmierige Schlusspointe dieser WM
20.12.2022, 11:57 Uhr (aktualisiert)Viermal hat Lionel Messi vergeblich versucht, Fußball-Weltmeister zu werden. Bei seinem mutmaßlich letzten Versuch gelingt der Coup noch. Doch im größten Moment für sein Land wird der vielleicht beste Spieler aller Zeiten für Symbolpolitik missbraucht.
Die FIFA und Katar wollten das letzte Wort haben, dabei hatte diese Fußball-Weltmeisterschaft ihren Ruf dahingehend gerettet, dass der letzte Eindruck ein guter war. Mit einem betörenden Finale, mit dem faszinierenden Duell der Superstars Lionel Messi und Kylian Mbappé hatte dieses maximal umstrittene Turnier sein Ende gefunden und einen Weg in die sportliche Zukunft gewiesen. Diese wird alsbald ohne Messi stattfinden und dann von Mbappé bestimmt werden. Argentinien hatte sich gekrönt, Messi sein Lebenswerk vollendet. Doch mit diesem Moment voller Emotionen, Tränen und Glück hätte die WM nicht ihr verdientes Ende gefunden.
Es musste noch einmal schmierig werden. Ein letztes Mal. Die FIFA und der Emir von Katar nahmen dem Superstar den größten Moment für sein Land. Statt ihm einfach nur den goldenen Pokal zu überreichen, machten sie ihn zum unfreiwilligen Erfüllungsgehilfen ihrer Gier, ihrer Macht. Ein letztes Mal wurde diese WM politisch instrumentalisiert, dabei sollte der Sport doch dem vertretenen Duktus der Mächtigen das Gegenteil sein. Er war es in Wahrheit die gesamte Zeit nicht.
Messi wurde vom Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, und FIFA-Präsident Gianni Infantino, der sich stets wie eine Mutter vor ihr Lieblingskind, also vor das international heftig kritisierte Katar, warf, in eine Bischt gehüllt. Der Bischt ist ein edles Übergewand, das eigentlich nur bei besonderen Anlässen über einem anderen traditionellen Männergewand vornehmlich im arabischen Raum getragen wird. Das Kleidungsstück wird in Katar vorrangig von wichtigen Personen am Nationalfeiertag - der tatsächlich heute ist - übergezogen.
Augenscheinlich war Messi, der bei seinem Verein Paris St. Germain mit katarischen Millionen zugeschmissen wird, von dem Überstülpen des schwarzen Gewands mit goldenen Bordüren überrascht. Ein passenderes Symbol für die Schatten auf diesem Turnier gibt es wohl nicht. Ob es Messi behagte? Eher nicht. Egal, die Bilder waren in der Welt und Messi lächelte tapfer. Er lächelte an der Seite zweier Menschen, die dem Fußball in diesen Tagen so viel genommen hatten. Die Leichtigkeit, die Begeisterungsfähigkeit.
Es geht um die Inszenierung, alles soll perfekt sein
Dieses Turnier war so überladen von all den Menschenrechtsverletzungen im Vorfeld, von all den Machtproben des Ausrichters während des laufenden Betriebs, dass zumindest hierzulande keine Euphorie aufkommen wollte. Ob das anders gelaufen wäre, wenn Deutschland an diesem Sonntagabend um die WM-Krone gespielt hätte? Ja, vermutlich schon. Aber ein zweites 2006 (Sommermärchen) oder 2014 (Titel in Brasilien) hätte es wahrscheinlich nicht gegeben. An den Tatsachen ändert das aber ohnehin nichts. Die FIFA, der treu ergebene Boss Infantino und Katar haben einmal mehr bewiesen, wie wenig Respekt sie vor diesem Spiel, dem Fußball und den Spielern haben, ihnen geht es in allererster Linie um sich selbst. Um die Inszenierung. Alles soll perfekt aussehen.
Nun ist die Sache so: Erfolgreiche Sportler wurden schon immer für sportfremde Zwecke instrumentalisiert. Der FC Bayern etwa bittet seine Stars regelmäßig zum Paulaner-Werbeshooting - muslimische Spieler verzichten dann auf das Stemmen eines Bierkrugs, immerhin. Aufs Foto müssen sie dennoch. Derartige Beispiele gibt es zahlreich. Aber dass ein autoritär regierter Staat, der Menschenrechte allzu oft verletzt, ein aus westlicher Perspektive befremdliches Frauenbild lebt und repressiv gegen Homosexualität vorgeht, die größte Sportbühne der Welt nutzt - neben der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele - das ist bei aller traurigen Gewohnheit an solche Bilder jedes Mal aufs Neue befremdlich.
Katar hat sich die Macht des Fußballs zu eigen gemacht, um die Macht des Emirats zu zeigen. Nachdrücklich bewiesen beim Bier-Streit, dem Verbot der "One Love-"Binde und dem gekaperten Messi bei der Siegerehrung. Es ist ein Zeichen an die Welt, die sich in vielen Branchen ohnehin schon abhängig von dem Wüstenstaat gemacht hat. Paris St. Germain gehört dem katarischen Staatsfonds und ist das Aushängeschild des WM-Gastgebers, der mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten arbeitet. Dass sich Frankreich auch frühzeitig gegen das Tragen der "One Love"-Binde entschieden hat, wurde auch als Zeichen der wirtschaftlichen Hörigkeit gewertet. Und auch mit Deutschland sind die Verbindungen eng, über die neue Gaspartnerschaft, für den FC Bayern, über Volkswagen oder die Deutsche Bank. Und nun hat sich das Emirat auch noch Messi geschnappt. Für einen kurzen Moment nur, aber er ist in der Welt, das Bild wird seinen Platz in der Ikonografie des Weltsports finden - und liefert die schmierige Schlusspointe dieser WM.
(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 18. Dezember 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de