Abfahrer ohne Olympia-Speed Die Gold-Schlacht der Gelangweilten
10.02.2018, 18:48 Uhr
Ausgebremst.
(Foto: REUTERS)
Die Abfahrtsstrecke in Jeongseon ist ökonomisch und ökologisch umstritten. Sportlich ist sie eine spezielle Herausforderung. Und deshalb könnte der Showdown der Speedstars einer der spannendsten der Geschichte werden.
Ausgerechnet zu den Olympischen Winterspielen bekommen die Abfahrer eine Adrenalin-Pause. Nach den hoch emotionalen und ebenso anstrengenden Klassikern in Wengen, in Kitzbühel und in Garmisch-Partenkirchen, erwartet die Speedfahrer im südkoreanischen Jeongseon am Sonntagmorgen (ab 3 Uhr im Olympia-Liveticker bei n-tv.de) ein Pisten-Langweiler. So drastisch hatte es Christof Innerhofer, der Silbermedaillengewinner von Sotschi, gesagt. Vor zwei Jahren, als die Weltelite antesten durfte, wie es sich im Februar 2018 wohl anfühlen wird. Keine knackigen Stellen, kaum Spektakel. Und mit nur 96 Stundenkilometern in der Spitze war's dem 33-Jährigen Italiener auch deutlich zu gemütlich und langsam gewesen.
Nun, ein bisschen schneller ist es geworden. Nicht aber so schnell, dass der Kurs den Fahrern eine Unsauberkeit verzeiht - was schließlich den Reiz des Rennens ausmacht. "Fehler in den falschen Passagen sind sehr bitter. Das kannst du nicht mehr aufholen. Dafür ist die Geschwindigkeit einfach viel zu niedrig", sagte Andreas Sander nach dem ersten Training. Schlimm findet er das allerdings nicht. Denn ein solcher Streckencharakter kommt dem Deutschen durchaus entgegen. "Ich bin normalerweise ein exakter Fahrer, mache eigentlich nicht so viele Fehler. Das kann für mich daher auch positiv sein." Zuletzt allerdings haben sich die Patzer bei Sander doch gehäuft. In Wengen, in Kitzbühel und auch in Garmisch. "Da habe ich ein paar Top-Platzierungen liegen lassen."
Spannend wird es trotzdem
Um die aber geht es bei Olympia ausschließlich. Konkret sogar nur um Gold, Silber und Bronze. Man kann das gut finden. Oder auch nicht. Aber an einen Vierten, Fünften oder Sechsten erinnert sich die Welt nicht besonders lange. Da deckt sich die sportliche Nachhaltigkeit mit der olympischen. Die beträgt nämlich auch nur ein paar Wochen. Bei acht Sportstätten ist die Nachnutzung ungeklärt. Das große Stadion, wo die historische Eröffnungsfeier am Freitagabend stattfand, wird definitiv abgebaut. Ebenso wie wohl auch die einsame Speedpiste in Jeongseon. Für die unter großem Protest von Umweltschützern doch extra mindestens 50.000 alte und eigentlich geschützte Birken fallen mussten.
Sei's drum. Olympia ist halt mächtig. Olympia liefert nach wie vor die großen Bilder. Und wenn's in Jeongseon schon nicht Kitzbühl'sch wild wird, dann aber vermutlich ungemein spannend. "Es wird eine Schlacht", vermutet Streif-Triumphator Thomas Dreßen. Ein Nervenspiel um die beste Linie. Um die richtige Balance zwischen Aggressivität und Feingefühl. Vielleicht auch ums richtige Material. Ganz bestimmt ein Hundertstelkrimi. "Die Strecke ist nicht spektakulär. Es ist schwer schnell zu sein, aber es ist leicht hier viel Zeit zu verlieren." Und es ist eine Abfahrt, auf der sehr viele sehr gute Chancen haben. "Es ist halt nichts drinnen, wo man groß was verhauen kann. Das ist aber das, was gefährlich ist, da muss jede Kurve sitzen", sagt der Österreicher Max Franz.
Start noch ungewiss
Für den Sieg braucht's daher Perfektion: "Je weniger brutal eine Abfahrtsstrecke ist, umso schwieriger ist es zu gewinnen. Denn dann rückt die Leistungsdichte der Fahrer noch einmal enger zusammen", analysiert Markus Wasmaier, 1992 in Albertville letzter deutscher Olympiasieger in der Abfahrt, in einem Interview mit der "FAZ". Bis zu 15 Fahrer, darunter auch Dreßen und Sander - trotz schwacher Trainingsfahrten -, kommen für den Olympiasieg am Sonntag in Frage. Wenn das Rennen denn überhaupt ausgetragen wird.
Denn die Prognosen der Meteorologen sind denkbar schlecht: Es sind heftige Windböen angekündigt, Bei vier weiten Sprüngen ist das besonders gefährlich. So droht den Speedfahrern womöglich in der ersten Woche gewaltiger Stress. Denn auch am Montag, einem möglichen Ersatztermin soll's kaum besser werden. So würde das Programm dann womöglich so aussehen: Am Dienstag Kombination, am Mittwoch Abfahrt und am Donnerstag Super-G. Und aus der Gold-Schlacht der Gelangweilten könnte ganz plötzlich die Gold-Schlacht der Gestressten werden.
Quelle: ntv.de