Brasiliens Wiedergutmachung Gold-Traum des Weltmeisters platzt
21.08.2016, 01:10 Uhr
Silber für die deutsche Mannschaft.
(Foto: dpa)
Das DFB-Team verliert das Olympia-Finale gegen Brasilien nach Elfmeterschießen. Es ist ein Krimi bis zum letzten Moment. Neymar bringt die Entscheidung und damit Gold für Brasilien. Zwei Jahre nach der WM-Schmach ist die Medaille Balsam für die Seele.
Die deutschen Fußballer haben den historischen Olympiasieg im Hexenkessel Maracana trotz aufopferungsvollen Kampfes auf dramatische Weise verpasst. Zum Abschied von Trainer Horst Hrubesch verlor das leidenschaftlich kämpfende DFB-Team das Traumfinale gegen Gastgeber Brasilien um Superstar Neymar unglücklich mit 4:5 i.E. Nach Verlängerung hatte es 1:1 (1:1, 0:1) gestanden.
Im finalen Shootout versagten Nils Petersen die Nerven. Kapitän Neymar höchstpersönlich verwandelte den entscheidenden Schuss vom Punkt - und machte die Revanche für das 1:7 im WM-Halbfinale 2014 zur Freude von 70.000 frenetischen Fans und Millionen Landsleuten perfekt.
"Es ist trotzdem kein bitterer Moment. Die Jungs haben hier Überragendes geleistet. Wir gehen aus dem Olympia-Turnier als Gewinner, nicht als Verlierer. Ich bin rundum glücklich, auch wenn ich natürlich gerne Gold gehabt hätte", sagte Trainer Horst Hrubesch in der ARD.
Neymar (27.) hatte Brasilien zuvor schon in Führung gebracht, Deutschlands Spielführer Max Meyer (59.) ausgeglichen. Für Rekordweltmeister Brasilien war es nach drei Mal Silber das erste Gold.
Meyer und Co. hatten mit drei Lattentreffern großes Pech, verließen die legendäre Arena aber mit Silber dekoriert und erhobenen Hauptes. Einen Tag nach dem erstmaligen Triumph der Frauen war Doppel-Gold möglich. Hrubeschs Elf rackerte und kämpfte, doch zwei Jahre nach dem WM-Triumph an gleicher Stelle reichte es nicht zum dritten Brasilien-Märchen.
Ein Lattentreffer nach dem anderen
Bei Neymars Freistoß zum 1:0 prallte der Ball von der Unterkante der Latte ins Tor, Keeper Timo Horn kam den Bruchteil einer Sekunde zu spät. "O Maraca é nosso", das Maracana ist unser, sangen die brasilianischen Fans. Daran änderten auch die Aluminiumtests von Julian Brandt (11.), Kapitän Max Meyer (31.) und Sven Bender (35.) nichts.
"Möge Gott mein Land segnen", hatte der große Pelé kurz vor dem Spiel gefleht - und der Allmächtige erhörte ihn. Auf der Tribüne drückte überdies Sprintsuperstar Usain Bolt im Kreise von Neymars Familie die Daumen. Die DFB-Elf hielt mit WM-Kapitän Philipp Lahm dagegen. "Holt euch das Ding! Das Gefühl ist unbeschreiblich - das könnt ihr mir glauben", hatte er zuvor gesagt.
In einem hitzigen, phasenweise wilden Spiel hatte die DFB-Elf vor allem im Mittelfeld Probleme. Als der erfahrene Lars Bender verletzt raus musste (67.), geriet sie mehr und mehr unter Druck. Trainer Hrubesch musste an der Seitenlinie immer wieder zur Ruhe gebracht werden. Vor allem Neymar, der die Schmach von Belo Horizonte verletzt verpasst hatte, machte deutlich, dass es sich hier um eine nationale Angelegenheit handelte. Er sang die Hymne andächtig mit geschlossenen Augen mit, gab den Anpeitscher, er dribbelte und foulte. Mit seinen Tricks übertrieb er es aber. Meyer bestrafte diese Überheblichkeit mit dem ersten sauberen Angriff in Hälfte zwei auf Zuspiel von Jeremy Toljan aus elf Metern. Nach seinem Treffer rannte der Schalker zur Eckfahne und küsste mehrfach den Bundesadler auf seiner Brust. Es war das erste Gegentor Brasiliens im Turnierverlauf (509 Minuten). In der Schlussphase schwanden auf deutscher Seite mehr und mehr die Kräfte, Neymar verfehlte das Tor knapp (78.). In der Verlängerung rettete Horn stark gegen Felipe Anderson (106.).
Löw: Team zeigt "unglaubliche Moral"
Das DFB-Team bekam trotz der Niederlage reichlich Lob. "Unsere Mannschaft hat nicht Gold verloren, sondern Silber gewonnen. Das ist ein riesiger Erfolg, zu dem man nur gratulieren kann", erklärte Bundestrainer Joachim Löw. Die deutsche Mannschaft habe "über das gesamte Turnier eine unglaubliche Moral und großen Zusammenhalt gezeigt. Ich denke schon, dass der ein oder andere Spieler das Potenzial für die A-Mannschaft hat, einige waren ja auch schon mal bei uns", sagte Löw. Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff befand: "Unsere Mannschaft hat den deutschen Fußball bei den Olympischen Spielen großartig vertreten."
DFB-Präsident Reinhard Grindel stellte fest: "Die Mannschaft von Horst Hrubesch hat ein fantastisches Turnier gespielt. In kürzester Zeit ist es gelungen, ein echtes Team zu formen." Das 4:5 im Elfmeterschießen sei für die Brasilianer "sicherlich eine kleine Wiedergutmachung nach dem verlorenen Halbfinale 2014".
Neymar tritt als Kapitän zurück
Nach dem großen Erfolg will Neymar nicht mehr Kapitän der Seleção sein. "Es war eine Ehre, Kapitän zu sein. Aber ab heute werde ich kein Kapitän mehr sein", sagte der 24-Jährige dem brasilianischen TV-Sender SportTV. Der Superstar des FC Barcelona war nach dem WM-Debakel 2014 vom damaligen Nationaltrainer Dunga zum Kapitän ernannt worden. Schon vor den Sommerspielen hatte der Trainer der brasilianischen Olympia-Auswahl, Rogério Micale, den Superstar überreden müssen. "Wir hatten die Diskussion über Neymar als Kapitän. Ich wollte, dass er es macht, er ist die beste Person dafür", sagte Micale. "Es ist eine noble Geste von Neymar, dass er das Amt abgibt."
Quelle: ntv.de, hul/SI/dpa