Mental-Zauberer des Beachvolleyballs Jürgen Wagner - der Goldschmied

Trainer Jürgen Wagner hat Beachvolleyballerin Laura Ludwig und deren Teamkollegin Kira Walkenhorst ins olympische Finale geführt.

Trainer Jürgen Wagner hat Beachvolleyballerin Laura Ludwig und deren Teamkollegin Kira Walkenhorst ins olympische Finale geführt.

(Foto: imago/Eibner)

Mit überraschender Leichtigkeit ziehen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst ins olympische Beachvolleyball-Finale ein. Dass die deutschen Beach-Girls an der Copacabana auftrumpfen, ist auch ein Verdienst von Jürgen Wagner.

Laura Ludwig wusste am Ende nicht, was anstrengender gewesen war. In der Beachvolleyball-Arena an der Copacabana mit ihrer Partnerin Kira Walkenhorst gegen die brasilianische Goldhoffnung Larissa/Talita das Halbfinale zu gewinnen, oder hinterher mit den deutschen Fans die Freude über die sichere olympische Medaille zu teilen. "Ich bin fertig, ich habe keine Stimme mehr", sagte die 30-Jährige.

"Miss Sunshine", so wird sie genannt, strahlte noch mehr als üblich. Vielleicht hätte ihr Trainer Jürgen Wagner sie in diesem Moment sehen sollen. Der fand nämlich trotz des Erreichen des Finals, in dem am Mittwoch um Mitternacht mit den Weltmeistern Agatha/Barbara das nächste brasilianische Team wartet, noch ein kleines Haar in der Suppe: "Ich hatte mir gewünscht, dass sie auf dem Feld noch mehr strahlen." Um dem Gegner zu zeigen, wie sie die Atmosphäre genießen. Wenn das alles ist, was Wagner nach vier Jahren harter Aufbauarbeit noch zu fehlt, ist das nicht viel.

Wagner gilt als Perfektionist, nichts wird dem Zufall überlassen: "Wir spielen heute zu 90 Prozent das, was wir uns vor vier Jahren am Beginn der Zusammenarbeit vorgestellt haben." Wagner weiß ein Gold-Projekt anzugehen. Vor vier Jahren war er noch Trainer von Julius Brink und Jonas Reckermann, mit denen er Gold in London gewann. Mit dem Duo ist er auch Welt- und Europameister geworden. Nach London suchte er eine neue Herausforderung und fand sie in Ludwig und Walkenhorst - die freche Berliner Göre Ludwig, Olympiateilnehmerin 2008 und 2012, Walkenhorst, das Kraftpaket aus Essen, das bis dahin schon zwei Kreuzbandrisse erlitten hatte und während der vierjährigen Aufbauarbeit noch Pfeiffersches Drüsenfieber und eine Knie-OP durchstehen musste.

Raffinierter Mental-Trick

Der 60-Jährige hat die beiden systematisch zusammengeschweißt: "Es ging darum, sich über Teamziele zu definieren und persönliche Belange zurückzustellen. Wenn Du ein gemeinsames Level findest, und das lebst, bist Du auf einem hervorragenden Weg." Wagner hat die Sportpsychologin Anett Szigeti ins Team geholt, die Ludwig und Walkenhorst vor die Aufgabe stellte, aufzumalen, was sie ausmacht, und was zum Team dazugehört. Heraus kam das Motto "1 + 1 = 3", das Szigeti auf grüne Schlüsselanhänger drucken ließ, die alle stets mit sich tragen.

Es ist ein kleines Symbol für die "Wir-Form", die Wagner gern wählt. "Darüber definiert sich das gesamte Team. Du hast zwei Protagonisten, die über allem stehen. Aber alle wissen, dass sie nur als Gesamtkonstrukt Erfolg haben können." Wenn Wagner auf der Tribüne der Beach-Arena sitzt, ist er gedanklich eng verbunden mit den Spielerinnen auf dem Feld. "Ich bin mit meinen Gedanken immer bei ihnen", sagt er, fast ist es, als stecke er in ihren Köpfen. So wie sie es mit den Gegnern machen sollen. "Wenn Du im Kopf des Gegners bist, kannst Du ihn auch steuern oder zumindest beeinflussen."

Kira Walkenhorst und Laura Ludwig stehen im Finale des olympischen Beachvolleyball-Turniers.

Kira Walkenhorst und Laura Ludwig stehen im Finale des olympischen Beachvolleyball-Turniers.

(Foto: AP)

  Laura Ludwig sagte in Rio zu ihrem Coach: "Es ist echt unheimlich, was Du alles so weißt." Und weil er ahnte, was seine Spielerinnen zu leisten imstande sind, hat er sich bei Prognosen nie Zurückhaltung auferlegt: "Wir sind zwei Mal Europameister geworden, haben Grand Slams gewonnen und gegen die Besten der Welt gewonnen. Ich kann nicht um den heißen Brei herumreden, da hält mich jeder für verrückt." Sein Team werde in Rio um Medaillen spielen.

Lebenswerk noch lange nicht vollendet

Wagner empfindet die Favoritenrolle nicht als Rucksack. Larissa/Talita sind damit bei ihren Heimspielen in Rio nicht klar gekommen. Vielleicht hätten sie sich mal einen Wagner'schen Vortrag anhören sollen, wenn er über technische und taktische Weiterentwicklung von Athleten referiert. Oder über die Förderung von Mitarbeitern.

In seiner Sportartikel-Firma in Moers arbeitet Markus Dieckmann als Marketingleiter. Dieckmann war einst Spieler von Wagner und hielt vor drei Jahren eine Laudatio über seinen Chef, als der einen Volleyball-Award überreicht bekam. Damals war sich Dieckmann sicher, das Wagners Lebenswerk längst nicht vollendet ist: "Aber einen Trainer, der schon mehr und bedeutendere Titel gewonnen hat als Jogi Löw, Heiner Brand, Dirk Bauermann und Stelian Moculescu zusammen, den kann man guten Gewissens auch mal zur Halbzeit ehren." In Rio hat Wagner ein neues Kapitel zu seinem Lebenswerk hinzugefügt.

Quelle: ntv.de

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