Ausnahmezustand vor Eröffnung Paris verbarrikadiert sich für Olympia - und verärgert einige

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Paris ist derzeit eine Stadt im Ausnahmezustand. Am Eröffnungstag der Olympischen Sommerspiele herrschen Freude und Anspannung zugleich. Während der Eiffelturm ein Massen-Magnet ist, schimpfen Einheimische über Einschränkungen.

Er ist einfach nicht zu übersehen. Der Eiffelturm überragt alle. Und er zieht sie alle an - die Blicke, die Schaulustigen, die Fotografen. Das Wahrzeichen von Paris steht auf der Liste der weltweiten Sehenswürdigkeiten bei vielen weit, wenn nicht sogar ganz oben. Doch nun ist dieser 330 Meter hohe und 135 Jahre alte Massen-Magnet sogar noch ein wenig attraktiver geworden als ohnehin schon. Denn an seiner Südseite, hin zur Seine, ist das Wahrzeichen der Olympischen Spiele angebracht: die fünf Ringe. Oh là là!

Diese Kombination, das ist dieser Tage zu beobachten, verführt und verleitet Touristen und Einheimische mitunter sogar dazu, sich vor dem Eiffelturm rücklings auf den betonierten Boden zu legen. Was tut man nicht alles für ein ganz ausgefallenes, extra kreatives Motiv. Und wenn es dunkel wird in Paris und dieser "Tour Eiffel" leuchtet, hat er gar die Faszination eines Weihnachtsbaums, sorgt für strahlende Augen und offene Münder.

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Catwalk des Sports

Daran dürfte sich während der heute beginnenden, XXXIII. Olympischen Sommerspiele nichts ändern. Denn der Eiffelturm bietet die Kulisse für Beachvolleyball - und das ist bekanntlich eine Sportart mit Blickfang-Garantie. Direkt vor dem Stahl-Koloss ist der Centre Court. Der Bondi Beach in Sydney war 2000, bei der Olympia-Premiere der Volleyball-Strandvariante, grandios. Die 16.000 Fans fassende Arena an der Copacabana von Rio, wo Laura Ludwig und Kira Walkenhorst 2016 Gold gewannen, verdiente das Prädikat sensationell. Doch diese Beachvolleyball-Bühne in Paris, mit diesem gigantischen Hintergrund, ist schlichtweg atemberaubend.

Überhaupt hat sich die Mode-Metropole chic gemacht, denn die Welt wird in den kommenden Wochen ganz genau auf Frankreichs Hauptstadt schauen. Paris ist der Catwalk des Sports. Die größten globalen Stars sind hier: die LeBron James', Simone Biles', Carlos Alcaraz', Mondo Duplantis' und Rory McIlroys.

Pariser fühlt sich unwohl in seiner Stadt

Olivier Martin interessiert das alles nicht. Der 38-Jährige mit dunklem Vollbart sitzt vor dem Delikatessen-Imbiss im 11. Arrondissement, in dem er seit drei Jahren arbeitet. Vorfreude auf die Sommerspiele? "Kein Stück", sagt er hörbar genervt im Gespräch mit ntv.de. Martin ist Pariser, doch er fühlt sich derzeit in seiner Heimatstadt nicht wohl.

Normalerweise, sagt er, brauche er mit dem Auto für die zehn Kilometer von seinem Haus zum Arbeitsplatz 30 Minuten. Derzeit sind es zwei Stunden. "Zwei Stunden", wiederholt er und hält demonstrativ zwei Finger in die Luft. "So viel Verkehr." Paris heißt zwar die Welt willkommen, aber genau das macht die Stadt eben auch zu einem potenziellen Ziel für Anschläge - und deshalb viele Bereiche, gerade entlang der Seine, zu einer "Zone de haute sécurité", einer Hochsicherheitszone. Selbst, wer dort wohnt, benötigt einen speziellen QR-Code, um nach Hause zu kommen.

Spezielle Eröffnungsfeier auf der Seine

Alle Brücken über den Fluss sind gesperrt, denn Paris 2024, das werden die ersten Olympischen Spiele, die nicht mit einer Feier in einem Stadion eröffnet werden, sondern mit einer großen Zeremonie auf der Seine. Tausende Athleten, Trainer und Betreuer werden auf 90 Booten knapp fünf Kilometer den Fluss entlang durch Paris schippern. Sicherlich, eine coole Idee, doch Simon Riondet, Chef der Pariser Polizei-Spezialeinheit BRI, spricht von einer "zusätzlichen Herausforderung."

Rund 45.000 Polizisten und Soldaten werden heute Abend im Einsatz sein - zu Lande, zu Wasser und in der Luft. 650 von ihnen gehören zu einer Eliteeinheit mit Scharfschützen und Spezialisten zur Befreiung von Geiseln. Hinzu kommen knapp 22.000 private Sicherheitskräfte. Außerhalb des Pariser Zentrums wird es in einem Umkreis von 150 Kilometern eine Flugverbotszone geben. In der Seine kommen 100 Minen-Taucher zum Einsatz. "Wir bereiten uns auf etwas vor, das nicht erwartet wird", betont Riondet.

Eingeschränktes Straßennetz, doppelte Ticketpreise

Für Einheimische wie Olivier Martin bedeutet das: Barrikaden, Durchfahrtsverbote, Umleitungen - kurzum: Einschränkungen überall. Insgesamt 44.000 Metall-Gitter wurden errichtet. Zudem stehen zwischen dem 15. Juli und dem 15. September 185 Kilometer des Pariser Straßennetzes ausschließlich akkreditierten Fahrzeugen zur Verfügung. So sollen Athleten, Offizielle, aber auch Sicherheitspersonal von und zu den Wettkampfstätten gebracht werden. Wer mit seinem Privatfahrzeug diese Fahrbahnen benutzt, muss 135 Euro Strafe zahlen.

Martin lässt deshalb längst sein Auto stehen und nimmt stattdessen die U-Bahn. Doch deren Preise haben sich vor Beginn der Sommerspiele verdoppelt, vorn zwei auf vier Euro pro Fahrt. "Stell' dir das mal vor", seufzt er. Und so wie er würden viele denken, sagt Martin. Nachbarn, Kollegen, Freunde, die Taxen fahren - alle seien unzufrieden.

"Größte Sicherheits-Operation der Geschichte"

Olympische Spiele, sagt er, das sollte Freude sein, Glück, Zufriedenheit. Und vor allem ein Event ohne Restriktionen. Doch das ist längst Illusion und das Gegenteil der Fall. Französische Behörden, so war zu erfahren, hätten im Vorfeld der Spiele Backgroundchecks bei rund einer Million Menschen durchgeführt, die sich für das Event beworben hatten - vom freiwilligen Helfer, über Trainer und Betreuer bis hin zu Journalisten und Lieferanten. Nach offiziellen Angaben seien dabei 4350 potenzielle Sicherheits-Gefährder identifiziert worden.

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Staatspräsident Emmanuel Macron nennt diese Sommerspiele "die größte Sicherheits-Operation in der Geschichte" des Landes. Patrouillierende Polizisten und Soldaten mit Maschinenpistolen im Anschlag sind deshalb derzeit ebenso auf den Straßen, an den Flughäfen und vor den Wettkampfstätten zu sehen wie die vielen internationalen Olympia-Touristen.

Wenn heute Abend diese XXXIII. Olympischen Sommerspiele eröffnet werden, wird der Eiffelturm garantiert wieder der Blickfang sein, der er immer ist - und tolle Bilder in die Welt hinaus liefern. Olivier Martin wird seinen Fernseher nicht einschalten. Er wird auch zu keinem Wettkampf gehen. Nein, der 38-Jährige zählt bereits die Tage, bis das Olympische Feuer erloschen, der Ringe-Zirkus vorbei ist - und er endlich wieder in 30 Minuten und ohne Umwege zur Arbeit fahren kann.

Quelle: ntv.de

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