"Warum sollte ich mich ändern?" Gomez kontert Kritiker Scholl aus

Mario Gomez präsentiert sich locker und gelöst auf der PK in Danzig.

Mario Gomez präsentiert sich locker und gelöst auf der PK in Danzig.

(Foto: dapd)

Mario Gomez ist Mittelstürmer und hat gegen Portugal das gemacht, was sein Job ist: Er hat getroffen, zum deutschen Auftaktsieg. Trotzdem steht der Bayern-Angreifer im Mittelpunkt einer aufgeregten Diskussion, weil ausgerechnet ein Bayern-Trainer ihn hart kritisiert. Doch Gomez reagiert ganz unaufgeregt und präsentiert ein gestärktes Selbstvertrauen.

Es bleibt dabei: Mario Gomez macht es seinen Gegnern schwer und seinen Kritikern leicht. Gegen Portugal hat er ein Tor geschossen, das einzige der Partie. Für Teamkollege Mats Hummels schlicht ein Weltklassetreffer, für Gomez eine der wenigen gelungenen Aktionen. Aber auch das erste Turniertor seiner DFB-Karriere, die nun auch schon 53 Spiele lang ist, und in der er 22 weitere Tore erzielt hat.

Trotzdem beschäftigt Fußballdeutschland seit Samstagabend nicht die erfreuliche Tatsache, dass Gomez seine überragende Torquote vom FC Bayern mit zur EM gebracht hat und deshalb gegen Holland schon der Viertelfinaleinzug perfekt gemacht werden könnte. Sondern eine Phantomdebatte: Die, ob Gomez, Mittelstürmer von Beruf, nicht noch mehr machen müsste als Tore schießen.

Ausgelöst hat sie TV-Experte Mehmet Scholl mit seiner Häme, die er dann doch nicht hämisch verstanden haben wollte. Ein Bayern-Trainer, der vor einem Millionenpublikum einen Bayern-Spieler kritisiert, nachdem der "gefühlsmäßig das schönste und wichtigste" Tor seiner Länderspielkarriere erzielt hatte. Das ist ein Aufreger.

Die meisten Tore nach Messi

Schulmäßig drückt Gomez den Ball mit dem Kopf in die lange Ecke des Tores.

Schulmäßig drückt Gomez den Ball mit dem Kopf in die lange Ecke des Tores.

(Foto: dpa)

Die gute Nachricht für Fußballdeutschland ist: Mario Gomez ist ganz unaufgeregt und will bei der EM auch weiter Tore schießen. "Ich glaube, ich bin in den letzten fünf, sechs Jahren der erfolgreichste Stürmer gewesen. Ich habe in der Champions League, im modernen Fußball, in der modernen Champions League, die meisten Tore nach Messi geschossen", betonte Gomez bei der DFB-Pressekonferenz in Danzig und schob selbstbewusst die Frage nach: "Ich möchte wissen, warum es einen Grund gibt, warum ich mich ändern sollte."

Der Matchwinner gegen Portugal ließ keinen Zweifel daran, dass er sich auch als erste Wahl gegen die Niederlande sieht. "Nein", lautete die knappe Antwort auf die Frage, ob er am Mittwoch in Charkiw einen Platz auf der Bank fürchte. Bundestrainer Joachim Löw hatte personelle Änderungen vor dem zweiten Gruppenspiel zuvor offen gelassen, Gomez aber demonstrativ gestärkt. Für die Scholl-Kritik, der dem Bayern-Angreifer anders als Löw ("Mario hat gut gearbeitet") mangelnden Einsatzwillen unterstellt hatte, blieb nur verbales Achselzucken. Er habe während der EM "ehrlich gesagt keine Energie (...), sich um das zu kümmern, was der eine oder andere irgendwo sagt".

Dass Gomez die Kritik beschäftigen könnte, schloss Löw aus. Nach mehreren Krisen in den vergangenen Jahren sei der Stürmer "gestählt in seiner Persönlichkeit". Zudem verfüge er nicht nur über ein gesundes Selbstbewusstsein, sondern auch über eine realistische Selbsteinschätzung: "Er weiß, wo er sehr gut ist, aber wo er auch noch besser werden kann." Die Bitte an Gomez, dieses Verbesserungspotential einmal selbst auszuführen, konterte der Bayern-Angreifer allerdings trocken: "Ich kann auch erzählen, was ich kann. Ich tue beides nicht."

Gomez, der anachronistische Stürmer

Bekannt sind seine Defizite trotzdem: Während Klose mitspielt, Bälle auch mal an der Mittellinie erobert und nicht nur Endpunkt von Angriffskombinationen ist, verrichtet Gomez seine Stürmerarbeit vornehmlich im gegnerischen Strafraum. Das wirkt bisweilen anachronistisch in einer deutschen Nationalmannschaft, die vielleicht noch nie spielfreudiger und kombinationsstärker war.

Von außen betrachtet stellt sich die Situation im deutschen Sturmzentrum deshalb so da: Wenn Miroslav Klose fit ist, ist er gesetzt, weil er Tore schießt und mitspielt. Wenn nicht, darf Gomez ran - weil es keinen anderen Stürmer im Aufgebot gibt.

Bundestrainer Löw ist mit Gomez zufrieden.

Bundestrainer Löw ist mit Gomez zufrieden.

(Foto: dpa)

Der Grund für diese Wahrnehmung ist nicht zuletzt die Art und Weise, wie Löw und sein Trainerteam über beide Angreifer sprechen: Auf Klose ("Weltklassestürmer", Löw) werden nicht nur in Danzig regelmäßig Hymnen gesungen und Spielintelligenz samt Einsatzwille gelobt. Qualitäten, die gegen die Niederlande gefragt sind. Für Gomez hingegen spricht offenbar vor allem eins: seine Torquote.

Die Innenperspektive, diesen Eindruck vermittelte Gomez aber durchaus selbstbewusst, ist eine andere. Der Bayern-Stürmer sieht sich keineswegs als Angreifer von Kloses Gnaden, sondern auf Augenhöhe mit seinem Konkurrenten um den einzigen Sturmplatz. "Ich glaube, dass die Situation noch nie so eng war, dass es der Trainer noch nie so schwer hatte, zu entscheiden: Wer spielt von uns beiden?"

Löw entscheidet sich für Gomez

Vor dem Portugal-Spiel habe sich Löw gegen Klose und für ihn entschieden, "aufgrund der letzten zwei Jahre, wie ich mich entwickelt habe, wie ich gespielt habe und auch in der Nationalmannschaft sehr, sehr oft getroffen habe". Er habe dann versucht, dieses "Vertrauen auch zu rechtfertigen", nachdem "die Turniere 2008 und 2010 "nicht unbedingt meine waren". Von der EM 2008 war nur in Erinnerung geblieben, wie er gegen Österreich aus zwei Metern weit über das Tor schoss und jedes Selbstvertrauen verlor. In Südafrika war der Stürmer dann von vornherein nur Edelreservist.

2012, nach seinem Tor gegen Portugal, ist das anders. In die nächsten Partien geht Gomez nicht mit hängendem Kopf, sondern mit Selbstvertrauen - auch wenn er gegen die Niederlande vielleicht doch wieder auf die Bank muss: "Ich weiß, dass es eine Entscheidung war, die sehr, sehr eng war und dass mit Miro ein Spieler hintendran ist, der viel Erfahrung hat beim Turnier." Dass Klose automatisch spielt, wenn er fit ist, glaubt Gomez nicht.

Auch auf die Scholl-Häme offenbarte der Stürmer in Danzig eine ganz eigene Sichtweise, mit einer Anekdote aus der Bayern-Familie: "Mehmet und ich - das ist so eine Sache. Er sprach mich mal auf dem Oktoberfest an: Mario, ich weiß, dass du denkst ich bin ein ... seit ich TV-Experte bin. Aber ich will dich nicht in die Pfanne hauen, sondern mit meinen Worten besser machen. So sehe ich das jetzt auch." Manchmal macht es Mario Gomez nicht nur seinen Gegnern schwer.

Quelle: ntv.de

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