Digital macht Print Probleme Amazon-Chef kauft "Washington Post"
06.08.2013, 00:41 Uhr
Amazon-Chef Jeff Bezozs (l.) mit Donal Graham, Chef der Washington Post Company.
(Foto: picture alliance / dpa)
Sommerschlussverkauf in der US-Zeitungsbranche? Erst bekommt der "Boston Globe" einen neuen Besitzer, nun trifft es eines der bekanntesten amerikanischen Blätter: Die "Washington Post" wird verkauft, und zwar ausgerechnet an Amazon-Chef Bezos.
Eine der renommiertesten US-Zeitungen wechselt überraschend den Besitzer und geht an einen Internetunternehmer: Amazon-Chef Jeff Bezos blättert 250 Millionen Dollar für die "Washington Post" hin. Er kauf e das Zeitungsgeschäft der Washington Post Company aber als Einzelperson und nicht im Namen des weltgrößten Onlinehändlers, erklärte das Verlagshaus.
Damit wird ein Blatt verkauft, das seit Jahrzehnten das politische Geschehen in den Vereinigten Staaten mit prägt. Verlagschef Donald Graham führte die schwierige Lage der Zeitungsbranche als Grund ins Feld. Bezos sei ein guter neuer Besitzer, erklärte er. Der Amazon-Chef sagte, er sei zuversichtlich für die Zukunft der Zeitung und versprach: "Die Werte der 'Post' werden sich nicht ändern." Die bisherigen Verantwortlichen sollen in ihren Ämtern bleiben. Zusammen mit der "Washington Post" gehen auch mehrere andere Blätter an Bezos.
Die börsennotierte Washington Post Company stellt sich schon seit Jahren breiter auf und war sogar bei Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes eingestiegen. Das Unternehmen wird seinen Namen nach Abschluss des Zeitungsverkaufs ändern. Ein neuer Name sei aber noch nicht gefunden, hieß es.
Das Blatt soll den Lesern verpflichtet bleiben
Die "Washington Post" ist unter anderem für ihren Enthüllungsjournalismus bekannt. Erst vor Kurzem brachte das Blatt die Überwachungsprogramme des US-Geheimdienstes ans Licht. Auch die Watergate-Affäre deckten zwei Reporter des Blattes auf: Carl Bernstein und Bob Woodward. Dafür wurde die Zeitung 1973 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.
Alle Mitarbeiter seines Unternehmens und alle Familienmitglieder seien immer stolz auf die "Washington Post" gewesen, sagte Graham. Jahre lang habe er die Herausforderungen beobachtet, denen sich die Zeitungsbranche derzeit stellen müsse, und sich gefragt, ob ein anderer Besitzer besser für das Blatt sein könne. "Jeff Bezos ausgewiesenes technologisches und unternehmerisches Genie, seine langfristige Herangehensweise und seine persönliche Integrität machen ihn zu einem einzigartig guten neuen Besitzer für die "Post" ", sagte er.
Bezos wandte sich indes in einem offenen Brief an die "Washington Post"-Mitarbeiter. "Das Blatt bleibt seinen Lesern verpflichtet und nicht den privaten Interessen seines Besitzers", versprach er darin. Ziel sei weiterhin, die Wahrheit ans Licht zu bringen.
In die tägliche redaktionelle Arbeit der "Washington Post"-Mitarbeiter will sich Bezos nicht einmischen. Schließlich habe er bereits eine andere Arbeitsstelle, die er liebe. "Außerdem hat die "Post" bereits ein exzellentes Führungsteam, das vom Nachrichtengeschäft weit mehr versteht als ich." Das Team um Herausgeberin Katharine Weymouth und Chefredakteur Martin Baron habe auch schon zugestimmt, zu bleiben.
Bezos liest keine gedruckten Zeitungen
Das Geschäft sei ein plötzlicher und verblüffender Wendepunkt für seine Zeitung, schrieb "Washington Post"-Reporter Paul Farhi in einem Bericht über den Verkauf. "Nur wenige Menschen wussten, dass ein Verkauf der Zeitung vorbereitet wurde." Damit ende für das Blatt die Ära der Familie Graham, die vier Generationen lang das Blatt verlegt habe.

Wie andere renommierte Zeitungen auch kämpft das Blatt seit Jahren gegen Auflagenschwund und schrumpfende Einnahmen.
(Foto: Reuters)
Die Zeitung habe schon seit mehreren Jahren mit den finanziellen Problemen zu kämpfen, die die Medienbranche erfasst hätten, hieß es in dem "Washington Post" Bericht weiter. Dazu habe auch die Umstellung von Print auf digitale Technologien beigetragen. Erst vor wenigen Tagen hatte der "New York Times"-Verlag die Traditionszeitung "The Boston Globe" an den Eigner des Baseball-Teams Boston Red Sox, John W. Henry, verkauft. Auch beim "Globe" waren seit Jahren Auflage und Werbeeinnahmen eingebrochen.
Zuvor hatte bereits Starinvestor Warren Buffett über seine Investmentholding Berkshire Hathaway rund 70 lokale Blätter übernommen. Parallel hat Medienmogul Rupert Murdoch seine Zeitungen (unter anderem "Wall Street Journal", "Sun") in ein eigenständiges Unternehmen abgespalten. Einen ähnlichen Weg geht momentan die Tribune Company ("Chicago Tribune", "Los Angeles Times"), die sich aufs lokale Fernsehen verlegt.
Dass die Printmedienbranche "eine sehr schwierige Übergangsphase" durchmache, hatte der designierte "Washington Post"-Besitzer Bezos selbst im November 2012 in einem Interview festgestellt. Er lese schon lange keine gedruckten Zeitungen mehr, sagte er damals. Rückenwind für Zeitungen erhoffe er sich vor allem im Bereich der Tablet-Computer: "Im Web zahlen die Menschen nicht für Nachrichten, das wird sich auch nicht mehr ändern. Wir haben aber festgestellt, dass die Leute durchaus bereit sind, für Zeitungs-Abos auf Tablets zu zahlen."
Den Kauf der "Washington Post" kann er sich jedenfalls locker leisten: Bezos besitzt nach Schätzungen des Finanzdienstleisters Bloomberg aktuell ein Vermögen von 28,2 Milliarden Dollar, das vor allem in Amazon steckt. Damit landet er in der Rangliste der Superreichen auf Rang 15.
Quelle: ntv.de, hah/dpa/AFP