Politik

Private Daten bei Google & Co. US-Geheimdienste spionieren die Welt aus

Die Regierung liest mit - egal ob unter Obama oder Bush.

Die Regierung liest mit - egal ob unter Obama oder Bush.

(Foto: REUTERS)

Wenige Stunden nachdem bekannt wird, dass US-Behörden Telefondaten von Millionen Bürgern sammeln, sorgen Berichte für Aufregung, wonach US-Geheimdienste auch Nutzerdaten von Servern der großen US-IT-Unternehmen abgreifen. Für Europäer sollte diese Nachricht aber nicht neu sein.

Der US-Geheimdienst hat offenbar direkten Zugang zu den Computersystemen von neun der führenden Internet-Konzerne des Landes und greift massenweise auf E-Mails, Fotos, Videos, Dokumente und Audio-Dateien zu. Wie die "Washington Post" berichtet, arbeiten die Unternehmen Microsoft, Yahoo, Google, Facebook, PalTalk, AOL, Skype, YouTube und Apple wissentlich als Teil des "PRISM"-Programms mit dem Nachrichtendienst NSA und der Bundespolizei FBI zusammen. In ersten Stellungnahmen wiesen allerdings mehrere der Konzerne den Vorwurf zurück, direkten Zugang zu ihren Servern zu gewähren.

Der "Washington Post" liegen nach eigenen Angaben Dokumente und PowerPoint-Vorlagen zu dem bislang streng geheimen Programm vor. Diese seien der Zeitung von einem Geheimdienstmitarbeiter zugespielt worden, der über die nach seiner Sicht grobe Verletzung der Privatsphäre der Nutzer entsetzt gewesen sei. "Die können im wahrsten Sinne des Wortes sehen, wie Sie beim Tippen Ihre Gedanken ausformulieren", wird der Insider zitiert. Wer als Kongress-Abgeordneter von dem Programm wisse, unterliege einer Schweigepflicht.

US-Geheimdienst-Chef James R. Clapper bestätigt die Berichte, behauptet aber, Daten von US-Bürgern würden nur unbeabsichtigt erworben.

US-Geheimdienst-Chef James R. Clapper bestätigt die Berichte, behauptet aber, Daten von US-Bürgern würden nur unbeabsichtigt erworben.

(Foto: REUTERS)

James R. Clapper, der als Chef der National Intelligence die Arbeit der US-Geheimdienste koordiniert, hat in einer offiziellen Stellungnahme die Berichte grundsätzlich bestätigt. Er betont darin aber, absichtlich würden nur Daten von Ausländern, die nicht in den USA leben, gesammelt. Daten von US-Bürgern erhebe man nur "nebenbei".

Für Europäer nicht neu

Selbst wenn tatsächlich US-Bürger nicht absichtlich ausgeschnüffelt werden, bedeutet dies trotzdem, dass die US-Geheimdienste jederzeit und ohne richterlichen Beschluss auf alle Daten von Bürgern aller anderen Staaten zugreifen können. Weltweit nutzen Hunderte Millionen Menschen die Server der großen US-IT-Unternehmen. Ein Smartphone zu haben, ohne Kunde von Google, Apple oder Microsoft zu sein, ist nahezu unmöglich. Außerhalb der USA sollte der Aufschrei also groß sein.

Doch neu ist die Erkenntnis, dass US-Behörden private Nutzerdaten von Nicht-US-Bürgern auf den Servern von US-Unternehmen ausschnüffeln dürfen, nicht. Schon im Januar berichteten Medien ausführlich über die Auswirkungen des PRISM zugrunde liegenden Anti-Terror-Gesetzes "Foreign Intelligence Surveillance Act" (FISA) auf den Datenschutz. Die Berichte beruhen dabei unter anderem auf einer niederländischen Studie, die bereits im November 2012 veröffentlicht wurde. Spätestens seitdem ist bekannt, dass US-Geheimdienste das Recht haben, von US-Cloud-Anbietern die Herausgabe von Kunden-Daten zu fordern. Dabei ist es egal, ob deren Server in den USA oder in anderen Ländern stehen.

Neue EU-Datenschutzverordnung könnte helfen

Wie die "Süddeutsche Zeitung" im Januar berichtete, ließ auch das Europaparlament eine Studie anfertigen, die bestätigt, dass die Daten von Nicht-US-Bürgern auf US-amerikanischen Servern dem Zugriff der US-Geheimdienste praktisch schutzlos ausgeliefert sind. Derzeit verhandelt die EU über eine Reform ihrer Datenschutzverordnung aus dem Jahr 1995 und es wäre theoretisch möglich, den Schutz der Daten von EU-Bürgern und -Unternehmen zu stärken.

Wie "Heise online" berichtete, scheinen die Chancen dafür aber gering zu sein, selbst wenn eine entsprechende Passage in die Verordnung eingefügt würde. Der früher auch für Microsoft Europe tätige Datenschutz-Experte Caspar Bowden sagte anlässlich der Vorstellung der EU-Studie, dass nichts den Zugriff der US-Geheimdienste auf die Daten von EU-Bürgern verhindere, so lange die EU FISA und den Patriot ACT akzeptiere.

Obama führt Bush-Politik weiter

PRISM wurde 2007 unter Präsident George W. Bush ins Leben gerufen und von dessen Nachfolger Barack Obama ausgebaut. In den vergangenen sechs Jahren sei die Nutzung exponentiell gewachsen und inzwischen die Grundlage für jeden siebten Geheimdienstbericht, so die "Washington Times". "Die Berichte der NSA stützen sich zunehmend auf PRISM", zitiert die Zeitung aus den Unterlagen. Der Zugang zu den Servern stelle heute die umfangreichste Quelle für die täglichen Berichte des Präsidenten dar. Diese hätten im vergangenen Jahr in 1477 Einträgen PRISM-Erkenntnisse zitiert.

Microsoft nahm 2007 als erster sogenannter "Partner im Privatsektor" am Programm teil, hieß es weiter. Apple verweigerte demnach fünf Jahre lang die Mitarbeit, bevor der Konzern auch beigetreten sei. Zwar sei PalTalk ein deutlich kleinerer Dienst als die anderen. Er sei jedoch während des Arabischen Frühlings und des Bürgerkriegs in Syrien rege genutzt worden. Der Online-Speicherdienst DropBox solle "in Kürze" dazustoßen. Twitter war auf der Liste nicht vertreten.

Apple: Was ist PRISM?

In ersten Reaktionen erklärten Microsoft, Google, Apple, Facebook und Yahoo, man gewähre keiner offiziellen Stelle einen direkten Zugang zu seinen Servern. Google teilte mit, der Regierung sei nie "eine Hintertür" geöffnet worden. Microsoft erklärte, man leiste nur Anweisungen folge, die sich auf "spezifische Nutzer oder identifizierende Merkmale" bezögen. "Wir haben noch nie von PRISM gehört", sagte ein Apple-Sprecher. Wenn eine Regierungsstelle Zugang zu Nutzerdaten erhalten wolle, müsse sie eine richterliche Anordnung vorlegen. Auf die direkte Frage, ob man am NSA-FBI-Programm teilnehme, lehnte Apple eine weitergehende Stellungnahme ab.

Der Bericht über das PRISM-Programm wurde nur Stunden nach der Enthüllung einer großangelegten Sammlung von Telefon-Verbindungsdaten durch die US-Geheimdienste veröffentlicht. Obama stand schon vorher in der Kritik, weil sich seine Regierung heimlich Telefon-Daten von Journalisten der Nachrichtenagentur AP und zu E-Mails eines Fox-Fernsehreporters verschaffte.

Quelle: ntv.de, mit Reuters

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