Indonesien treibt Preise Ausfuhrverbot sendet Schockwellen an Palmöl-Markt
30.04.2022, 13:58 Uhr
Preisanstiege werden diesmal allerdings nicht nur die Ernährungssicherheit in armen Ländern betreffen, sondern auch führende Industriekonzerne.
(Foto: imago images/INA Photo Agency)
Der überraschende Exportstopp Indonesiens für Palmöl versetzt die Märkte für Pflanzenfett weltweit in Aufruhr - Verbraucher müssen sich auf steigende Preise einstellen. Der Bann fällt in eine Zeit von Angebotsengpässen an allen Ecken und Enden.
Es ist das Alarmwerkzeug der Welternährungsorganisation: der FAO-Preisindex für Speiseöl, der schon seit Frühjahr 2020 beständig nach oben strebt und im Frühjahr noch einmal deutlich zulegte. Nach Produktionsausfällen wegen mangelnder Arbeitskräfte in der Coronapandemie und - dürrebedingt - schlechten Ernten von Soja in Lateinamerika und von Raps in Kanada verhindert der Ukrainekrieg, dass dringend benötigte Mengen von Sonnenblumen auf den Weltmarkt gelangen. Zu allem Übel verschärft nun Indonesien die Lage noch zusätzlich: mit einem Exportstopp für Palmöl.
Die Entscheidung der Regierung in Jakarta, ab dieser Woche für unbestimmte Zeit ein Ausfuhrverbot zu verhängen, sandte Schockwellen in den schon angespannten Markt für Pflanzenöle. Wohl ruderte die Regierung leicht zurück und begrenzt die Ausfuhren jetzt auf 40 Prozent des üblichen Volumens. Doch das 270-Millionen-Einwohner-Land ist Weltmarktführer. Etwa ein Drittel aller Pflanzenölexporte stammen aus Indonesien. Und von allen pflanzlichen Ölen im Welthandel sind etwa 60 Prozent Palm- und Palmkernöl. Der zweitgrößte Produzent Malaysia wird die ab Mai zu erwartenden Engpässe nicht ausgleichen können.
Gern genutzter Weichmacher
Preisanstiege werden diesmal allerdings nicht nur die Ernährungssicherheit in armen Ländern betreffen, sondern auch führende Industriekonzerne. Ob Schokolade, Shampoo oder Putzmittel: Palmöl ist in unzähligen Gütern des täglichen Gebrauchs gern genutzter Weichmacher. Lebensmittelkonzerne wie Mondelez, Danone oder Nestlé sind ebenso Großeinkäufer wie Kosmetikhersteller oder Produzenten von Reinigungsmitteln wie Unilever und Procter & Gamble.
Von den in Deutschland 2020 verbrauchten knapp 1,4 Millionen Tonnen entfielen mehr als die Hälfte auf Energieunternehmen, der Rest verteilt sich auf Lebensmittel, Futtermittel, die Chemie- und Pharmabranche sowie auf Süßwaren und Wasch-, Putz-, Reinigungsmittel und Kosmetik.
Weltweit hat sich der Verbrauch von Speiseöl aus Palmnüssen, ebenso wie der von Öl aus Sojabohnen, seit Mitte der 2000er-Jahre fast verdoppelt. In Süd- und Südostasien - allen voran in Indien - wird mit Palmöl derweil viel frittiert und gebraten. Indien bezieht fast die Hälfte seiner Palmöleinfuhren aus Indonesien, Bangladesch und Pakistan zu nahezu 80 Prozent. Niemand könne so einen Ausfall kompensieren, zitieren Medien einen pakistanischen Verbandsvertreter der Speiseölraffinerien: "Alle Länder werden leiden."
Leere Regale und lange Warteschlangen
Hinter der drastischen Reaktion von Indonesiens Präsident Joko Widodo verbirgt sich eine Zuspitzung auf dem heimischen Markt. Ein Ausfuhrverbot sollte den extremen Preisanstieg unter Kontrolle bringen, der in dem Inselstaat Proteste ausgelöst hatte. Widodo stand in dem größten muslimischen Land der Erde vor dem Eid-al-Fitr-Fest, dem Fastenbrechen, unter besonderem Druck. Erstmals seit zwei Jahren Pandemie darf zum Ende des Ramadan ausgiebig gekocht und gefeiert werden.
Widodo kündigte an, er werde die Lage neu bewerten, sobald der heimische Markt sich stabilisiert und Speiseöl wieder zu erschwinglichen Preisen verfügbar sei. Hinter dem Preisanstieg verbargen sich jedoch knappe Bestände, die auch das Interesse der Kartellwächter weckten. Da der Export - drei Viertel der Produktion - für Hersteller lukrativer ist, hatte die Regierung mit Quoten versucht, die Versorgung im Inland zu verbessern. Der gedeckelte Einzelhandelspreis für Speiseöl führte aber zu leeren Regalen und langen Warteschlangen.
Händler hielten Ware zurück, spekulierten die Medien. Denn als die Obergrenze fiel, füllten sich die Märkte wieder. Allerdings kletterte auch der Preis auf das Dreifache. Vertreter von Greenpeace Indonesien rieten der Regierung, sie solle sich die Palmöl-Oligarchen "vorknöpfen, die häufig Vorräte bunkern". Im Zuge einer offiziellen Untersuchung wurden in Lägern der größten inländischen Konglomerate auch Millionen Tonnen vorgefunden. Staatsanwälte in Jakarta gehen seit kurzem dem Verdacht eines Kartells nach.
Greenpeace fordert Deregulierung
Nach Angaben der zuständigen Behörde teilen sich vier größere Konzerne fast die Hälfte des heimischen Markts für Speiseöl, und sind entlang der gesamten Lieferkette von der Plantage über die Mühle bis zur Raffinerie aktiv. Beobachter sehen in dieser Marktmacht die Erklärung dafür, dass die Regierung sich in der Preisfrage nicht durchsetzen konnte.
Diese hatte indes auch selbst im Zuge ihrer Klimapolitik zu einer Verknappung von Speiseöl beigetragen, da sie - im Wettstreit zwischen Tank und Teller - die Beimischung von Palmöl zu Biosprit subventioniert. Nichtregierungsorganisationen in dem aufstrebenden Schwellenland beschweren sich, dass dies zulasten des Rechts auf Nahrung der Bevölkerung und ihrer Versorgung mit ausreichend Speiseöl geht. Greenpeace und die Opposition fordern eine Deregulierung und fairen Wettbewerb auf dem Palmölmarkt.
Wenn der Weltmarktpreis für den Rohstoff derweil weitere Rekordhöhen erklimmt, könnte die Frage auch Thema des G20-Gipfels im Oktober in Bali werden, den Indonesien zum Start seiner Präsidentschaft ausrichtet.
Dieser Text ist zuerst bei Capital erschienen.
Quelle: ntv.de