Wirtschaft

Gewerkschaft: "Wir brauchen keinen Aktionismus" Bahn-Chef Grube verspricht mehr Personal

Warten auf Veränderung.

Warten auf Veränderung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Deutsche Bahn will mehr Fahrdienstleister ausbilden und einstellen. Die Gewerkschaft überzeugt der Plan nicht: Er könne "wie eine Seifenblase platzen", sagt EVG-Chef Kirchner n-tv.de. Es gebe nicht genug Ausbildungsplätze und Stellen fehlten auch woanders.

Bahn-Chef Grube nennt Zahlen.

Bahn-Chef Grube nennt Zahlen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Züge in Mainz rollen wieder, aber die Probleme, die zu dem vierwöchigen Chaos rund um die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt geführt haben, sind weiter ungelöst. Unmittelbar vor der Sitzung des Verkehrsausschusses des Bundestags zum Thema schwenkt Bahn-Chef Rüdiger Grube auf Versöhnungskurs mit Kunden und Mitarbeitern ein und signalisiert Besserung bei der Personalsituation.

"Wir werden deutlich mehr Fahrdienstleiter ausbilden und einstellen", stellte Grube in Aussicht. Erstmals nannte er konkrete Zahlen. Bis Jahresende sollen insgesamt über 600 Mitarbeiter zusätzlich qualifiziert werden, wie er dem Nachrichtenmagazin "Focus" sagte. In der Planung für die kommenden fünf Jahre seien weitere 1500 neue Stellen vorgesehen. Bislang beschäftige die Bahn 12.500 Fahrdienstleiter. Der Mainzer Hauptbahnhof bekomme ab November weitere neun Mitarbeiter für sein Stellwerk, so Grube weiter.

"Ein bedarfsgerechter Plan ist nötig"

"Der Stress bleibt": EVG-Chef Kirchner kritisiert die Mangelverwaltung.

"Der Stress bleibt": EVG-Chef Kirchner kritisiert die Mangelverwaltung.

(Foto: picture alliance / dpa)

"Den Ankündigungen müssen nun auch Taten folgen", sagte der EVG- Vorsitzende, Alexander Kirchner, n-tv.de. Nach Einschätzung der Gewerkschaft fehlen der Bahn jedoch ausreichend Ausbildungsplätze, um die angekündigten zusätzlichen Fahrdienstleiter ausbilden zu können. Die Kapazitäten für 2013 seien erschöpft, so Kirchner weiter. "Auch hier muss dringend nachgesteuert werden, wenn die Ankündigungen nicht zerplatzen sollen, wie eine Seifenblase", sagte er. Eine gesunde Skepsis sei angebracht.

Im übrigen sollte Bahnchef Grube den Fokus nicht allein auf die Fahrdienstleiter richten, so der EVG-Chef weiter. Auch bei den Lokführern, den Zugbegleitern sowie den Werkstätten fehle es deutlich an Personal.

"Wir brauchen jetzt keinen Aktionismus, sondern einen bedarfsgerechten Plan, der im gesamten Konzern den Personalbedarf an den tatsächlicher Erfordernissen ausrichtet. Die Vereinbarung, die die EVG mit den Personalvorständen der DB AG getroffen hat, bietet hierfür die Grundlage", so Kirchner. Mit einer sofortigen Entspannung der Situation rechnet er nicht. Auch wenn der Zugverkehr in Mainz wieder planmäßig laufe, seien die Probleme bei der Bahn nicht gelöst.

"Für die Reisenden mag sich die Situation augenblicklich entspannt haben, für unsere Kolleginnen und Kollegen aber hält der Stress an, weil weiterhin nach wie vor nur der Mangel verwaltet wird", sagte der EVG-Chef weiter. Erst in den nächsten Wochen werde sich zeigen, wie ernst es der Bahn wirklich sei, die Zahl der Beschäftigten am tatsächlichen Bedarf auszurichten.

Auf Sparkurs gegen die Wand

Die Gewerkschaft wirft der Bahn vor, das Chaos rund um Mainz billigend in Kauf genommen zu haben. Der chronische Personalmangel in den sogenannten Stellwerken soll dem Unternehmen monatelang bekannt gewesen und ignoriert worden sein. Der Gesamtbetriebsrat habe das Thema in den vergangenen 28 Monaten bei jedem Treffen mit dem Management auf die Tagesordnung gesetzt, hieß es auf dem Gipfel des Streits. Passiert sei nichts.

"Die bisherigen Kriterien der Politik, mit der die Schiene zu stark über Effizienz, Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit gesteuert wurde, haben den eigentlichen Auftrag – die Mobilität der Reisenden zu gewährleisten – zu sehr in den Hintergrund treten lassen", erneuerte Kirchner im Vorfeld der anberaumten Sitzung des Verkehrsausschusses seine Vorwürfe.

Die Ereignisse der vergangenen Wochen hätten eines ganz deutlich gemacht: "Die Sicherung der Stabilität des Systems Schiene muss Hauptanliegen jeglichen bahnpolitischen Handelns werden", so der Gewerkschafter. "Sparen um jeden Preis" könne die notwendige Versorgungssicherheit als Grundbedingung für eine funktionierende Mobilität in Wirtschaft und Gesellschaft nicht garantieren, machte er deutlich. Kirchner wird am Montag zu den Konsequenzen aus den Zugausfällen in Mainz im Verkehrsausschuss Stellung beziehen. Auch Bahn-Chef Grube muss sich den Fragen der Abgeordneten stellen.

Grube hält die Hand auf

Grube  forderte zugleich vom Bund mehr Geld für die Sanierung des maroden Schienennetzes. "Die Bahn braucht mindestens 1,2 Milliarden Euro mehr pro Jahr", sagte Grube dem Magazin "Focus". "Wir brauchen mehr Geld für Tunnel und Brücken", begründete er sein Anliegen.

Grube wies darauf hin, dass von den 34.000 Kilometern Schiene mehr als die Hälfte noch aus dem 19. Jahrhundert stamme. Von 25.000 Eisenbahnbrücken seien immerhin 9000 älter als hundert Jahre. 1400 Brücken müssten dringend saniert werden. Der Bahn-Chef verlangte auch, sein Unternehmen von der Ökostrom-Umlage zu befreien. Zur Begründung wies er darauf hin, dass die Bahn inzwischen "über 75 Prozent des Stroms im Fernverkehr aus Öko-Energien bezieht".

Betrieb läuft wieder nach Plan

Nach wochenlangen massiven Zugausfällen am Mainzer Hauptbahnhof läuft der Verkehr mittlerweile wieder nach dem üblichen Fahrplan. "Es ist gut angelaufen, der Fahrplan wird eingehalten", sagte eine Bahn-Sprecherin am Abend. Wegen Personalmangels im Stellwerk war die Landeshauptstadt seit Anfang August teilweise vom Fernverkehr abgekoppelt, auch viele regionale Bahnen hielten nicht.

Seit Mitte August fuhren die Züge zumindest an den Wochenenden bereits nach Normalfahrplan. Von kommenden Montag an soll dies auch wieder wochentags gelten. Um das Chaos am Mainzer Hauptbahnhof hatte es bundesweit erheblichen Wirbel gegeben. Fahrgastverbände und Politiker warfen der Deutschen Bahn Managementfehler und erhebliche Versäumnisse bei der Personalplanung vor. Die Bahn kündigte spezielle Entschädigungen für Pendler an. Inhaber von Abo-, Jobticket- oder Zeitkarten aus dem Raum Mainz sollen so bis zu 50 Euro erstattet bekommen.

Quelle: ntv.de, ddi/dpa/rts

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