"Passen Sie gut darauf auf" Boeing übergibt Dreamliner
26.09.2011, 20:16 Uhr
Übergabe in Everett: Das Wetter könnte besser sein.
(Foto: REUTERS)
Der "Dreamliner" kommt mit Verspätung: Nach einer jahrelangen Pannenserie kann der neuartige Langstrecken-Jet endlich seinen Dienst in Japan antreten. Der Hersteller verspricht den Passagieren einen noch nie dagewesenen Komfort und den Fluggesellschaften günstige Betriebskosten. Der erste Kunde, die japanische Fluggesellschaft ANA, ist begeistert.
Mehr als drei Jahre später als geplant hat der US-Flugzeughersteller Boeing den ersten Langstrecken-Flieger 787 "Dreamliner" ausgeliefert. Mit einer Zeremonie in Everett im US-Bundesstaat Washington wurde die Maschine feierlich an die japanische Fluggesellschaft All Nippon Airways (ANA) übergeben. Die japanische Fluggesellschaft hat insgesamt 55 Maschinen bestellt.
"Passen Sie gut darauf auf, wir sind so stolz", sagte Boeing-Spartenchef Jim Albaugh bei einer symbolischen Schlüsselübergabe an ANA-Chef Shinichiro Ito. Am Dienstag soll die erste Boeing 787 quer über den Pazifik nach Tokio fliegen. Dort beginnt sie ihren Liniendienst im November. ANA wird den "Dreamliner" ab Januar auch auf langen internationalen Strecken einsetzen - zuerst von .
Die mit Spannung erwartete 787 ist das erste neue Boeing-Modell seit mehr als einem Jahrzehnt. Bei Langstreckenflügen soll die Maschine mit Platz für 330 Passagiere bis zu 20 Prozent weniger Kraftstoff verbrauchen als herkömmliche Modelle. Grund sind deutlich leichtere Materialien. Am Rumpf und in den Flügeln kommt auf weiten Flächen Verbundwerkstoffe auf Kohlefaserbasis zum Einsatz. Die neuen Materialien ersetzen die bislang verwendeten, deutlich schwereren Bleche und Streben.
Der "Dreamliner" soll nun als hypermoderner Langstrecken-Jet das Reisen über den Wolken revolutionieren: Die Passagiere dürfen sich auf größere Fenster, weniger trockene Luft, angenehmeren Kabinendruck und geräumigere Gepäckfächer freuen. Kopfschmerzen, Müdigkeit und ein trockener Mund sollen der Vergangenheit angehören. Bei den Fluggesellschaften wirbt Boeing vor allem mit der Reichweite und dem reduzierten Spritverbrauch.
Möglich macht all das die neuartige Karbon-Konstruktion. Allerdings sorgte der im Flugzeugbau wenig erprobten Werkstoff zusammen mit Managementfehlern auch dafür, dass der "Dreamliner" mehr als drei Jahre hinter seinem Zeitplan zurückliegt. Der europäische Flugzeugbauer Airbus will sein Konkurrenzmodell A350 ab Ende 2013 ausliefern.
Übergabe im Regen
Die japanische Airline ANA hatte 2004 die allererste Dreamliner-Bestellung aufgegeben und damit die Produktion in Gang gebracht. Eigentlich sollte das erste Exemplar in der ersten Jahreshälfte 2008 ausgeliefert werden. Doch wegen einer Serie von technischen Pannen und Verzögerungen verschob sich das Testprogramm für die Jets immer weiter nach hinten.
Der "Dreamliner" werde die Luftfahrt verändern, sagte Boeing-Konzernchef James McNerney auf dem Werksgelände in Everett im US-Bundesstaat Washington. Dort nahm ANA-Chef Ito bei strömendem Regen die Maschine in Empfang. Bereits am Vortag hatten die beiden Seiten das Geschäft mit der Unterzeichnung der Papiere endgültig festgezurrt. "Ein Traum ist wahrgeworden", sagte Shinichiro Ito in Anspielung auf den Namen des Fliegers. Boeings Erstkunde kommt nun nicht von ungefähr aus Asien - dort wächst das Flugaufkommen besonders stark.
Boeings Verkehrsflugzeug-Chef Albaugh räumte rückblickend aber auch ein: "Die Reise ist nicht immer glatt verlaufen." Das neuartige Kunststoff-Material sorgte von Beginn an für Ärger, weil die Ingenieure die Technik erst erlernen mussten. Hinzu kamen Qualitätsprobleme mit Zulieferern, an die Boeing große Teile der Arbeiten ausgelagert hatte. Der US-Hersteller musste den Zeitplan mehrfach über den Haufen werfen und verspielte damit viel Vertrauen bei seinen Kunden. Eigentlich wollte Boeing mit dem "Dreamliner" den europäischen Rivalen Airbus ausbooten. Durch die beispiellose Pannenserie schmolz der Vorsprung gegenüber dem A350 jedoch zusammen.
Der "Dreamliner" ist eine Art Gegenentwurf zu Riesenfliegern wie dem Airbus A380 oder dem Boeing 747 "Jumbo-Jet". Das Modell kann auf den gleichen langen Strecken fliegen, rentiert sich aber schon bei wesentlich weniger Passagieren. Der "Dreamliner" nimmt je nach Version 210 bis 290 Passagiere auf und kann diese mehr als 15.000 Kilometer weit ans Ziel bringen - bei geringerem Spritverbrauch.
Air Berlin muss noch warten
Angesichts der milliardenschweren Mehrkosten durch die Verzögerungen ist aber unklar, wann und ob sich der "Dreamliner" für Boeing rechnet. Viele Kunden sind schon abgesprungen und diejenigen, die ihre Bestellungen aufrechterhalten haben, müssen immer noch teils Jahre warten, weil die Produktion erst hochlaufen muss. So rechnet die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft Air Berlin damit, die ersten ihrer "Dreamliner" im Herbst 2014 zu bekommen. Die Airline hat 15 der Maschinen fest bestellt.

Nicht der erste Flug nach Tokio: Im Juli überführte Boeing eine erste 787 zum Heimathafen der ANA. Die Japaner führen das Dreamliner-Emblem schon seit Jahren auf ihre Visitenkarten.
(Foto: dapd)
Ursprünglich hatte Boeing fast 1000 Bestellungen eingesammelt, geblieben sind 821. Damit ist der "Dreamliner" aber immer noch eines der beliebtesten Flugzeuge überhaupt. Der einzelne Jet kostet laut Liste je nach Version zwischen 185 und 218 Mio. Dollar (137 bis 162 Mio. Euro), etwaige Sonderwünsche noch nicht mit eingerechnet. So stattet All Nippon Airways die Toiletten mit den in Japan beliebten Bidets aus.
Für Boeing ist der Erfolg des "Dreamliner" in mehrfacher Hinsicht wichtig. Zum einen muss der Konzern die Milliardenkosten wieder hereinholen, zum anderen braucht er dringend einen Erfolg gegen Airbus. Bei den kleineren Kurz- und Mittelstreckenfliegern rollen die Europäer gerade mit ihrem runderneuerten " " den Markt auf und lassen Boeing alt aussehen. Bei den Großraumfliegern wildert der doppelstöckige A380 im Revier des Veteranen "Jumbo".
Einen besonders schwere Schmach musste Boeing in der vergangenen Woche einstecken: Die ließ die Übergabe des ersten modernisierten und vergrößerten "Jumbo-Jets" 747-8 in letzter Minute platzen. In der Branche wird spekuliert, dass die Maschine mehr Sprit verbraucht als versprochen - oder dass Cargolux schlicht um den Preis feilscht.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/rts