"In allen Klassen auf Augenhöhe" Boeing zollt Airbus Respekt
17.06.2013, 11:14 Uhr
Prestigeprodukt in Le Bourget: Boeing zeigt in Paris unter anderem einen Dreamliner in den Farben des Referenzkunden Qatar Airlines.
(Foto: REUTERS)
Zum Start der Pariser Luftfahrtmesse dämpft US-Flugzeugbauer Boeing die Erwartungen. Offiziell will sich der Airbus-Rivale nicht auf ein Wettrennen um Aufträge im Markt für Passagiermaschinen beteiligen. Der erfolgreiche Jungfernflug von Toulouse zeigt in den USA offenbar Wirkung.
Der US-Luftfahrt- und Rüstungskonzern Boeing zeigt sich von dem erfolgreichen Erstflug des Konkurrenzfliegers Airbus A350 XWB schwer beeindruckt. "Boeing und Airbus sind jetzt in allen Flugzeugklassen auf Augenhöhe", sagte der Chef der Boeing-Verkehrsflugzeugsparte, Ray Conner, zu Beginn der weltgrößten Luftfahrtmesse in Paris. Einen Auftragswettstreit in Le Bourget wollen die Amerikaner nicht mitmachen. Airbus rechnet mit einigen hundert Bestellungen.
Branchenexperten zufolge stehen Boeing und Airbus in Le Bourget ohnehin vor einer ganz neuen Herausforderung: Mit dem chinesischen Flugzeugbauer Commercial Aircraft Corporation of China (Comac), Irkut aus Russland, Embraer aus Brasilien und Bombardier aus Kanada drängeln gleich vier neue Wettbewerber in den Weltmarkt für kleine und mittelgroße Passagierflugzeuge. Die neue C-Series von Bombardier steht angeblich kurz vor der Testflugphase. Alle drei Jet-Anbieter sind in Paris mit prominent platzierten Ständen vertreten.
Überzeugungsarbeit in Paris
Boeing muss sich zunächst allerdings vordringlich darum kümmern, sein aktuelles Flaggschiff wieder ins rechte Licht zu rücken. Der Langstreckenjet 787 "Dreamliner" kämpft nach dem Batterie-Desaster mit Imageproblemen. Sollten die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Maschine fortbestehen, drohen Schwierigkeiten beim Absatz. Im Frühjahr hatten Aufsichtsbehörden dem Dreamliner nach mehreren Zwischenfällen mit schmorenden Akkus an Bord die Zulassung entzogen. Aufgrund der Probleme mit den neuen Lithium-Ionen-Batterien musste die "Dreamliner"-Flotte weltweit mehr als drei Monate lang untätig am Boden bleiben.
Mittlerweile darf die 787 wieder fliegen. Die Batterien wurden mit mehreren Sicherheitsvorkehrungen versehen. Boeing arbeite mit der US-Sicherheitsbehörde NTSB weiter an der Suche nach der Ursache, sagte Conner. Die mehrmonatige Zwangspause hatte Boeing-Kunden, die sich auf den neuartigen Prestige-Jet als Aushängeschild verlassen hatten, wirtschaftlich schwer getroffen.
Boeing sieht sich beim Verkauf des besonders spritsparenden Passagierflugzeugs schon wieder auf Kurs. Bis Ende Juni sollten elf oder zwölf Maschinen des Typs ausgeliefert sein, sagte Boeing-Manager Conner. Inzwischen würden monatlich sieben Maschinen fertig, bis Jahresende soll die Produktionsrate auf zehn pro Monat steigen. Im ganzen Jahr will Boeing wie geplant auf 60 ausgelieferte "Dreamliner" kommen.
"Konkrete Gegenleistungen"
Beim wichtigsten Boeing-Wettbewerber Airbus zeichnet sich unterdessen eine Konfrontation mit der Bundesregierung ab. Der Bund hält einen zugesagten Kredit über 600 Mio. Euro zurück. Es sei vereinbart, für die Anschubfinanzierung der A350 eine "einvernehmliche Lösung" zu verhandeln, teilte das Wirtschaftsministerium mit. "Darlehenszahlungen sind allerdings nur dann möglich, wenn damit konkrete Gegenleistungen und Zusagen für die deutschen Standorte verbunden sind." Im Gegensatz zu anderen Airbus-Fliegern gibt es für die A350 nur im französischen Toulouse eine Endfertigung.
Airbus-Produktionschef Günter Butschek sagte dazu, die Anschubfinanzierung sei keine Subvention und werde zurückgezahlt. Er erwarte eine Lösung des Konflikts in den kommenden Wochen. Insgesamt beläuft sich die Entwicklungshilfe für den Flieger, für die auch Frankreich aufkommt, auf 1,1 Mrd. Euro. Laut "Spiegel" verlangt die Bundesregierung von Airbus die Zusage, den Nachfolger des Kurzstreckenjets "A30X" maßgeblich in Deutschland zu entwickeln.
Unbemannt in die Zukunft?
Abgesehen von diesen Standortfragen innerhalb der europäischen Flugzeugindustrie schält sich ein möglicherweise deutlich brisanteres Stichwort aus dem Bündel der in Le Bourget diskutierten Themen heraus: Nach dem Aus für die Drohne "Euro Hawk" fordern drei Rüstungsunternehmen ein eigenständiges europäisches Drohnen-Programm. Das Projekt namens MALE soll darauf abzielen, die aus Sicht der Unternehmen bestehende Abhängigkeit von Aufklärern aus Israel und den USA zu reduzieren.
Die EADS-Sparte Cassidian, die französische Dassault Aviation und der italienische Finmeccanica-Konzern wollen eigenen Angaben zufolge mit einer gemeinsamen Entwicklung "die europäische Souveränität und Unabhängigkeit" garantieren und ein "robustes System" liefern.
Zur Pariser Flugschau wird in diesem Jahr eine Rekordbeteiligung erwartet. Die 50. Ausgabe der wichtigen Industriemesse, die alle zwei Jahre in Le Bourget stattfindet, dürfte nach Veranstalterangaben diesmal rund 350.000 Besucher anziehen. Auf dem alten Verkehrsflughafen in Le Bourget erwarten sie zahlreiche Aussteller-Pavillons, ein umfangreiches Flugschauprogramm und mehr als 100 Luftfahrzeuge in Hallen und auf dem Freigelände.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa