Börsengänge als Auslaufmodell "Der Spin-off ist der neue IPO"
08.08.2011, 08:03 Uhr
Die Glühbirne ist ein Auslaufmodell, der herkömmliche Börsengang könnte es nach Expertenmeinung bald auch sein. Der Spin-off kommt in Mode.
(Foto: picture alliance / dpa)
Im Herbst soll Osram an die Börse, so der Plan der Mutter Siemens. Aber die Euro-Schuldenkrise und die damit einhergehenden volatilen Finanzmärkte könnten dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung machen. Statt IPO könnte es dann einen Spin-off geben. Dieser liegt neuerdings im Trend.
Immer kommt irgendetwas dazwischen: Erst blockierte die Finanzkrise drei Jahre lang Börsengänge und größere Übernahmen, dann kam die griechische Schuldenkrise, die Erdbeben-Katastrophe in Japan - und nun entwickelt sich ein Flächenbrand im ganzen Euro-Land. Schlechte Zeiten für Konzernchefs, die Firmenteile loswerden wollen, die nicht mehr dazupassen. Hinter den Börsenplänen von Osram oder Kolbenschmidt für den Herbst stehen große Fragezeichen.
Doch wer nicht auf stabile Zeiten für einen Börsengang (IPO) warten will oder kann, für den haben die Investmentbanker eine Lösung: "Der Spin-off ist der neue IPO", bringt es ein Berater auf den Punkt. Spin-off, das ist die Ausgliederung eines Firmenteils, der danach getrennt an der Börse notiert wird - ohne dessen Aktien vorher öffentlich zum Kauf anzubieten. Dieser Weg hat den Vorteil, keine Käufer finden zu müssen, was in turbulenten Zeiten schwierig ist. Stattdessen bekommen die eigenen Anteilseigner Papiere der abgespaltenen Firma - ob sie wollen oder nicht - ins Depot gebucht, quasi geschenkt.
Eins plus eins mehr als zwei?
Die Hoffnung: dass eins plus eins mehr als zwei ergibt - oder wenigstens zwei. Denn Konglomerate werden von Investoren oft mit einem Abschlag bewertet. "Man wird viel mehr Unternehmen sehen, die sich aufspalten, weil in vielen Fällen die einzelnen Teile mehr wert sind als das Ganze", sagte US-Milliardär Wilbur Ross der Nachrichtenagentur Reuters.
Das hatte auch der Siemens-Vorstand gedacht, als er den Börsengang seines Leuchtmittelherstellers Osram beschloss. Oder wird es doch ein Spin-off? Eine verräterische Bemerkung von Siemens-Finanzchef Joe Kaeser macht seit einigen Tagen die Runde: "Ein IPO ist ja kein Wert an sich, eine Börsennotierung schon", sagte Kaeser, als er mit Fragen nach der Zukunft von Osram gelöchert wurde. Das heißt: Der Erlös ist zweitrangig, Siemens geht es primär um die Abspaltung von Osram.
"IPO ein Auslaufmodell"
"Jedes Unternehmen sollte zumindest den Plan B in der Tasche haben", sagte Barbara Böhnlein, Leiterin des Aktiengeschäfts bei der Royal Bank of Scotland (RBS) in Deutschland, jüngst zu Reuters Insider TV: "Die Standard-IPOs von der Stange, wie wir sie traditionell kennen, sind ein Auslaufmodell."
Von ThyssenKrupp bis Rheinmetall
Für die Edelstahlsparte von ThyssenKrupp ist der Spin-off wohl Plan A. Offiziell prüft der Konzern parallel auch einen klassischen Börsengang, dem Banker aber wenig Chancen geben: "Das kann man so nicht an die Börse bringen. Das war von vornherein als Spin-off geplant", sagt ein Banker. Der Rivale ArcelorMittal hat es mit seiner Edelstahl-Sparte Aperam vorgemacht. Auch der US-Lebensmittelriese Kraft, einst von Philip Morris abgespalten, teilt sich nun selbst in zwei börsennotierte Gesellschaften.
Für die Autozuliefer-Sparte von Rheinmetall, Kolbenschmidt Pierburg, könnte ein Spin-off Bankern zufolge ebenfalls der Weg an die Börse sein, wenn sich das Umfeld bis Herbst nicht verbessert - auch wenn der Rüstungskonzern davon nichts wissen will. Der Schweizer Textilmaschinenbauer Rieter hat einen solchen Schritt bereits hinter sich: Im Mai bekamen die Aktionäre eine Sonderdividende in Form von Aktien der Autozuliefer-Sparte Autoneum. "Das kann eine interessante Alternative sein. Aber man muss sich vor Augen halten: Dadurch bekommt weder das Zielunternehmen noch die Muttergesellschaft frisches Mittel", sagt RBS-Bankerin Böhnlein.
Lanxess als Paradebeispiel
Die Erfolgsgeschichte für einen Spin-off schlechthin ist Lanxess. Bei Bayer wurde das Geschäft mit Basischemikalien und Massenkunststoffen von vielen Bankern noch als "CrapCo" (Schrott-Firma) verspottet: renditeschwach, mit überalterter Produktpalette und starren Strukturen. Doch sechs Jahre nach dem Börsengang sind alle Unkenrufe verstummt. Lanxess hält mit der Konkurrenz mit - und für die Anteilseigner ist das Aktien-Geschenk fast dreimal so viel wert wir beim Börsenstart.
Das Gegenbeispiel heißt Hypo Real Estate (HRE). Die HypoVereinsbank spannte dazu drei konservative Immobilienfinanzierer mit mehr oder weniger riskanten Krediten aus dem eigenen Haus zusammen - das Produkt brach in der Finanzkrise krachend zusammen.
Für die Investmentbanker ist eine Abspaltung nicht ganz so lukrativ wie ein Börsengang - aber besser als nichts. Und ein neues Unternehmen ist ein neuer Kunde: Der langjährige Chef des Kapitalmarktgeschäfts einer US-Großbank, der ungenannt bleiben will, sieht das Ganze zynisch: "Das ist der natürliche Lauf der Dinge. Da wird Jahre lang fusioniert und konsolidiert, dann werden die Kosten gesenkt und die Einzelteile zurechtgestutzt, dann spaltet man sie ab und schafft neue Unternehmen. Und dann geht das Ganze wieder von vorne los."
Quelle: ntv.de, Alexander Hübner, rts