Gustav Horn im Interview "Die Methode Merkel wird Erfolg haben"
24.09.2013, 13:58 Uhr
Nach der Wahlparty muss die Kanzlerin wieder gut zuhören.
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Die letzte Bundesregierung hat von Ökonom Gustav Horn keine guten Noten gekriegt: lauter Vierer und Fünfer. Die frisch wiedergewählte Bundeskanzlerin Merkel kriegt deshalb einige Hausaufgaben von Horn, besonders was die Eurokrise, Arbeitsmarkt und Infrastruktur angeht.
n-tv.de: Sie haben im August in einem n-tv.de-Interview der Bundesregierung schlechte Noten gegeben: Eine 4 für die Finanz- und Wirtschaftspolitik, eine 5 für die Politik in der Eurokrise. Klingt, als hätte die jetzt wieder frischgebackene Bundeskanzlerin Merkel in den nächsten vier Jahren eine Menge Hausaufgaben nachzuholen.

Prof. Dr. Gustav Horn ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung.
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Gustav Horn: Das ist richtig. Denn das, was sie beispielsweise in der Eurokrise noch nicht gelöst hat, das muss sie jetzt lösen. Da werden noch weitreichende Entscheidungen darüber anstehen, welches Europa wir wollen und welchen Beitrag wir Deutschen dazu leisten können. Diese Probleme sind noch nicht gelöst, das wird sie noch machen müssen.
Das Zweite ist, dass wir in Deutschland – und das hat die Bundeskanzlerin gestern Abend ja sogar selber gesagt - einen erhöhten Bedarf haben, unsere Infrastruktur zu modernisieren. Ich denke, das wird ein Punkt sein, der sie in der nächsten Zeit beschäftigen wird.
Im Wahlkampf trug Angela Merkel das "Mantra", dass es "so schlecht doch gar nicht geht" vor sich her. Hat sie da recht? Oder sonnen wir uns nur im Erfolg von Reformen, die schon vor langer Zeit angestoßen wurden?
Das Urteil "es geht uns gar nicht mal so schlecht" kann sich nicht auf die Wachstumszahlen beziehen, denn Wachstum unter einem Prozent kann man nun wirklich nicht als gut bezeichnen. Was ihr sicherlich genutzt hat, ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Es sind viel mehr Leute beschäftigt als noch Mitte des vergangenen Jahrzehnts. Das wurde ihr offenbar angerechnet, obwohl zumindest die letzte Regierung relativ wenig dazu beigetragen hat. Da profitierte sie sicherlich noch von der Großen Koalition, von den Maßnahmen, die zur Überwindung der Wirtschaftskrise eingeleitet worden sind. Aber es wurde ihr zugerechnet, das war einer der großen Vorteile, die sie in diesem Wahlkampf hatte.
Einige Ökonomen befürchten, dass große Reformen in einer großen Koalition schwierig werden könnten – es drohten eher nochmal vier Jahre Stillstand. Sehen Sie das auch so?
Es kommt darauf an, was man unter Reformen versteht. Wenn man unter Reformen versteht, dass man immer nur Arbeitsmarktreformen zulasten der Arbeitnehmer macht, dann ist sicherlich Stillstand angesagt, weil Frau Merkel dafür keine Mehrheit mehr hat und die FDP, die das gefordert hat, nicht mehr im Bundestag vertreten ist.
Wenn man aber unter Reformen versteht, den Arbeitsmarkt jetzt zu festigen und zum Beispiel dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer die Früchte ihres Tuns auch im eigenen Portemonnaie spüren, etwa durch die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns, dann glaube ich, wird es auch in einer neuen Regierungskoalition Reformen geben können.
"Mindestlohn" war eines der Stichwörter im Wahlkampf der SPD. Wäre also eine Schwarz-Rot-Koalition Ihr Favorit?
Nein, überhaupt nicht. Erst einmal gibt es in der CDU auch Bestrebungen zum Mindestlohn. Da hat die FDP bisher widersprochen. Zweitens haben die Grünen das ebenfalls als Forderung. Ich denke, dass der Mindestlohn relativ weit oben auf der Prioritäten-Liste stehen wird, egal, welche Konstellation sich jetzt ergeben wird.
Welche Themen gehören denn neben dem Arbeitsmarkt aus Ihrer Sicht auf die Agenda? Sie haben schon die Infrastruktur genannt.
Ja, genau, die Infrastrukturinvestitionen. Man muss dafür sorgen, dass hier einiges modernisiert wird, das schließt bei mir auch die Energiewende mit ein. Es muss endlich ein konsistentes Konzept für die Energiewende verabschiedet werden.
Die Infrastrukturinvestitionen an sich hat ja auch Herr Seehofer bereits indirekt propagiert, indem er eine Maut vorschlug, deren Einnahmen genau dafür benutzt werden. Die Maut wird allerdings so nicht kommen, weil man sehen wird, dass es da rechtliche Begrenzungen gibt. Sicherlich wird sich die Regierung hier auch die Frage stellen, wie man das denn alles finanzieren soll. Und da werden wir relativ schnell beim Thema Steuererhöhungen ankommen.
Und was ist mit dem Thema Bildung?
Auch im Bildungsbereich gibt es eine Menge an Investitionsbedarf. Nur gibt es hier noch die Schwierigkeit, dass man mit den Ländern verhandeln muss, dem wird sich auch die neue Bundesregierung nicht entziehen können. Die Länder haben mittlerweile auch ein Interesse an Investitionen, sie sind selber sind im Moment dazu größtenteils finanziell gar nicht in der Lage. Da warten noch langfristige Verhandlungen.
Arbeitsmarkt, Bildung und Infrastruktur im Inland, die Eurokrise als großes außenpolitisches Wirtschaftsthema. Das ist eine Menge für die neue Regierung. Wird die Kanzlerin mit dieser Agenda die moderierende Politik der ruhigen Hand fortsetzen können?
Ich denke, das wird sie fortsetzen wollen, denn das war ihr Erfolgsrezept. Sie hat immer einen Dialog auf Augenhöhe mit den Bürgern und den anderen Parteien gesucht. Und das hat man ihr sicherlich zugute gehalten. Die "Methode Merkel" wird sicherlich auch weiter angewendet werden, auch was den Euroraum angeht.
Und in vier Jahren geben Sie der Bundesregierung neue Noten?
Ja, schauen wir mal in vier Jahren, was wirklich verwirklicht wurde. Ich denke, die Inhalte werden andere sein als bisher, aber die "Methode Merkel" ist ja bestätigt worden. Damit war sie erfolgreich und ich gebe ihr große Chancen, weiterhin erfolgreich damit zu sein.
Mit Gustav Horn sprach Samira Lazarovic
Quelle: ntv.de