
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Deutsche Bank-Chef Jürgen Fitschen.
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Wegen Steuerbetrug nimmt die Justiz Deutsche-Bank-Chef Fitschen ins Visier. Ihre Vergangenheit holt die Bank nun dort ein, wo längst nach Verantwortlichen hätte gesucht werden müssen – in der Chefetage. Dabei müsste die Verantwortung nicht Fitschen, sondern ein anderer tragen.
Als am Mittwoch 500 Kriminalbeamte, Steuerfahnder und Staatsanwälte in die Deutsche-Bank-Zentrale in Frankfurt marschierten, war das nicht nur für einige Banker ein einschneidendes Erlebnis. Fünf Mitarbeiter der Deutschen Bank sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Gegen 25 ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt wegen schwerer Steuerhinterziehung, Geldwäsche und versuchter Strafvereitelung beim Handel mit Emissionsrechten.
Mit der Razzia ist auch ein Traum für die Führung der Bank geplatzt. Bewaffnete Polizisten, die Deutsche-Bank-Mitarbeiter abführen - deutlicher ist der Unterschied zwischen dem vom neuen Führungsduo Jürgen Fitschen und Anshu Jain medienwirksam angekündigten Kulturwandel und der Wirklichkeit in Deutschlands größtem Geldhaus noch nie sichtbar geworden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun auch gegen Co-Chef Fitschen und Finanzvorstand Stefan Krause. Der Besuch der Ermittler hätte symbolischer kaum sein können: In den Aufzügen der Zentrale arbeiteten sich die Justizbeamten bis in die höchsten Ebenen der Frankfurter Zwillingstürme vor. Die dunkle Vergangenheit der Deutschen Bank erreicht langsam ihre Chefetage.
Steuerbetrug beim Emissionshandel
Konkret geht es um Betrug beim Handel mit CO2-Zertifikaten. Ende 2011 verurteilte das Landgericht Frankfurt sechs Männer wegen Betrügereien beim Handel mit Emissionsrechten zu Haftstrafen zwischen drei und acht Jahren. EU-Firmen müssen diese Verschmutzungsrechte seit 2005 kaufen, damit sie ihre Fabriken betreiben dürfen. Die Männer organisierten einen künstlichen Kreislauf mit den Papieren. Dabei kauften die Männer die Zertifikate im Ausland ein, wo auf den Handel keine Umsatzsteuer fällig wurde. Über ein Dickicht von Konten und Firmen verkauften sie die Verschmutzungsrechte weiter.
Vom deutschen Fiskus forderten die Betrüger die dabei fällig gewordene Umsatzsteuer zurück – obwohl sie sie in Wahrheit nie gezahlt hatten. Mit den Karussellgeschäften betrogen die Männer die Steuerbehörden laut Gericht um 230 Mio. Euro. Den Gesamtschaden schätzen die Ermittler gar auf 800 Mio. Euro, es laufen weitere Ermittlungen gegen insgesamt 170 Händler. Die Hintermänner sitzen in Großbritannien und Dubai.
Die Deutsche Bank bringt den Betrug in Schwung
Die Deutsche Bank ist in den Betrügerring offenbar stärker verwickelt als gedacht – und hat daran kräftig mitverdient. Bereits 2010 durchsuchten die Ermittler in einer Großrazzia das Frankfurter Hauptquartier. Zwei Deutsche-Bank-Mitarbeiter verweigerten im Prozess die Aussage.
Dafür waren die Angeklagten umso gesprächiger: Das Geschäft sei erst richtig in Schwung gekommen, nachdem sie Kontakt zur Deutschen Bank aufgenommen hätten, sagte einer der Männer. Denn Großabnehmer der Zertifikate war das Frankfurter Geldhaus: Weil die Händler durch den Betrug die Umsatzsteuer sparten, konnten sie die Emissionsrechte viel günstiger als der Markt anbieten. Die Deutsche Bank stieg groß in das Geschäft ein, um mit den Billigzertifikaten Handelsgewinne zu kassieren. Die Banker - so der Verdacht der Ermittler - bauten das System erst auf.
Die dunkle Vergangenheit erreicht die Chefetage
Die Ermittler weiteten die Untersuchungen gegen die Bank nun aus, weil der Verdacht besteht, dass sie ihre Beteiligung zu vertuschen versuchte: Mitarbeiter der Bank könnten den Ermittlungsbehörden Beweismittel vorenthalten und Geldwäscheverdachtsanzeigen nicht erstattet haben, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit.
Deutsche-Bank-Co-Chef Fitschen ist in dem Skandal nur ein Zufallsopfer: Er hat die umstrittene Steuererklärung von 2009 unterschrieben, mit der die Bank Steuererstattungen von 310 Mio. geltend machte, die auf den betrügerischen Geschäften beruhten. Die Bank baute für das Geschäft eigens eine Abteilung auf. Und die lag im Verantwortungsbereich von Anshu Jain, der zusammen mit Jürgen Fitschen seit Juni an der Spitze der Deutschen Bank steht. Der Skandal ist damit nur eine weitere Episode der dunklen Vergangenheit, die die Bank nun immer mehr einholt, und die vor allem Jain zu verantworten hat.
Die Liste fragwürdiger Geschäfte ist lang
Jahrelang steuerte Jain aus London das Investmentbanking des Geldhauses. Die Liste der fragwürdigen Geschäfte ist schier endlos:
Libor-Skandal: Händler der Deutschen Bank und anderer Institute sollen zwischen 2005 und 2009 in London den Libor-Zinssatz, auf dem weltweite Geldgeschäfte im Volumen von 500 Billionen Euro beruhen, zu ihren Gunsten manipuliert haben. Die britische Großbank Barclays musste fast eine halbe Milliarde Dollar Strafe zahlen. Auch die Deutsche Bank hat eine Beteiligung einiger ihrer Händler bereits zugegeben. Eine Beteiligung des aktuellen oder früheren Managements schließt die Bank nach interner Untersuchung allerdings aus. Jain sagte eine Befragung zu den Vorwürfen vor dem Finanzausschuss ab und schickte seinen Vorstandskollegen Stephen Leitner. Die verantwortlichen Händler agierten jahrelang in seinem Verantwortungsbereich.
US-Ramschhypotheken: Zahllose Versicherungen, Hypothekenbanken und Finanzinstitute klagen gegen die Deutsche Bank, weil sie sich mit komplexen Hypothekenpapieren betrogen fühlen, die die Bank vor der Krise als sichere Investments verkaufte, dann aber stark an Wert verloren. Unter den Klägern sind auch die deutsche BayernLB, die IKB und ein Fonds, der der ehemaligen SachsenLB gehörte, die inzwischen in der LBBW aufgegangen ist. Für 202 Millionen Dollar konnte sich die Deutsche Bank im Mai von einer Klage des US-Justizminsteriums wegen dieser Geschäfte freikaufen. 1,3 Mrd. Dollar hat die Deutsche Bank bereits an Investoren zurückgezahlt. Für den Verkauf der verbrieften Wertpapiere waren die Händler unter der Ägide von Anshu Jain verantwortlich.
Zins-Swaps: Vor der Finanzkrise verkaufte die Bank Dutzenden Mittelständlern und Kommunen in Deutschland jahrelang hochriskante Zinswetten, die sich später als finanzielles Desaster für Städte und Unternehmen entpuppten. In einem aufsehenerregenden Urteil hat der Bundesgerichtshof die Deutsche Bank dafür 2011 in einem Fall zu 500.000 Euro Schadenersatz verurteilt. Seitdem schließt die Bank vermehrt außergerichtliche Vergleiche, um weiteren peinlichen Verurteilungen zu entgehen.
Die Verantwortung für all diese Geschäfte trägt jedoch der Mann, der damals an der Spitze der Bank stand und sie so schonungslos auf das Investmentbanking ausrichtete. Er hätte eigentlich auch die umstrittene Umsatzsteuererklärung unterschreiben sollen, wegen der nun gegen Jürgen Fitschen ermittelt wird, war am fraglichen Tag aber angeblich nicht im Haus. Sein Name: Josef Ackermann.
Quelle: ntv.de