Wirtschaft

Im Zeichen der Krise EU-Gipfel fordert Merkel heraus

Unter Druck: Angela Merkel.

Unter Druck: Angela Merkel.

(Foto: dapd)

Beim EU-Gipfel Ende der Woche ist Streit über die geplante Vertiefung der Währungsunion wohl unvermeidlich. Die Vorschläge der Chefs der vier wichtigsten Institutionen in der EU dürften auf deutschen Widerstand treffen. Denn diese wollen Kanzlerin Merkel Zugeständnisse in der Frage gemeinsamer Haftung für Schulden abringen.

Der französische Finanzminister Pierre Moscovici hat Ministerkollegen aus Deutschland, Spanien und Italien für Dienstagabend zu einem Treffen nach Paris eingeladen, um den anstehenden EU-Gipfel inmitten der Schuldenkrise vorzubereiten. Neben Wolfgang Schäuble aus Deutschland erwarte er aus Spanien Luis de Guindos und aus Italien Premier Mario Monti oder den stellvertretenden Wirtschaftsminister Vittorio Grilli, sagte Frankreichs Ressortchef Pierre Moscovici. Die EU-Kommission werde mit EU-Währungskommissar Olli Rehn vertreten sein.

Am Mittwoch wird Bundeskanzlerin Merkel zu einem Vorbereitungstreffen mit Präsident François Hollande in Paris erwartet. Am Freitag hatten sich beide Politiker mit den Regierungschefs Italiens und Spaniens, Mario Monti und Mariano Rajoy,  in Rom getroffen. Danach hatte Merkel ihre strikte Ablehnung einer Vergemeinschaftung von Schulden bekräftigt.

Die Schuldenkrise hatte sich am Montag erneut zugespitzt. Mit Zypern flüchtete sich ein weiteres Land unter den Rettungsschirm. Zudem stufte die Ratingagentur Moody's die Kreditwürdigkeit von fast 30 spanischen Banken herab. Spanien hatte zuvor offiziell einen Hilfsantrag für seine Banken bei der EU eingereicht.

Der am Donnerstag beginnende Gipfel sei ein essenzieller, betonte Moscovici. Er müsse unter anderem zeigen, dass Europa zu Integration im Bereich der Finanz- und Budgetpolitik fähig sei und eine gemeinsame Wachstums- und Regulierungspolitik betreiben könne.

Quartett präsentiert Vorschläge

Bei dem EU-Gipfeltreffen soll offenbar über stärkere Eingriffsrechte in die nationalen Haushalte der Euro-Länder beraten werden. Damit solle offenbar Deutschlands Zustimmung zu Euro-Bonds erreicht werden, berichtete die "Financial Times". EU-Ratspräsident Herman van Rompuy, EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, und Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker haben demnach einen Plan erarbeitet, der der EU weitreichende Befugnisse für Haushaltsvorschriften einräumt, wenn ein Mitgliedsland des Euroraums die Schulden- und Defizitvorgaben nicht erfüllt.

Die EU-Vorschläge für das betroffene Land würden dann allen anderen EU-Ländern zur Abstimmung vorgelegt, hieß es. Die Vorschläge seien Teil eines ambitionierten Plans, den Euroraum in eine engere Fiskalunion umzuwandeln. Brüssel solle neue Möglichkeiten zur Bestrafung von Mitgliedsländern erhalten, die die Vorschläge der EU nicht umsetzen. Unter anderem sollen Geldbußen verhängt werden können. Damit gehen die neuen Vorschläge der EU weit über die im vergangenen Jahr von der EU-Kommission vorgelegten Pläne hinaus. Diese hatten Brüssel lediglich das Recht eingeräumt, die nationalen Haushalte zu prüfen, bevor sie in den nationalen Parlamenten beraten werden. Änderungen konnte die EU nicht vorschreiben.

Zusätzlich zu den neuen Befugnissen für Brüssel wird in dem Plan der EU auch angeregt, dass die Regierungen der Euroländer jedes Jahr gemeinschaftlich ihre Schuldenniveaus und die Haushaltsobergrenzen beschließen. Es sind zwar keine sofortigen Schritte zur Einführung von Euro-Bonds vorgesehen, aber es werden erste Schritte in diese Richtung empfohlen.

Unter anderem soll eine begrenzte Vergemeinschaftung kurzfristiger Verbindlichkeiten über die Ausgabe sogenannter Euro-Bills geprüft werden. Auch die Einrichtung eines Schuldentilgungsfonds wird als möglicher Zwischenschritt genannt. Auf den Tilgungsfonds würden die Verbindlichkeiten eines Landes übertragen, die 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen.

Merkel positioniert sich

Der für den am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel erarbeitete Bericht umfasst auch Vorschläge für eine Bankenunion – also gemeinsame Aufsicht und Einlagensicherung europäischer Banken. So solle der dauerhafte Rettungsfonds ESM Banken direkt mit Kapital unter die Arme greifen dürfen, hieß es weiter. Zudem ist die Einrichtung einer gemeinsamen Bankenaufsicht mit weitreichenden Befugnissen zu Eingriffen auch bei kleineren Instituten vorgesehen.

Bei der Bundesregierung stoßen diese Ideen auf wenig Gegenliebe. Kanzlerin Angela Merkel zog bereits scharfe Grenzen. "Wenn ich an den Rat (den EU-Gipfel) am Donnerstag denke, dann treibt mich die Sorge um, dass dort schon wieder viel zu viel über alle möglichen Ideen für eine gemeinsame Haftung gesprochen wird, aber viel zu wenig über verbesserte Kontrollen und Strukturwandel."

Merkel erneuerte ihre Ablehnung von allem, was eine gemeinschaftliche Haftung bedeutet, wie Eurobonds oder eine gemeinsamen Einlagensicherung für Banken. Diese seien nicht nur in Deutschland verfassungswidrig. "Ich halte sie auch für ökonomisch falsch und kontraproduktiv", sagte Merkel. Zu Gesprächen über Pläne für eine Bankenunion in Europa sei sie aber bereit. Allerdings dürfe es dabei nicht um gemeinsame Haftungen gehen. "Eine europäische Einlagensicherung können wir sofort machen, wenn sie nicht zu gemeinschaftlicher Haftung, sondern zu verbesserten Kontrollmöglichkeiten und Standards führt", sagte die Kanzlerin.

Unions-Fraktionsvize Michael Meister erläuterte: "Die Reihenfolge ist für uns entscheidend: Erst muss eine europäische Integration deutlich weiter sein, dann können wir über viele Vorschläge erneut diskutieren." Was nicht gehe, sei ein Handeln nach dem Grundsatz: "Wir bitten Deutschland zur Kasse, die Strukturen für eine langfristige Stabilität im Euro-Raum vertagen wir auf irgendwann später." Solidarität und Solidität gehörten zusammen. Im Übrigen habe jede Vergemeinschaftung die Grenzen des Grundgesetzes und der europäischen Verträge einzuhalten.

Der SPD-Fraktionsvize Joachim Poß begrüßte die Diskussion über das Thema Vergemeinschaftung. Für eine Bewertung der Einzelvorschläge der vier Präsidenten sei es aber noch zu früh. Ein Altschulden-Tilgungsfonds werde allerdings schon seit längerem von den Sozialdemokraten gefordert.

Quelle: ntv.de

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