Wirtschaft

Experten prüfen Haushaltsdefizit EU nimmt Spanien an die Leine

Die Europäische Statistikbehörde Eurostat schickt eigene Experten nach Madrid, die die spanischen Haushaltszahlen prüfen sollen.

Die Europäische Statistikbehörde Eurostat schickt eigene Experten nach Madrid, die die spanischen Haushaltszahlen prüfen sollen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die EU traut Spanien nicht mehr über den Weg: Die europäische Statistikbehörde Eurostat schickt eigene Experten nach Madrid, die die Haushaltszahlen prüfen sollen. Kein Wunder: Das Defizit ufert aus, die Rezession verschlimmert sich und die größte Krisenbank braucht überraschend weitere Milliarden.

Nach der erneuten Korrektur der Defizitzahlen Spaniens schickt die Europäische Statistikbehörde Eurostat Experten nach Madrid. Die Fachleute sollen noch in dieser Woche eintreffen und prüfen, ob die jüngste Revision ausreicht. Eurostat werde mit dem spanischen Statistikamt zusammenarbeiten um sicherzustellen, dass "solch ein Problem nicht wieder auftritt".

Das spanische Wirtschaftsministerium hatte vorige Woche die Defizitzahl für 2011 nochmals heraufgesetzt. Der Fehlbetrag im Haushalt 2011 habe bei 8,9 statt 8,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gelegen, hieß es. Schuld daran seien erhöhte Ausgaben einiger Regionen.

Die Krise in Spanien ist so akut, dass Spaniens Premierminister Rajoy auch öffentlich aufs Tempo drückt: Europa brauche schnelle Lösungen, um die Finanzstabilität zu garantieren, sagte Rajoy beim Nato-Gipfel in Chicago. Es gebe Entscheidungen, die innerhalb von 24 Stunden umgesetzt werden könnten. Euro-Bonds hält Rajoy als schnelle Hilfsmaßnahme aber für ungeeignet. Laut einem Medienbericht soll Rajoy in einem Gespräch mit Kanzlerin Merkel bereits Hilfen der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgelotet haben.

Hinter den Kulissen drängt Spanien offenbar auf eine aktivere Rolle der EZB: "Wir hoffen, dass wir ein klares Signal der EZB zur Unterstützung der Staatsschulden in der Eurozone bekommen", sagte ein spanischer Regierungsbeamter, der damit offensichtlich auf EZB-Käufe von Staatsanleihen anspielte, um die Zinskosten zu drücken. "Es ist nicht normal, dass wir uns jeden Tag so sehr um die Risikoprämie sorgen müssen", sagte der Beamte hinsichtlich des Renditeunterschieds zwischen spanischen und deutschen Staatsanleihen. Nachdem die europäischen Regierungen die fiskalischen Regeln in der Union gestärkt hätten, brauche der Währungsblock nun eine finanzielle Unterstützung der EZB, um die volatilen Anleihemärkte zu stabilisieren. Es gebe ein "Gentlemen's Agreement" dazu.  

Teilverstaatlichte Bankia braucht neues Geld

Die Zeit drängt: Die teilverstaatlichte spanische Großbank Bankia braucht zusätzliche 7 bis 7,5 Mrd. Euro, um die neuen Auflagen der spanischen Regierung zur Bekämpfung der Immobilienkrise zu erfüllen. Die viertgrößte Bank müsse in dieser Höhe ihre Rücklagen für faule Immobilienkredite auffüllen, sagte Wirtschaftsminister Luis de Guindos. Angesichts ihres Kapitalmangels wird sich Bankia nach Angaben der Zeitung "El País" gezwungen sehen, erneut staatliche Finanzhilfe zu beantragen.

Bankia hatte bereits 2010 gut 4,5 Mrd. Euro aus dem staatlichen Bankenrettungsfonds FROB erhalten. De Guindos versicherte dennoch, Bankia sei ein lebensfähiges Geldhaus mit einer hohen Liquidität. Die Bank gehört zu den vier großen Geldinstituten in Spanien und war aus einer Fusion von sieben Sparkassen hervorgegangen. Diese hatten sich Ende 2010 unter der Führung der Caja Madrid zur BFA (Banco Financiero y de Ahorros) zusammengeschlossen.
Die spanischen Geldinstitute mit den faulen Immobilienkrediten in ihren Bilanzen waren in letzter Zeit immer stärker in den Mittelpunkt der Schuldenkrise gerückt. Aufgrund der heiklen Lage mehrerer Banken ist das Vertrauen der Anleger in die spanische Finanzwirtschaft immer mehr geschwunden. Die Beratungsfirmen Roland Berger (München) und Oliver Wyman (USA) sollen nun die Bilanzen der spanischen Banken prüfen um Zweifel über die Bewertung der Aktiva der Banken in Spanien auszuräumen.

Spanien darf schneller auf EU-Fördermittel zugreifen

Die Probleme im Bankensektor und in der Wirtschaft schlagen immer mehr auf den Haushalt durch. Trotz der erneuten Korrektur der Zahlen für 2011 hält die spanische Regierung für dieses und das kommende Jahr an den Defizitzielen fest. "Es ist von entscheidender Bedeutung, dass das Defizit in diesem Jahr auf 5,3 Prozent reduziert wird. Hauptziel für 2013 ist es, ein Defizit von drei Prozent zu erreichen", sagte Wirtschaftsminister Luis de Guindos.

De Guindos sieht keinen Lichtblick für die spanische Wirtschaft. Er geht davon aus, dass die Wirtschaftsleistung auch im zweiten Vierteljahr ein Minus von 0,3 Prozent ausweisen wird. Die spanische Wirtschaft war im ersten Quartal 2012 und auch im letzten Quartal 2011 bereits um 0,3 Prozent geschrumpft. Brüssel kündigte derweil an, das schuldengeplagte Land erhalte schnelleren Zugriff auf rund eine Milliarde Euro aus EU-Fördertöpfen. Mit diesem Schritt würden rund 939 Mio. Euro für Umwelt-, Verkehrs- und Infrastrukturprojekte, die bereits fertiggestellt sind, ausgezahlt.

Quelle: ntv.de, rts/dpa/DJ

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