Wirtschaft

Insolventer Reisekonzern Für FTI-Rettung notwendige Genehmigung wurde nie beantragt

Der Bund hat im Insolvenzverfahren  der FTI rund 500 Millionen Euro noch nicht zurückgezahlter Corona-Hilfen  im Feuer.

Der Bund hat im Insolvenzverfahren der FTI rund 500 Millionen Euro noch nicht zurückgezahlter Corona-Hilfen im Feuer.

(Foto: IMAGO/Revierfoto)

Mit der Übernahme durch den Finanzinvestor Certares sollte der angeschlagene Reisekonzern FTI gerettet sein. Doch der im April verkündete Deal kam nicht zustande, FTI schlitterte in die Pleite. Nun stellt sich heraus, dass die notwendige Fusionskontrolle gar nicht beantragt worden war.

Die Insolvenz des Reiseveranstalters FTI macht vielen Menschen einen Strich durch ihre geplante Reise. Dabei schienen die Urlaube bis zuletzt gerettet, genauso wie der hoch verschuldete Reiseanbieter selbst. Mitte April verkündete der US-Finanzinvestor Certares, Europas drittgrößten Reiseveranstalter zu übernehmen. Seither stand der Abschluss des Deals aus - Medienberichten zufolge auch deshalb, weil ein Kartellverfahren noch nicht abgeschlossen war.

Wie das Wirtschaftsmagazin "Capital" nun erfuhr, war jedoch weder beim Bundeskartellamt noch bei der zuständigen Behörde der Europäischen Kommission (EU Merger Regulation) ein Prüfantrag im Rahmen der Fusionskontrolle eingereicht worden. Erst dann aber wäre das Übernahmeprozedere in Gang gekommen. Beim Bundeskartellamt war "ein entsprechendes Vorhaben nicht angemeldet und daher fand oder findet in diesem Zusammenhang auch keine Prüfung im Rahmen der Fusionskontrolle statt", teilt die Behörde auf "Capital"-Anfrage mit. Auch auf europäischer Ebene wurde eine solche Transaktion "der Kommission nicht offiziell gemäß der EU-Fusionskontrollverordnung gemeldet", bestätigte eine Sprecherin der Kommission.

Bei der Bundesregierung war man offenbar ahnungslos. Auf Nachfrage teilt das Bundesfinanzministerium mit, nichts davon gewusst haben, dass FTI und Certares nie ein Kartellverfahren beantragt hatten. Das Bundeswirtschaftsministerium verweist lediglich auf das zuständige Bundeskartellamt.

In der offiziellen Mitteilung Anfang Mai schrieb FTI, dass der Deal mit Certares den "üblichen behördlichen Genehmigungen und Bedingungen, die für Prozesse dieser Art erforderlich sind", unterliege. Damit sind in der Regel kartellrechtliche Prüfverfahren gemeint. Auch verschiedene Medien berichteten damals, dass die "Wettbewerbshüter" dem Geschäft noch zustimmen müssten. Weder FTI noch Certares wollten sich auf Nachfrage zu den offenbar versäumten Anträgen äußern. Auch die Certares beratende Kanzlei Herbert Smith Freehills lehnte einen Kommentar ab.

Genehmigung innerhalb von Tagen möglich

Ein Zusammenschluss dieser Größenordnung ist nach Experteneinschätzung in aller Regel kontrollpflichtig. Wie ernst also waren die Übernahmeambitionen von Certares wirklich? Das Unternehmen beantwortet diese Frage nicht. "Bitte haben Sie Verständnis, dass sich das von Certares geführte Konsortium zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern kann", lässt die US-Firma mitteilen.

In der Regel werden entsprechende Prüfverfahren, die zeitkritisch sind und bei denen es um den Fortbestand und eine drohende Insolvenz eines Unternehmens geht, sofort von den beteiligten Unternehmen angemeldet und auch zügig bearbeitet. Das bestätigt das Bundeskartellamt Capital. Es seien auch schon Freigaben innerhalb weniger Tage erteilt worden. In Deutschland liegt die Frist von der offiziellen Anmeldung bis zur Freigabe sogenannter unproblematischer Zusammenschlüsse bei einem Monat, auf EU-Ebene bei 25 Arbeitstagen. Das Verfahren hätte also in diesen Tagen über die Bühne gehen können.

Certares wollte laut der Vereinbarung vom April 125 Millionen Euro frisches Kapital in FTI investieren, um so die nächste Wachstumsphase und die digitale Transformation des Konzerns zu finanzieren. Die Wettbewerbshüter müssten dem Deal noch zustimmen, hieß es damals. Das angeblich ausstehende Kartellverfahren wurde bisher als ein Grund dafür genannt, dass FTI erneut akute finanzielle Probleme hatte. Angeblich brauchte der hoch verschuldete Veranstalter Geld, um den Sommer zu überbrücken, bis der Deal hätte abgeschlossen sein sollen.

Doch weder die bisherige Haupteignerfamilie Sawiris noch der neue Investor Certares waren spontan zu finanzieller Unterstützung bereit, auch die Bundesregierung lehnte weitere Finanzhilfen aus "haushalterischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen" ab. Wie das "Handelsblatt" berichtete, sei es dabei nicht nur um eine einmalige zweistellige Millionensumme gegangen, wie bisher angenommen, sondern um einen wöchentlichen Bedarf in dieser Höhe.

"Vorteilhafteste Option" für den Bund vom Tisch

Ob ein Zusammenschluss von Unternehmen auf Bundes- oder EU-Ebene geprüft wird, hängt von der Höhe des Umsatzes der Unternehmen ab. Im Fall des Bundeskartellamts sei eine Anmeldung erforderlich, wenn Erwerber und Zielgesellschaft gemeinsam weltweit Umsatzerlöse in Höhe von 500 Millionen erzielen, sagt Maxim Kleine, Anwalt für Kartellrecht bei der Kanzlei Görg zu "Capital". Zusätzlich müsse eines der beiden Unternehmen Umsätze in Höhe von 50 Millionen Euro und das andere von 17,5 Millionen Euro in Deutschland generiert haben, so Kleine. Für eine Zuständigkeit der Europäischen Kommission liege die Umsatzschwelle noch einmal deutlich höher.

Vor dem Hintergrund der öffentlich bekannten Umsatzerlöse der beteiligten Unternehmen scheint klar, dass die Übernahme von FTI fusionskontrollpflichtig war. Allein FTI erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2022/23 einen Umsatz von rund 4 Milliarden Euro.

"Wegen der Fusionskontrolle wird FTI nicht in die Insolvenz gegangen sein, denn die Fusionskontrolle sollte unproblematisch sein", sagt Kartellrechtsexperte Kleine. "FTI ist allenfalls in die Insolvenz gegangen, weil der Erwerber vor der Freigabe nachvollziehbarerweise kein Geld in das Unternehmen stecken wollte." In so einem Fall den Behörden die Schuld zu geben für eine möglicherweise verzögerte Prüfung, wäre "sehr, sehr billig".

FTI hat angeblich Schulden in Höhe von rund 1 Milliarde Euro, von denen mit knapp 600 Millionen Euro der Großteil Corona-Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes sind. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte schon im April einen Schuldenerlass abgelehnt. Für Certares wollte man aber offenbar einen Schuldenschnitt durch die Hintertür machen, indem man die Schulden "zum Marktpreis" an Dritte verkauft hätte. Wie eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums am Montag bestätigte, wäre ein solcher Verkauf der Forderungen "für den Bund die vorteilhafteste Option gewesen". Dazu kommt es nun nicht mehr.

Dieser Text erschien zuerst bei Capital.

Quelle: ntv.de

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