Energie-Paradies Senegal? Gas aus Westafrika könnte Deutschlands Joker sein
06.04.2023, 19:13 Uhr Artikel anhören
Ein LNG-Transportschiff vor der Küste des Senegal.
(Foto: picture alliance/dpa)
Der Senegal ist reich an Öl und Gas - und demokratisch. Nach genau solchen Partnern sucht Deutschland. Bundeskanzler Scholz war schnell vor Ort. Doch der Senegal ist selbstbewusster als früher und sucht sich seine Partner mittlerweile aus. Hat Deutschland überhaupt eine Chance?
Die Wirtschaft im Senegal boomt: Vor allem Öl und Gas sorgen für Wachstumsraten, die nach den Erwartungen von Experten im nächsten Jahr sogar zweistellig ausfallen könnten. Die westafrikanische Republik gilt als vergleichsweise sicheres und stabiles Land in der Region. Deshalb schaut längst auch Deutschland ganz genau hin.
Der Senegal war das erste afrikanische Land, das Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ansteuerte: Bei seinem Besuch im Mai 2022 dachte er laut darüber nach, bei der Förderung von Erdgas zu kooperieren. Umweltaktivisten kritisieren diese Idee scharf. Und auch Bundeswirtschaftsminister Habeck hat sich kürzlich kritisch gegenüber der Gasexploration im Senegal und deren öffentliche Unterstützung geäußert.
Aus deutscher Perspektive sind die Standpunkte klar: Während die eine Seite die eigene Energiesicherheit im Blick hat, bangt die andere um die Einhaltung der internationalen Klimaziele. Die Sicht des Senegal dagegen geht in dieser Betrachtung meist unter. Khadi Camara ist Senegal-Expertin des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft und macht genau darauf aufmerksam. "Ein Großteil der Bevölkerung hat noch gar keinen Zugang zu Energie", erklärt Camara im Podcast "Wirtschaft Welt & Weit".
Die Versorgungslage im Senegal zu verbessern ist wichtig, um der jüngeren Generation bessere Zukunftsperspektiven zu verschaffen. Denn vor allem die Jugend geht zunehmend für ihre Interessen auf die Straße. Künftige Gasexporte könnten Gelder generieren, um die Modernisierung des Landes voranzutreiben und mögliche weitere Unruhen zu entschärfen. Schließlich ist die Stabilität des Landes ein wichtiger Faktor für das Wirtschaftswachstum.
Senegal immer selbstbewusster
Laut Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft werden die Vorbereitungen für das Offshore-Gasprojekt im Senegal konkreter: So werde aktiv nach Unternehmen gesucht, die für die Umsetzung der Pläne infrage kommen. Auch einige deutsche Maschinenbauer mit Erfahrung in der Gasförderung seien im Gespräch. Wird der ursprüngliche Zeitplan eingehalten, könnte der Senegal noch in diesem Jahr mit der Förderung beginnen.
Käme es zu einem Deal, so würde er direkt über Energieversorger und -händler abgewickelt. Die Bundesregierung ist nach Auskunft eines Regierungssprechers nicht an der finanziellen Förderung zur Erschließung oder Nutzung senegalesischer Erdgasfelder beteiligt. Konkrete Anträge der Privatwirtschaft für eine entsprechende Förderung lägen ebenso wenig vor.
Deutschland muss darüber nachdenken, ob es ausreicht, senegalesisches Gas als Energie-Joker in der Hinterhand zu haben. Im Konflikt zwischen Klimazielen und Energiesicherheit könnte es vorteilhaft sein, das Selbstbewusstsein des Senegal einzukalkulieren: Der wird sich seine Geschäftspartner am Ende selbst aussuchen - und das womöglich schneller, als Deutschland denkt.
Was muss Deutschland tun, um in der Wirtschaftswelt von morgen noch eine wichtige Rolle zu spielen? Von wem sind wir abhängig? Welche Länder profitieren von der neuen Weltlage? Das diskutiert Andrea Sellmann im ntv-Podcast "Wirtschaft Welt & Weit" mit relevanten Expertinnen und Experten.
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Quelle: ntv.de