Blessing spricht Klartext Griechen-Pleite kein Tabu
21.10.2011, 12:22 Uhr
Deutschlands Banken richten sich auf Schuldenschnitt Griechenlands ein.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Finanzbranche will sich freiwillig am zweiten Rettungspaket für Griechenland mit rund 50 Mrd. Euro beteiligen. Das soll über den Rückkauf und Tausch von griechischen Staatsanleihen geschehen, was mit Wertberichtigungen von 21 Prozent einhergeht. Passiert ist indes noch nichts. Deshalb findet Commerzbank-Chef Blessing nun deutliche Worte.
Direkt und ein Tabu-Bruch: Wenige Tage vor dem EU-Gipfel zur Schuldenkrise schwindet die Hoffnung auf eine Rettung Griechenlands durch neue Zugeständnisse der Banken. Als erster europäischer Top-Banker brachte Commerzbank-Chef Martin Blessing offen eine Pleite des kriselnden Mittelmeerstaates ins Gespräch. "Griechenland braucht einen Schuldenschnitt. Es reicht nicht, nur Abschreibungen in den Bankbilanzen vorzunehmen", sagte Blessing der "Bild"-Zeitung.
Die letzte Vereinbarung zwischen Politik und Privatsektor habe das Problem nicht gelöst. "Das geht aus meiner Sicht nicht freiwillig, sondern nur indem Griechenland selbst seine Zahlungsunfähigkeit erklärt."
Einigung dringend erwünscht
Ende Juli stimmte die Finanzbranche zu, sich freiwillig am zweiten Rettungspaket für Griechenland mit rund 50 Mrd. Euro zu beteiligen. Dies geschieht über den Rückkauf und Tausch von griechischen Staatsanleihen, was mit Wertberichtigungen von 21 Prozent einhergeht. Die Politik pocht aber auf eine stärkere Beteiligung der Banken. Dabei war zuletzt von einem Schuldenschnitt von 50 Prozent die Rede, dazu müssten die Institute möglicherweise gezwungen werden.
Eine Einigung gibt es bislang nicht, obwohl Banker, Politiker und Notenbanker seit Tagen verhandeln. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, zugleich Chef des internationalen Bankenverbandes IIF, reiste in dieser Woche eigens nach Brüssel. Ein hochrangiger deutscher Bankenvertreter, der mit den Verhandlungen vertraut ist, brachte die Ernüchterung mit den Worten zum Ausdruck: "Eine freiwillige Vereinbarung ist weiter das Ziel. Aber ob das klappt, bleibt abzuwarten."
EU-Spitzentreffen am Sonntag?
Dass eine Pleite Griechenlands inzwischen auch von der Politik nicht mehr ausgeschlossen wird, zeigen deren Rekapitalisierungspläne für die Banken. Denn die Institute müssten dann weitere Abschreibungen fürchten. Um das zu schultern, brauchen sie ein entsprechend dickes Kapitalpolster. Im Gespräch ist die Aufstockung auf eine harte Kernkapitalquote von 9 Prozent der risikogewichteten Bilanzsumme.
Der Plan sollte am Wochenende verabschiedet werden, wenn die EU-Staats- und Regierungschefs über die Schuldenkrise beraten. Inzwischen gibt es aber auch beim Gipfel selbst Verzögerungen, weil sich Deutschland und Frankreich in etlichen strittigen Punkten nicht einig sind. Voraussichtlich wird es ein EU-Spitzentreffen am Sonntag und ein weiteres dann am Mittwoch geben.
Blessing: Kreditklemme könnte drohen
Die EU-Bankenaufsicht EBA prüfte die europäischen Geldhäuser in den vergangenen Tagen noch einmal auf Herz und Nieren: Sie verlangte aktualisierte Daten zu ihrem Stresstest vom Sommer und forderte dabei, alle Staatsanleihen in den Büchern mit Marktwerten anzusetzen. Demnach brauchen Europas Banken bis zu 100 Milliarden Euro frisches Kapital.
Sollten sie das Geld selbst nicht einsammeln oder verdienen können, sollen die Staaten und notfalls der Rettungsfonds EFSF einspringen. Die deutschen Großbanken brauchen wohl einen mittleren einstelligen Milliardenbetrag, den sie aber ohne den Staat schultern könnten, wie Reuters zuletzt von zwei mit dem Stresstest vertrauten Personen erfahren hatte.
Blessing forderte in der "Bild"-Zeitung eine schnelle Entscheidung in Sachen Rekapitalisierung. Die Vorgaben müssten schnell kommen und für alle gelten. "Denn wenn man Banken 18 Monate Zeit gibt, eine bestimmte Kapitalquote zu erreichen, dann werden sie versuchen, dies durch Abbau von Geschäft zu schaffen." Damit würde die Kreditvergabe an Unternehmen erschwert. Zudem würden alle versuchen, ihre Staatsanleihen zu verkaufen, statt Kapital aufzunehmen. "Die Krise würde also noch verschärft."
Quelle: ntv.de, bad/rts