Ringen um Wasserstoff-Strategie Insider: Deutschland und EU einig bei Kraftwerks-Förderung
07.06.2024, 15:23 Uhr Artikel anhören
Die Baustelle für das Projekt eines wasserstofffähigen Gaskraftwerkes am Industriestandort Schwarze Pumpe.
(Foto: Patrick Pleul/dpa)
Auch wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, braucht es erneuerbare Energien. Die Bundesregierung plant dafür wasserstofffähige Gaskraftwerke. Der erste Schritt zur EU-Förderung solcher Anlagen ist wohl getan – Experten sehen jedoch noch an einem anderen Punkt Grund zur Sorge.
Deutschland und die EU-Kommission haben sich nach zähem Ringen Regierungs- und Unternehmenskreisen zufolge auf Details zur Förderung neuer Kraftwerke verständigt. Es gebe eine Verständigung, eine schriftliche Bestätigung werde noch am heutigen Freitag aus Brüssel erwartet, sagten mit den Verhandlungen Vertraute der Nachrichtenagentur Reuters. Ein schneller Baubeginn von wasserstofffähigen Gaskraftwerken zum Ausgleich des schwankenden Solar- und Windstroms sei damit möglich. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte, es gebe sehr gute Fortschritte in den Gesprächen mit der EU-Kommission. Eine Einigung wollte er aber nicht bestätigen. Auch die Kommission erklärte lediglich, man sei in guten Gesprächen.
Im Kern geht es bei der geplanten Strategie um den Bau von Gaskraftwerken, die die wachsende, aber schwankende Einspeisung von Wind- und Solarstrom ausgleichen sollen. Zug um Zug sollen die Anlagen auf klimafreundlichen Wasserstoff umgestellt werden, der aber für lange Zeit deutlich teurer als Erdgas sein dürfte. Daher braucht es eine milliardenschwere Förderung, die von der EU-Kommission genehmigt werden muss.
Kohleausstieg hängt von Gaskraftwerksstrategie ab
Eine offizielle Beihilfegenehmigung wird allerdings noch Wochen auf sich warten lassen. Erst wenn es eine Verständigung auf die wesentlichen Punkte gibt, was jetzt geschehen ist, wird der Beihilfeantrag mit diesen Formulierungen eingereicht. An der Kraftwerksstrategie hängt auch, ob Deutschland wie vor allem von den Grünen gefordert bis 2030 das letzte Kohlekraftwerk abschalten kann. Daher drängt die Zeit. Energiekonzerne wie RWE, EnBW und Uniper sind interessiert am Bau etwa an Standorten von Kohlekraftwerken, die abgeschaltet werden müssen.
Die Bundesregierung hatte geplant, zunächst Kraftwerke mit zehn Gigawatt Leistung auszuschreiben, was etwa 15 bis 20 Anlagen entsprechen könnte. Ein entsprechendes Grobkonzept hatte sie im Februar präsentiert. Den Insidern zufolge soll dies in mehreren Schritten zu unterschiedlichen Konditionen erlaubt werden. Für den ersten Schritt sei eine Ausschreibung von fünf Gigawatt geplant. Wer die geringste Förderung verlangt, soll den Zuschlag erhalten.
Gerade für die weiteren Schritte habe die EU-Kommission aber eine Reihe Bedingungen gestellt. Bekannt ist, dass etwa der Zeitpunkt der Umstellung auf Wasserstoff diskutiert wurde. Zudem war eine offene Frage, ob der genutzte Wasserstoff auch subventioniert sein kann. In dem Fall gäbe es sowohl für das Kraftwerk als auch für den Brennstoff eine Doppel-Subventionierung.
Gibt es überhaupt genügend Wasserstoff?
Der grüne Wasserstoff, erzeugt mit Wind oder Sonne, ist derzeit kaum vorhanden. Die Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrats, Katherina Reiche, warnte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Die Ampel für grünen Wasserstoff steht auf Rot. Wenn es so weitergeht wie bisher, werden wir mittelfristig in Deutschland nicht annähernd so viel Wasserstoff zur Verfügung haben, wie wir benötigen." Sowohl der Bau heimischer Elektrolyse-Anlagen zur Erzeugung von grünem Wasserstoff, als auch der Aufbau einer Importinfrastruktur für den Energieträger komme viel zu langsam voran. Der Bund strebe bis 2030 eine Wasserstoff-Produktionskapazität in Deutschland von zehn Gigawatt, bisher aber gebe es nur für 0,3 Gigawatt feste Investitionszusagen. Die Bundesregierung versucht den Aufbau derzeit in Schwung zu bringen. Der Wasserstoffrat ist ein unabhängiges Expertengremium, das die Entwicklung begleitet.
Auf Drängen der FDP hat die Ampel-Regierung bei ihrem ersten Konzept zudem einen sogenannten Kapazitätsmechanismus in die Kraftwerksstrategie eingefügt, der ab 2028 im Stromsystem greifen sollte. Dabei wird nicht nach Kilowattstunde abgerechnet, sondern auch eine bereitgestellte Leistung vergütet, selbst wenn sie nicht gebraucht wird. Auch dies muss von der EU-Kommission genehmigt werden. Da dieser Mechanismus anders als bei den Wasserstoff-Kraftwerken nicht unmittelbar mit dem Klimaschutz zu tun hat, muss dabei mit der Versorgungssicherheit argumentiert werden. Die würde faktisch bedeuten, dass Deutschland seine Energiesicherheit als gefährdet einstuft.
Quelle: ntv.de, toh/rts