Wirtschaft

Gericht verurteilt Deutsche Bank Kirch-Erben bekommen Recht

Im Namen des Volkes: Der Vorsitzende Richter Guido Kotschy.

Im Namen des Volkes: Der Vorsitzende Richter Guido Kotschy.

(Foto: dpa)

Razzia, Ermittlungen gegen Co-Chef Fitschen, Gewinnwarnung und nun das: Zum Abschluss einer Horrorwoche verurteilt ein Gericht die Deutsche Bank, den Erben des Medienunternehmers Leo Kirch Schadenersatz in noch festzulegender Höhe zahlen. Eine Revision lassen die Richter nicht zu. Die Bank muss sich auf erhebliche Belastungen einstellen.

Deutsche Bank
Deutsche Bank 29,87

Eine jahrelanger Rechtsstreit endet mit einem Paukenschlag: Das größte deutsche Geldhaus, die Deutsche Bank, muss den Erben des Medienunternehmers Leo Kirch Schadenersatz für Verluste bei der Insolvenz des Kirch-Konzerns Jahr 2002 zahlen. Das Kreditinstitut und sein früherer Chef Rolf Breuer seien mitverantwortlich für die Pleite von weiten Teilen des Konzerns 2002, urteilte das Oberlandesgericht München. Die Höhe der Zahlung werde in einem Gutachten im kommenden Jahr festgelegt. Richter Guido Kotschy sah es für zahlreiche Teile des Konzerns als erwiesen an, dass Äußerungen Breuers das Ende des Imperiums besiegelt hätten.

Der im vergangenen Jahr verstorbene Kirch hatte der Bank vorgeworfen, sie habe durch öffentliche Äußerungen aus ihrer Führungsetage seine Finanzkraft in Zweifel gezogen und damit den Zusammenbruch seines Konzerns ausgelöst. Der Streit zieht sich bereits seit zehn Jahren hin, mehrere Vergleichsversuche sind gescheitert. Breuer hatte in dem Verfahren beteuert, er habe mit seinem Interview Anfang Februar 2002 keinen Druck auf Kirch aufbauen oder ihm schaden wollen. Auf die Frage nach den Zukunftschancen des hochverschuldeten Kirch-Konzerns hatte der Manager seinerzeit gesagt: "Was man alles lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder sogar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen."

Strafe im dreistelligen Millionenbereich?

Revision gegen sein Urteil schloss das Gericht aus. Die Anwälte der Deutschen Bank kündigten dennoch an, Rechtsmittel dagegen zu prüfen. Ein Sprecher der Bank erklärte, die Bank werde die schriftliche Urteilsbegründung prüfen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden. "Die Bank ist weiter davon überzeugt, dass die von der Klägerseite geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen und das Interview von Herrn Dr. Breuer die angeblichen Schäden nicht verursacht hat". Der nächste Schritt auf dem Rechtsweg wäre der Versuch, die Verurteilung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) anzufechten.

Kirch-Anwalt Peter Gauweiler erklärte nach dem Schuldspruch, das Urteil gehe weit darüber hinaus, was seine Partei erhofft hatte. Die Erben verlangten insgesamt zwei Mrd. Euro von der Deutschen Bank. Allerdings schloss das Gericht für einige der einst 17 Kirch-Gesellschaften Ansprüche aus.

Im Kirch-Prozess hatte Richter Kotschy mehrmals deutlich gemacht, dass er der Deutschen Bank ihre Version nicht abkauft. Schon im November hatte er die Einschätzung geäußert, durch das umstrittene Interview von Ex-Bankchef Breuer zur Kreditwürdigkeit des mittlerweile verstorbenen Medienzars sei Kirch ein Schaden von 120 Mio. bis 1,5 Mrd. Euro entstanden. Am Freitag hatte er diese Einschätzung bekräftigt.

Wie hoch die Schadenersatzsumme womöglich ausfallen könnte, lässt sich aus einer Zahl ablesen, die Prozessbeobachter in der Endphase der Verhandlung diskutiert hatten. Aus dem Umfeld der beteiligten Parteien hatte es geheißen, die Bank habe den Kirch-Erben die Zahlung von rund 780 Mio. Euro angeboten, um mit einem Vergleich alle juristischen Streitigkeiten zu beenden.

Horrorwoche für die Deutsche Bank

Die Deutsche Bank sitzt dabei zwischen den Stühlen: Den Aktionären der Bank waren die Vergleichsangebote bereits schwer zu vermitteln. Kritische Investoren fragten sich, warum das Haus für eine Indiskretion des ehemaligen Vorstandschefs so viel Geld bezahlen sollte. Womöglich muss die Bank nun deutlich tiefer in die Tasche greifen.

Ex-Bankchef Breuer selbst war bei der Urteilsverkündung nicht anwesend. Der Rechtsstreit dauert mittlerweile schon zehn Jahre an. Kern der Auseinandersetzung ist dabei die Frage, inwieweit die Äußerung von Breuer den Untergang des Kirch-Konzerns beschleunigt hat. Breuer hatte sich in dem entscheidenden Interview auf das berufen, was "man liest und hört".

Zu der Zeit fungierte die Deutsche Bank auch als Kreditgeber für die Kirch-Tochter Print-Beteiligungs GmbH, so dass Breuers Indiskretion besonderes Gewicht zukam. Nach Ansicht von Beobachtern könnten sie ein Versuch gewesen sein, den Kirch-Konzern unter Druck zu setzen und so einen Sanierungsauftrag zu bekommen.

Das potenziell kostspielige Urteil ist eine weitere Hiobsbotschaft in einer Woche mit vielen schlechten Nachrichten. Zuerst hatte eine Steuer-Razzia, die bis in die Vorstandsetage reichte, die Bank erschüttert. Dann verprellte Deutschlands größtes Geldhaus seine Anleger mit einer Gewinnwarnung. "Im Prinzip ging diese Woche für die Deutsche Bank alles schief, was schiefgehen konnte", brachte es ein Börsianer auf den Punkt.

Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen wies Anschuldigungen der Steuerhinterziehung zurück. "Die Vorwürfe haben mich erschüttert. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie sich als unbegründet erweisen werden", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Insofern fühle ich mich ungerecht behandelt und werde mich auch dagegen wehren." Für einen Rücktritt sehe er keinen Grund. "Meines Erachtens war das Vorgehen der Staatsanwaltschaft überzogen", sagte er dem "Handelsblatt".

Fitschen und sein Finanzvorstand Stefan Krause gehören zu den 25 Mitarbeitern der Bank, gegen die in der Affäre um Steuerbetrug im Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten unter anderem wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt wird. Rund 500 Polizisten und Steuerfahnder hatten am Mittwoch die Frankfurter Zentrale der Bank durchsucht.

Quelle: ntv.de, AFP/DJ/dpa/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen